BREITWEGERICH. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kind gebliebene - Teil 65

Diese Woche war ich viel Unterwegs. Am Donnerstag gings nach Klagenfurt und retour, um an einem Schulprojekt für Jugendliche mitzuarbeiten, bei dem es um Rinderhaltung und Rindfleischkonsum geht. Morgen geht's ab nach Salzburg, um dem Grab eines lieben Verstorbenen einen Allerheiligenbesuch abzustatten. Dabei musste ich ständig an ein Kräutlein denken, dass man häufig an Wegrändern und auf Feldwegen antrifft. Ein Kraut, dessen Samen an den Schuhsolen der Menschen haften bleiben und es so angeblich sogar bis nach Amerika geschafft haben... Viel Spaß mit der Geschichte vom Breitwegerich!

Die Brennnessel und der Breitwegerich

Es geschah zu einer Zeit, in der unsere heimische Fauna und Flora schön langsam die Gestalt anzunehmen begann, die wir auch heute noch in unseren Breiten vorfinden, als sich der Breitwegerich in einer schweren Identitätskrise befand.

„Mein feiner Herr Bruder, der Spitzwegerich, steht aufrecht und gerade in der Wiese, seine zarten Samen schmecken angenehm nussig, von Husten über Schlangenbisse und stark blutende Wunden soll er wahre Wunder wirken und sogar seine rote Wurzel, mit den 94 Würzelchen, soll sich heilsam aufs Blut auswirken. Ein echter Tausendsassa mein Brüderchen. Echt toll! Und was bleibt für mich? Ich hab‘s echt satt ständig im Schatten von diesem aufgeblasenen Heini zu stehen. Zudem trampeln auch noch die Menschen, klein und breit wie ich nun mal bin, ständig auf mir herum. Sie würdigen mich keines Blickes und zertreten mich, mir nichts dir nichts. Nur weil ich auf ihrem Weg stehe, ist das noch lange kein Grund mich so zu behandeln! Dazu kommt noch, dass der Herrgott anscheinend bei mir gänzlich auf heilsame Eigenschaften vergessen hat. Und da soll‘s einen nicht verdrießen!“

„He, du da! Ja dich mein ich – den kleinen Bi-Ba-Butzemann mit der Plattnase! Warum verziehst du dich nicht einfach!“, stänkerte ihn jetzt auch noch die Brennnessel an. „Alle anderen Pflanzen hab‘ ich schon längst überwuchert, nur du lästiger Zwerg stehst noch immer da!“ Da geschah etwas, was es bisher in der Pflanzenwelt noch nie gegeben hatte. Der Breitwegerich fing vor lauter Wut an zu kochen und ein eigenartiger Gestank entwich aus seiner Wurzelgegend.

„Das ist doch die Höhe!“ Mit puterrotem Gesicht fuhr plötzlich eine kleine Gestalt aus dem nebenan gelegenen Erdloch empor. „So eine Frechheit! Ist dir bewusst, was du da angerichtet hast? Da hab ich eben erst unter deinen Wurzeln mein Pflanzenlabor eingerichtet, Phiolen, Gläser und Gerätschaften an deinen Bi-Ba-Butze-Wurzeln angebracht und du machst all meine Forschungsarbeit mit Gestank und Wutausbrüchen zu Nichte. Kannst du mir vielleicht sagen, wie ich das alles wieder reparieren soll?“, schimpfte das Wesen vor sich hin. „Ach darum fühlten sich meine Wurzelfüße in letzter Zeit gar so schwer an! Wer bist du überhaupt?“, wollte der Breitwegerich wissen. „Ich bin Phiol, ein Erdgeist, und ich erforsche die Eigenschaften der Pflanzen. Da es bei dir sowieso nicht viel zu erforschen gibt, dachte ich, ich verwende wenigstens deine Wurzeln als Forschungsstation.“ Und damit fuhr er beleidigt wieder zurück in sein Erdloch hinunter.

„Potz Blitz und Donnerwetter!“, rief Phiol, als er ein paar Tage später wieder aufkreuzte. „Du bist mir ein Teufelskerl, Bi-Ba-Butzemann. Als du neulich vor lauter Wut gekocht hast, hast du offensichtlich eine chemische Reaktion verursacht die sich nicht nur auf deine Doppelhelix, sondern auch auf deine nicht vorhandene Heilkraft ausgewirkt hat. Hier pass mal auf…“, und damit zog Phiol eine lange Liste hervor von der er vorzulesen begann:

„Also, neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge, sind deine Wurzeln mit der lustigen „Punkfrisur“ ein toller Rachenputzer, außerdem straffst du das Bindegewebe, sprich den weiblichen Busen. Haben sich da vielleicht deine geheimen Fantasien offenbart, hi hi hi?! Aber um wieder auf deine Heilwirkung zurück zu kommen: deine Samen schmecken in geröstetem Zustand ganz hervorragend, dein Blätter wirken äußerst lindernd wenn sie von müden Wanderern, die ev. auch noch Blasen an den Füßen haben, in die Schuhe gelegt werden. Du wirkst kühlend und wundheilend. Tee aus deinen Blättern kann Husten lindern, außerdem wirken sie zerquetscht absolut spitzenmäßig bei Insektenstichen. Und weißt du, was ich am Größten finde?! Dein Streit mit der Brennnessel hat sich auch auf deine Heilkraft ausgewirkt. Du bist ab jetzt das beste Mittel, wenn sich ein Mensch brennnesselt. In so einem Fall heißt es einfach: Blatt zerquetschen und so lange auftragen, bis man bis 30 gezählt hat.“

Zum ersten Mal seit langer Zeit strahlte der Breitwegerich von einer Blattspitze zur anderen. Endlich hatte auch er seine Bestimmung gefunden. „Danke Phiol! Du hast mir gerade einen Fels von der Seele genommen. Willst du vielleicht weiterhin bei meinen Wurzeln unten arbeiten?“ Dieses Angebot nahm der Erdgeist mit Freuden an und so wurden die beiden beste Freunde. Nur mit der Brennnessel hatte der Breitwegerich noch ein Hühnchen zu rupfen, auch wenn sie eigentlich die Ursache für seine Wandlung war.

„He, du! Brennnessel! Na wie geht‘s dir beim Wuchern? Schon alle erfolgreich vertrieben? Freunde, Verwandte, wohlwollende Bekannte?“ „Du schon wieder! Bist du immer noch da, Bi-Ba-Butzemann?“ „Ja, immer noch – und das werde ich auch noch lange bleiben. Ich hab‘s nämlich nicht nötig andere zu vertreiben, denn ich vermehre mich auch so. Wart‘s nur ab, in kurzer Zeit werde ich auf der ganzen Welt heimisch sein, denn meine Samen bleiben an den Schuhsohlen der Menschen haften. Das hab ich übrigens auch dir und dem Wutausbruch neulich zu verdanken!“

Und so geschah es, dass wir den Breitwegerich bis zum heutigen Tag auch „Fußspuren des weißen Mannes“ bzw. „Fußstapfen der Bleichgesichter“ nennen und er rund um den Globus zu finden ist.

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