HIRTENTÄSCHEL. Märchen und Geschichten für Kinder, Kindsköpfe und Kindgebliebene - Teil 40

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Das Hirtentäschel ist eine recht unscheinbare Pflanze. In der Wiese verschwindet es gern zwischen all den anderen Gräsern und Kräutern - und doch besitzt es eine beachtliche Heilkraft: Hirtentäschel wirkt zusammenziehend, blutstillend und austrocknend. Es wird daher äußerlich gerne bei Blutungen eingesetzt. Letzte Woche habe ich meine erste eigene Hirtentäschel-Erfahrung gemacht.

Eine unserer Muttersauen, die eben erst Ferkel bekommen hatte, bekam immer wieder starke Blutungen. Nicht einmal der Tierarzt wusste Rat, denn die Verletzung dürfte innerlich gewesen sein. So konnten wir nur abwarten, ob das Tier aus eigener Kraft überlebte.

Nach einigem Grübeln holte ich mein Kräutermärchenbuch und begann zu stöbern, welche Kräuter da noch helfen könnten. "Hirtentäschel wirkt stark blutstillend", hatte ich mir da zusammengesucht. Also setzte ich mich auf mein Fahrrad und radelte den Ackerrain ab, wo ich vor kurzem Hirtentäschelkraut entdeckt hatte. Dann bereitete ich Tee aus Hirtentäschel und etwas Frauenmantel zu und mischte ihn samt den Kräutern unters Wasser im Futtertrog.

In den nächsten Tagen gab ich ihr weiter Hirtentäschelkraut zu fressen - und siehe da - die Blutung hörte wirklich auf und Sau und Ferkel überlebten unbeschadet.

Ob das Ganze reiner Zufall war, oder ich das Tier wirklich durch meine Behandlung gerettet habe, kann ich natürlich wieder einmal nicht mit Sicherheit sagen, aber in diesem Fall hatte ich zumindest nichts zu verlieren gehabt. Um diese besondere Heilwirkung geht es auch in meiner neuen Geschichte...

Die Geschichte vom Hirtentäschel

Es war einmal ein kleiner Hirte, der viel sensibler war als die anderen großen Hirten. Da es auch um seine Muskelkraft nicht zu gut bestellt war, bekam er immer nur die kärglichsten, steilsten und steinigsten Fleckchen Weide für sich und seine kleine Ziegenherde ab. Die anderen Hirten feixten und lachten ihn aus. Aber wie sollte je etwas Gescheites aus ihm werden, wenn er und seinen Tiere nur selten genug zu essen bekamen. Gott sei Dank war er ein beherzter Flötenspieler und konnte sich so ab und zu den einen oder anderen Kreuzer dazuverdienen, wenn es im Dorf etwas zu feiern gab.

Als er eines Nachts von einer Hochzeit auf der er aufgespielt hatte, nach Hause schlenderte, hörte er ein verzweifeltes Jammern vom Straßengraben herauf.

„Mütterchen, Mütterchen, was macht ihr zu so später Stunde im Graben dort unten?“, wollte der verdutzte kleine Hirte wissen, als er in den Graben hinter geklettert war. „Hilf mir doch, so hilf!“ weinte die Alte, die dort jämmerlich verdreht im Graben lag. „Ich bin gestürzt und kann nicht mehr aufstehen. Mein Bein blutet. Ich glaube, gebrochen ist es auch noch!“

Der kleine Hirte nahm all seine Kraft zusammen und hob die Alte aus dem Graben, um sie auf ein weiches Fleckchen Wiese zu betten. Flugs riss er das Kraut, das neben der Straße wuchs aus und presste es fest auf die blutende Wunde - und siehe da, es dauerte nicht lange, da hörte das Blut zu fließen auf und es bildete sich eine dunkelrote Kruste. „Jetzt mach ich dir noch eine Schiene und einen ordentlichen Verband. Und mach dir keine Sorgen, so behandle ich immer meine Ziegen, wenn sich eine verletzt!“ Die alte Frau nickte dankbar – zwar mit Schmerzverzerrtem Gesicht, aber trotzdem unendlich erleichtert. Als der kleine Hirte sein Werk vollendet hatte, klaubte er sein Täschchen aus dem Gras auf, entnahm im den eben verdienten Kreuzer und drehte das Geldstück nachdenklich zwischen den Fingern.

„Ich ruf dir jetzt noch den Bauern, der soll dich mit seinem Fuhrwerk nach Hause bringen!“ sagte er lächelnd und gab der Alten auch noch sein letztes Stücklein Käse, damit sie inzwischen etwas zu Kräften käme. „Der Herrgott vergelt's dir tausend Mal!“ flüsterte die Alte mit Tränen in den Augen, als sie der Bauer auf das Fuhrwerk gehievt hatte.

„Gern gescheh'n! Und werde bald wieder gesund!“ rief ihr der kleine Hirte zum Abschied zu, als er den Bauern mit seinem Kreuzer bezahlte.

Kaum war das Fuhrwerk außer Sichtweite, verließ den kleinen Hirten jedoch der Mut. Sein Magen war leer, der Kreuzer weg und auch das Stückchen Käse hatte er verschenkt. Er öffnete seine Tasche um nachzusehen, ob nicht doch noch ein Krümelchen übrig war. Aber was war das? Diese war plötzlich voller kleiner grüner Minitäschchen. „He, genau solche hingen an der kleinen Pflanze, die ich der Alten auf die Wunde gelegt habe! Vielleicht kann man die ja auch essen!“ Uns so kostete er. Und weil ihm die Samen in den kleinen Täschelchen schmeckten und er einen Bärenhunger hatte, aß er den Inhalt der Tasche ratzeputz leer. Mit den verzehrten Täschelchen beseelte ihn jedoch eine neue, ungeahnte Weisheit. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen, was diese Pflanze alles konnte.

Durch sein neues Wissen aber, wurde aus dem armen kleinen Hirten plötzlich ein angesehener Hirte, Heiler und Ratgeber, dessen Ziegen von nun an auf den saftigsten Flecken weideten und schon bald rund und gesund aussahen, mit wunderschön glänzendem Fell.

Wenn du wissen willst, wie die Geschichte von unserm kleinen Hirten weiter gegangen ist, dann geh hinaus und horch ganz genau hin! Denn wenn der Wind durch die Hirtentäschel streicht, kann man den kleinen Hirten tuscheln oder auf
seiner Flöte spielen hören.

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Foto: Cityfoto
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