"Tiroler Abend":
Nationalkonzert, Volkstumsarbeit & Touristenattraktion
Der soeben erschienene 25. Band der "Veröffentlichungen des Tiroler Landesarchivs" widmet sich dem Thema "Tiroler Abend"!
TIROL.Sandra Hupfauf hat sich unter dem Titel "Der Tiroler Abend. Nationalkonzert, Volkstumsarbeit, Touristenattraktion" dieses Themas in umfassender Weise angenommen.
Volkskulturelle Grenzregion
Der „Tiroler Abend“ ist heute eine volkskulturelle Grenzregion, in die man sich als Einheimische/r selten verirrt. Wenn doch, dann reagieren nicht wenige mit Emotionen wie Befremdung oder sogar „Fremdschämen“. Aber wie kann etwas befremden, das doch anscheinend in der eigenen regionalen Kultur verwurzelt ist?
Das Buch bietet eine Analyse eines Veranstaltungsformates, dessen Ursprünge bis in das frühe 19. Jahrhundert zurückreichen, dessen Doppelfunktion in politischer Repräsentation und touristischer Unterhaltung den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts gute Dienste erwies und das bereits in den 1950er Jahren zum Symbol des neuen Tirol zwischen Tourismusboom und Identitätssuche avancierte.
Frühe Anfänge
Die Anfänge reichen weit zurück. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts engagierten Innsbrucker Gastronomen die zunehmend auch "Nationalsänger" genannten Sängergruppen, wie etwa die Gebrüder Sebastian und Peter Meister, für Auftritte in ihren Lokalen. Die Einladungen wurden damals wie folgt verfasst: "Montag den 11. Juni im Bade Egerdach, zum Vergnügen aller Gesangsfreunde. Anfangs Abends 6 Uhr. Einem zahlreichen Besuche entgegensehend, macht sein ergebenste Einladung Sebastian Meister."
Diesen Aufführungen waren zumindest drei weitere Konzert in Innsbrucker Gasthäusern mit genauem Datum vorangegangen. Im Löwenhaus-Garten am 28.5.1855, im Schankgarten zur Traube am 31.5.1855 und im Schankgarten des Gasthauses Goldenes Kreuz am 3.6.1855.
Alpine Szenerie in Amerika
Für die Louisiana Purchase Exhibition (30.4.–1.12.1904) in St. Louis/USA wurde unter dem Titel „German Tyrolean Alps” eine alpine Szenerie mit Tiroler Dorf und Alpenpanorama inszeniert. Im erhaltenen Ausstellungskatalog werden Attraktionen, wie eine Straße mit „Tyrolean Village Houses, eine Rodelbahn, natürlich eine Statue des Andreas Hofer, eine amerikanische Bar im nachgebauten „Goldenen Dachl“ oder eine „Dining Hall“ mit Platz für 3.500 Menschen angepriesen. Die Nationalsängergruppe von Franz Rainer (aus dem Umfeld der Rainer-Nationalsänger Dynastie) trat auf einer als Felsenkulisse inszenierten Bühne auf.
Moosblüamerln
Tiroler Sängerfamilien waren seit Beginn der Tradition gemischte Ensembles. Im frühen 19. Jahrhundert erregten Frauen auf der Bühne noch erhebliches Aufsehen. In den 1880er und 1890er Jahren scheint der Beruf des/der NationalsängerIn floriert zu haben. In den Stellenanzeigen lokaler Zeitungen werden sowohl für lokale Fremdenkonzerte als auch für internationale Konzertreisen besonders Frauen gesucht. Später wurden auch einige rein weibliche Ensembles wurden gegründet, wie die „Moosblüamerln“, die wohl besonders durch eine weibliche Schuhplatteltänzerin auffielen.
Phänomen
Sandra Hupfauf beleuchtet den „Tiroler Abend“ vor allem als Fortsetzung und Abschluss des
Phänomens der reisenden Tiroler Sängerfamilien. Die Musikwissenschaftlerin ist gebürtige Tirolerin und volksmusikalisch sozialisiert. Sie beschäftigt sich nicht nur in ihren Forschungen mit Berufsmusikertum und Konzerttourneen, sondern auch praktisch, als Teil einer international agierenden Künstleragentur im Bereich Jazz/Creative Music.
Sandra Hupfauf: Der ‚Tiroler Abend‘. Nationalkonzert, Volkstumsarbeit, Touristenattraktion
(ISBN 978-3-901464-28-7) ist im Tiroler Landesarchiv (6020 Innsbruck, Michael-Gaismair-Str. 1); E-Mail: landesarchiv@tirol.gv.at bzw. Tel.: 0512 508 3503 oder 3502), € 15,- (bei Versand zzgl. Porto) erhältlich.
Weitere Berichte: www.meinbezirk.at/westliches-mittelgebirge
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