Tiroler Wirtshaussterben
Platter kämpft für das Tiroler Wirtshaus

Küche passt: Küchenchef Heinz Josef Westhoff und Elisabeth Nitsch vom Isserwirt mit LH Günther Platter 
 | Foto: ©Land Tirol/Berger
  • Küche passt: Küchenchef Heinz Josef Westhoff und Elisabeth Nitsch vom Isserwirt mit LH Günther Platter
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Vorschriften, Personalmangel und fehlendes Bewusstsein trifft die Dorfgasthäuser Tirols. Und fehlende Nachfolger.

TIROL. „Das Wirtshaus in Tirol ist ein fixer Bestandteil der Tiroler Identität. Und um die Gasthäuser in den Dörfern zu erhalten, werde ich mit der Landesregierung ein Paket für den Erhalt des Tiroler Gasthauses schnüren“, erklärte LH Günther Platter im Traditionsgasthaus „Isserwirt“ in Lans. Was sind die Themen?
Zuerst wird es eine Befragung von betroffene Wirten aus ganz Tirol geben, wo am meisten der Wirtsschuh drückt. „Denn die Betroffenen wissen um die Sorgen bestens Bescheid“, so Platter. „Natürlich ist vieles Bundesgesetzgebung oder EU-Vorschrift, aber in Sachen Raumordnung und auch bei der Tiroler Bauordnung haben wir mitzureden.“ So wird es ab September einen Arbeitsgruppe mit Dorfwirten geben, die auch bei der Durchforstung des Auflagendschungels mitarbeiten sollen.

Personalmangel

Seit Jahren ist der Mangel an Fachkräften in der Tiroler Gastronomie allgegenwärtig. Auch die Suche nach Lehrlingen gestaltet sich schwierig. „Daher wurde die Fachkräfteplattform ‚Talents for Tourism‘ beschlossen“, erklärt der Landeshauptmann. Ab 18 Jahren kann in 18 Monaten die Lehrabschlussprüfung absolviert werden. Es wird das übliche Gehalt bezahlt und finanziert wird die Initiative durch das Land die Wirtschaftskammer. Der Start erfolgt heuer im Herbst, auch für alle anderen Maßnahmen. Und: „Die Ausbildung in der Tiroler Gastronomie ist exzellent, daher ist es auch alles daran zu setzen, dass diese jungen Menschen auch im Beruf bleiben“, sagt Platter.

Förderung und Darlehen

Das Maßnahmenpaket beinhaltet auch Förderungen von Investitionen und Ablösesummen. Übernehmer können mit 15 Prozent als verlorenen Zuschuss rechnen. Jungunternehmer erhalten bis zu 150.000 Euro Darlehen zu 0,2 Prozent Zinsen. „Und wenn es das letzte Wirtshaus im Dorf ist, gibt es zusätzlich 10.000 Euro Landesprämie für die Übernahme und Aufrechterhaltung des Gasthauses“, erklärt Platter.
Auch die Standortagentur Tirol wird miteingebunden. Diese wird ein Übernehmerservice schaffen, das interessierte Gastronomen den Kontakt zu den Betrieben legen wird.

FPÖ: Wichtiger Schritt: 

„Das Gasthaussterben ist seit Jahren, wenn nicht schon seit Jahrzehnten ein massives Problem. Die von der Landesregierung präsentierte finanzielle Unterstützung, gerade bei der Übernahme eines Wirtshauses ist ein wichtiger Schritt“, lobt der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger, der anmerkt: „Dass das Programm zu spät erfolgt, denn viele Gastronomen haben schon zu gesperrt.“

WK Tirol: Vollste Rückendeckung

Vollste Rückendeckung für die Initiativen des Landes zur Unterstützung der Tiroler Wirtshäuser kommt aus der Tiroler Wirtschaftskammer. Alois Rainer, Obmann der Tiroler Gastronomie: „Solche klaren Bekenntnisse sind Motivation und Balsam für unsere Wirtinnen und Wirte. Ich weiß, dass unser Landeshauptmann Günther Platter kein ,Ankündiger', sondern auch ein Umsetzer ist, und deshalb stimmt mich diese Initiative, die wir natürlich besonders begrüßen und auch unterstützen, zuversichtlich und erfreut mich sehr.“ Für derartige Initiativen sei es nie zu spät, sagt Rainer.

Wirtschaftsbund: Reparaturprogramm

Tirols Wirtschaftsbundobmann Franz Hörl bezeichnet die von Landeshauptmann Günther Platter präsentierte Initiative zur Förderung der Tiroler Wirtshauskultur als dringend notwendige und begrüßenswerte Maßnahme. „Dabei muss aber auch gesagt werden, dass diese in gewisser Weise ein Reparaturprogramm ist“, so Hörl.

So habe man seitens des Wirtschaftsbundes schon lange vor dem drohenden Aussterben der Dorfgasthäuser gewarnt. Und: Neben dem Rauchverbot kommt in Tirol, so Hörl, noch die „überschwängliche Detailverliebtheit“ der Behörden als erschwerender Faktor hinzu. „Was die Gewerbeordnung oder den Brandschutz betrifft, ist man bei uns päpstlicher als der Papst. Damit werden den Unternehmen in Tirol deutlich größere Steine in den Weg gelegt als beispielsweise in Wien“, so der Wirtschaftsbundobmann.
„Jetzt braucht es ein rasches Gegensteuern – dazu kann die Initiative von Landeshauptmann Günther Platter einen wichtigen Beitrag leisten“, resümiert Hörl.

Fakten aus den Bezirken

Gab es in Tirol im Jahr 2012 noch 321 Wirtshäuser, so waren es 2015 noch 310 und 2018 noch 299.
• Im Bezirk Reutte fällt auf, dass viele Gasthäuser ihr „Á la carte“-Angebot aufgrund des Fachkräftemangels einstellen, wie beispielsweise im Gasthof Lamm in Weißenbach.
• Auch in Kitzbühel werden es weniger: Bekannte Beispiele aus jüngster Vergangenheit sind die Schließung des Gasthofes Lindner in Oberndorf (Problem der Nachfolge), die Alpenrose in Erpfendorf, die Alpenrose in Brixen im Thale, das Gasthaus Egger in Jochberg oder der Jägerwirt in Kitzbühel.
• Im Bezirk Ibk-Land schloss der GH St. Peter in Ellbögen, in Fulpmes schloss kürzlich der GH Hofer, auch in Pfaffenhofen gibt es kein Wirtshaus mehr.
• Im Bezirk Imst hat der Gasthof Stamserhof und in Längenfeld das Hotel Edelweiss geschlossen. Der Gasthof Aschlandhof wurde in einen Pensionsbetrieb umfunktioniert.
• Einige positive Beispiele aus dem Bezirk Schwaz: In Gallzein konnte ein Dorfwirtshaus durch Förderungen aus dem Regionalmanagement wieder eröffnet werden und in Steinberg am Rofan wird ein Wirtshaus betrieben, das in Verbindung mit einem Veranstaltungszentrum errichtet wurde.
• Prekär ist die Lage in Innsbruck: Der „Riese Haymon“ hat am 10. August wegen fehlender Betriebsnachfolgers geschlossen. Das Gasthaus „Lewisch“ in Saggen wird im Dezember 2019, ebenfalls nachfolgebedingt, geschlossen.
• Im Bezirk Kufstein wurde heuer in Niederndorf das als Musik-Gasthaus bekannte Tiroler Wirtshaus Sebi abgerissen.
• In Osttirol gibt es in Untertilliach und in St. Johann im Walde kein Gasthaus mehr.
• Im Bezirk Landeck gibt es in allen Orten Wirtshäuser, nur in Fließ wird gerade eines zur Verpachtung ausgeschrieben.

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