Bezirk Tulln
Unsere Medikamente sind derzeit knapp, aber keine Panik
Zuerst Klopapier, jetzt Medikamente. Viele Wirkstoffe haben lange Lieferzeiten, das trifft auch unsere Tabletten.
BEZIRK. "Momentan sind rund 600 Präparate nicht lieferbar", informiert Heinz Haberfeld, Präsident der NÖ Apothekenkammer im Gespräch mit den BezirksBlättern. Hauptsächlich betroffen seien vorwiegend Antibiotika, vorallem Penicillin.
"Ich selber hatte bereits die Situation, dass im Nachtdienst ein Kind Antibiotika gebraucht hat, welches nicht lieferbar war. Da hält man mit einem Kinderarzt Rücksprache und sucht ein passendes Antibiotikum",
erzählt er. Zu Lieferengpässen komme es immer wieder bei fiebersenkenden Mitteln, Schmerztabletten und -säften und Lutschtabletten.
"Hier kann man aber auf Präparate von anderen Firmen zurückgreifen",
so Haberfeld weiter.
So kommt's dazu
Lieferprobleme und Lieferengpässe gäbe es seit mehreren Jahren, diese haben sich aber in den letzten Wochen verstärkt. Das sei auf die aktuell hohe Nachfrage bei Antibiotika, Schmerz- und fiebersenkenden Mitteln zurückzuführen.
"Momentan haben wir drei bis vier Infektionskrankheiten nebeneinander – Corona, RS-Virus, Influenza, Erkältungen. Das haben wir in dieser Intensität noch nie gehabt",
berichtet der Apotheker. Eine österreichweite Krisenbevorratung gibt es leider nicht. Wäre dem so, gäbe es solche Probleme nicht.
"Man bemüht sich aber, um eine homogen flächendeckende Verteilung der Vorräte."
Dennoch: Apotheken sollten Lieferengpässe einzelner Medikamente bis zu einem Monat überbrücken können. Einen zweiten Grund für das Problem nennt der Niederösterreicher:
"Die Abhängigkeit von Indien und China. Österreich ist ein Arzneibilligland. Man konnte in Österreich nicht mehr kostendeckend produzieren und hat die Produktion nach Indien und China verlegt."
Durch Lockdowns und Infektionszahlen kommen viele Arbeiter nicht in die Fabriken, "Container warten in den Häfen Chinas auf die Umladung." Unter anderem liegt es auch an den mangelnden Wirkstoffen für die Produktion.
Ein Engpass besteht
"Ein Mangel ist da. Erste Engpässe gab es bereits im Dezember. Bei den Lieferterminen bekommen wir teilweise Ende Jänner zugesichert. Oftmals wird kurzfristig verschoben", verrät Martina Ossmann von der Florian Apotheke in Tulln. Die Termine werden teilweise auf Ende des ersten Quartals verschoben oder aber es kann noch kein Termin genannt werden. Betroffen sind vor allem Kinderhustensäfte, auch für Erwachsene Schmerzmittel und Antibiotika.
"Die Patienten sind daran gebunden, was die Ärzte verordnen. Manche schreiben sogar schon mehrere Arzneien auf. Wir halten oft Rücksprache mit den Ärzten, damit sie im vorhinein wissen, wie es um die Lagerstände bestellt ist. Sollten wir das Verschriebene nicht auf Lager haben, suchen wir gemeinsam nach einer Alternative. Wir stehen hier beratend zur Seite",
so Ossmann.
So geht es uns damit
"Unsere Ärztinnen sind zwar sehr um unsere Gesundheit bemüht, aber bei der Rezeptabholung in der heimischen Apotheke müssen wir dann enttäuscht erfahren, dass es die Medikamente derzeit nicht gibt und wir doch zur nächsten fahren sollen. Meine Frau und ich, beide stark verkühlt, fahren also ‚umweltfreundlich’ mit dem Auto zur nächsten Apotheke, aber dort sagt man uns das Gleiche. Derzeit sind sogar ganz einfache Medikamente wie Aspirin oder Mucosolvan Hustensäfte 'ausverkauft'", meldet sich unser Leser Heinz Vielgrader aus Öpping zu Wort, dem die Situation bekannt ist. Zu beachten gilt:
"Einen Monatsvorrat lebensnotwendiger Medikamente und solche, die regelmäßig eingenommen werden müssen, sollten Betroffene zu Hause haben, um einen Engpass überbrücken zu können".
Von Hamsterkäufen rät Heinz Haberfeld dringend ab, denn "das würde die Situation negativ verschärfen". "Nicht notwendige Horterei ist nicht fair gegenüber anderer, die die Medizin spontan benötigen", fügt Ossmann hinzu.
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