Leserbrief
"Empathie-Defizit"
Leserbrief zum Thema: Kein Kinderbetreuungsgeld für Krisenpflegefamilien
Da ich selber zehn Jahre lang Krisenpflegemutter war, kenne ich diese Arbeit in besonderer Weise. Wenn wir jemandem von unserer Arbeit erzählen, hören wir in 90 Prozent der Fälle: "Wahnsinn, ich könnte so was nicht machen!" Stimmt, aber zum Glück gibt es Familien, die das können – auch wenn es immer noch zu wenige sind und dieser „24 Stunden am Tag/sieben Tage die Woche"-Beruf unendlich viele Herausforderungen mit sich bringt.
Die Bundesregierung will an diese Familien kein Kinderbetreuungsgeld mehr auszahlen, wenn Kinder kürzer als drei Monate bei ihnen sind. Zu sagen, somit wären alle „gleich und fair behandelt“, wie es ÖVP-Familiensprecher Norbert Sieber in einer Aussendung erklärt hat, erzürnt mich maßlos. Es stimmt, dass Krisenpflegeeltern von den Ländern „finanziell entschädigt“ werden.
Was glauben Sie, was das den Ländern wert ist? Mit wie viel Geld kann unsere Gesellschaft diesem Dienst gerecht werden? Es sind ein paar Hundert Euro an unregelmäßig bezahlter Entschädigung, was überdies bedeutet, dass diese Frauen damit keine geregelte Pensionsabsicherung erwerben können.
Ich kenne keine Krisenpflegefamilie in Oberösterreich, die sich aus finanziellen Gründen für diese Tätigkeit entschieden hat. Wir alle haben es trotzdem getan. Wenn nun das Kinderbetreuungsgeld für diese Familien de facto ersatzlos gestrichen und somit vom Staat eingespart wird, kann ich mir gut vorstellen, dass etliche diese Arbeit beenden werden müssen.
Und wirklich darunter leiden werden Kinder von null bis sechs Jahren, die mit Sicherheit selber gar nichts für ihre Lebenssituation können, die oft schon mehr als genug mitgemacht und offenbar keine starke Lobby haben. Dem „Empathie-Defizit“-Attest von Caritas-Präsident Michael Landau an die Bundesregierung kann ich mich wirklich nur anschließen.
Claudia Hössinger,
Vöcklabruck
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