Mauro Mittendrin
Ein Gespräch mit Giovanni Pugliese, Botschafter von Italien in Wien
Giovanni Pugliese ist der Botschafter Italiens in Wien. Vor Kurzem hat er sich mit dem bekannten italienischen Netzwerker Mauro Maloberti (Mauro Mittendrin) getroffen und mit ihm über die Beziehungen zwischen Italien und Österreich, das Thema Energie und eine Klage gesprochen.
Mauro Mittendrin: Herr Pugliese, seit einigen Wochen sind Sie der neue Botschafter Italiens in Wien. Zuvor waren Sie in Algerien. Wie ist dieser Wechsel für Sie?
Giovanni Pugliese: Es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen diesen beiden Ländern. Ich hatte eine sehr spannende Zeit in Algerien – ein Land, das sehr wichtig für uns ist, wenn man etwa an Energie oder an Gas denkt. Meine Zeit dort war eine positive Erfahrung. Österreich ist jetzt noch spannender. Ich fühle mich hier schon heimisch, auch weil ich Deutsch spreche. Das hilft natürlich sehr. Ich kann ohne Probleme Zeitungen lesen, Radio hören und fernsehen. So etwas ist eine ganz andere Erfahrung. Österreich ist ein wichtiges Land für Italien und umgekehrt. Es ist also eine strategische Beziehung, die die beiden Länder verbindet.
Was sind Ihre Gedanken zu dieser Beziehung?
Meine Gedanken sind, dass wir eine sehr lange gemeinsame Geschichte haben. Es gibt viel Italienisches in Österreich, insbesondere in Wien. Aber auf der anderen Seite gibt es auch viel Österreichisches in Italien. Wir haben eine gemeinsame Geschichte. Es stimmt: Es gab Rivalitäten, Freundschaft, aber auch Kriege. Aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben sich unsere Wege wieder vereint. Wir sind gemeinsam der UNO beigetreten. Seit 1995 ist Österreich auch Mitglied der Europäischen Gemeinschaft. Das hat uns noch näher gebracht. Seither haben wir gemeinsame Projekte. Mittlerweile haben wir eine Beziehung, die noch nie zuvor auf so einem hohen Niveau war – und ich glaube, dass sie sogar noch intensiviert werden kann.
Gerade auch im Handelsbereich ...
Ja, unsere Handelsbeziehungen sind ebenfalls hervorragend. Da ist ein Gleichgewicht und der Handel läuft in vielen Bereichen sehr gut, zuletzt auch in der Verteidigungsindustrie. Österreich hat ein neues Programm, um seine Verteidigungskräfte zu stärken, und dabei kann Italien eine wichtige Rolle spielen. Die Handelsbeziehungen sind sehr gut, auch im Tourismus. Wir hatten im vergangenen Jahr viele österreichische Touristen. Ich glaube, die Österreicher haben in Italien vier Milliarden Euro ausgegeben. Wir wissen: Da ist eine Liebe zu Italien. Ich war auch beeindruckt, zu sehen, wie viele italienische Touristen nach Wien und generell nach Österreich kommen.
Was denken Sie, wie sich diese Beziehung in Zukunft entwickeln wird, auch in Hinblick auf die Olympischen Winterspiele in Mailand und Cortina d’Ampezzo?
Ich glaube, es gibt bereits eine lange Tradition von Österreichern, die nach Italien kommen. Es gibt schließlich auch einige Orte, die früher einmal zu Österreich gehört haben. Ich bin der Meinung, dass sich neue Möglichkeiten für einen Austausch ergeben werden. 2026 werden wir die Olympischen Winterspiele austragen. Auch das wird dabei sehr wichtig sein. Wir haben auch die Alpen gemeinsam. Das ist etwas, das uns näherbringt. Die Winterspiele sind wichtig für Italien und auch für Österreich.
Welchen Einfluss können Sie als Botschafter in Wien auf die Beziehungen nehmen?
So etwas ist für einen Botschafter eine große Herausforderung. Die Beziehungen sind derzeit hervorragend. Wir arbeiten auf europäischer Ebene sehr gut zusammen. Es gibt große Themen wie Migration, wo wir uns gut verstehen und gemeinsame Positionen in Brüssel vertreten. Auch hinsichtlich der Erweiterung der Europäischen Union haben wir ein gemeinsames Interesse. Energie ist zudem ein sehr wichtiges Thema, bei dem wir gut zusammenarbeiten. Österreichs Lage in Europa ist strategisch bedeutend, was den Transport von Energie, Gas und Öl anbelangt. Mit der Krise in der Ukraine ist das noch wichtiger geworden. Vergangenes Jahr hat Italien zum ersten Mal Gas nach Österreich exportiert. Ich war früher Botschafter in Algerien und Algerien sowie Tunesien sind zwei wichtige Länder für die künftige Energieversorgung, vor allem, wenn ich an die neuen Energiequellen wie Wasserstoff oder Sonnenenergie denke. Zwischen Italien, Deutschland und Österreich gibt es einige gemeinsame Projekte. Eines davon ist besonders interessant: Dabei geht es darum, Wasserstoff in Algerien und Tunesien zu produzieren und diesen dann über Pipelines nach Italien, Österreich und Nordeuropa weiterzutransportieren.
Immer ein Thema zwischen Österreich und Italien ist auch Südtirol ...
Ich glaube, dass dieses Thema jetzt wirklich kein Problem mehr darstellt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat gesagt, dass Südtirol ein wunderbares Beispiel für funktionierende Autonomie und generell für das Zusammenleben mehrerer Sprachgruppen ist. Ich glaube, dass das überhaupt kein Problem mehr ist. Vor allem müssen wir auch bedenken, dass wir zu Europa gehören. Wir sind eine Gemeinschaft, in der es keine Grenzen mehr gibt.
Der Transit durch Tirol ist allerdings weiterhin ein Thema.
Der Brenner bleibt für uns noch ein Problem. Österreich ist ein sehr wichtiger Handelspartner für Italien, aber der zentrale Handelspartner Italiens ist Deutschland. Diese 80 Kilometer durch Tirol sind eine sehr wichtige Verbindung zwischen Italien und Deutschland. Die in diesem Korridor geltenden Lkw-Verkehrseinschränkungen schaden unserem Handel. Wir sind diesbezüglich noch immer offen für einen Dialog. Wir haben lange verhandelt, aber Italien will Klarheit haben. Italien hat die Europäische Kommission um die Einleitung eines Verfahrens gebeten, die uns bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen könnte. Das ist nicht als aggressives Verhalten gegen Österreich zu bewerten. Wir wollen nur, dass bei den Italienern und den Österreichern Klarheit über die europäische Gesetzeslage herrscht.
Welche Veranstaltungen stehen demnächst in der italienischen Botschaft an?
Wir wollen eine engere Zusammenarbeit etablieren, auch mit unseren Ständigen Vertretungen bei der UNO und der OSZE. Außerdem möchten wir mit der Italienischen Agentur für Außenhandel (ICE) und der Italienischen Zentrale für Tourismus (ENIT) gemeinsame Veranstaltungen organisieren. Damit haben wir schon begonnen, etwa zum Thema Cybersecurity. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit setzen wir auch Schwerpunkte: Die Woche der italienischen Küche, die Woche der Literatur und vieles mehr. Es wird also viele Gelegenheiten geben, um gemeinsame Sache zu machen, und ich weiß, dass sich das österreichische Publikum immer freut, bei diesen Veranstaltungen dabei zu sein.
Der Ausgleich zum beruflichen Leben ist wichtig. Wie schaut dieser bei Ihnen aus? Kochen Sie gerne oder machen Sie gerne Sport?
Ich koche ein bisschen – nicht so oft, aber ich liebe es, für Freunde zu kochen. Ich bin sehr sportlich und ein leidenschaftlicher Skifahrer. Schon früher war ich zum Skifahren in Österreich, und das möchte ich auch weiterhin machen. Ich habe mir sogar neue Ski gekauft. Darüber hinaus liebe ich das Tauchen, Schwimmen und Laufen. Ich habe auch gute österreichische Freunde, die ich in Algerien kennengelernt habe und mit denen ich in der Umgebung von Wien laufen gehe.
Welchen Stellenwert hat Humor für Sie?
Ich habe Humor und ich glaube, man sollte nie seine Begeisterung dafür verlieren, wie auch generell nicht für die Dinge im Leben, die einem wichtig sind. Ich habe bis dato viele interessante Funktionen bekleidet. Jetzt bin ich in Wien. Ich bin fest entschlossen, diese Erfahrung zum Höhenpunkt meines beruflichen Werdegangs zu machen.
Italienische Botschaft in Wien
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