Novemberpogrome
Lichtinstallation zeigt die einst größte Synagoge Wiens
In der Tempelgasse wird 85 Jahre nach den Novemberpogromen an diese erinnert. Unter dem Motto "We Rememeber" zeigt die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien, wie die einst größte Synagoge der Stadt ausgesehen hat.
WIEN/LEOPOLDSTADT. In der Tempelgasse 5 befand sich einst ein Zentrum des religiösen, kulturellen und spirituellen Lebens vieler Wiener Jüdinnen und Juden. Doch wurde die einst größte Synagoge Wiens, der Leopoldstädter Tempel, in der Nacht von 9. auf 10. November 1938 in Brand gesteckt und komplett zerstört. Zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, welche im ganzen Land verheerende Spuren hinterlassen hat, setzt die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien ein Zeichen. Wo sich einst der Leopoldstädter Tempel befand, zeigt eine Lichtinstallation, wie dieser damals aussah.
"Dank der Projektion bekommen wir heute einen Eindruck, wie prächtig dieser Tempel war und welche unwiederbringlichen Verluste die Stadt auch an dieser Stelle erlitten hat", sagt Oskar Deutsch, Präsident der IKG Wien in der Tempelgasse. Immer wieder sei man um den Jahrestag der Pogromnacht schon bei Gedenkveranstaltungen gestanden und habe gesagt und gehört: "Nie wieder". "Und heute stehen wir hier. Nie wieder ist jetzt, nie wieder ist heute", so Deutsch.
Die Installation ist Teil der Kampagne "WeRemeber" des World Jewish Congress (WJC). In Zusammenarbeit mit der Israelitischen Religionsgemeinschaft und unter Schirmherrschaft von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), will man den Leopoldstädter Tempel wieder auferstehen lassen. Die Installation in der Tempelgasse 5 ist bis inklusive 9. November zu sehen.
"Verpflichtung, das jüdische Leben zu schützen"
"Mit Initiativen wie der digitalen Rekonstruktionen von Synagogen ehren wir nicht nur die Erinnerung an das, was verloren wurde, sondern bekräftigen auch unsere Entschlossenheit, der Flut des Hasses und Bigotterie etwas entgegenzusetzen", sagt Ronald S. Lauder, Präsident des WJC. So wolle man dafür sorgen, dass der Satz "Nie wieder" über bloße Worte hinausgeht und zu einer unerschütterlichen Verpflichtung wird, das Leben und die Würde der Jüdinnen und Juden überall und immer zu schützen.
"Während wir den Novemberpogromen gedenken, kann ich nicht umhin, auch über das barbarische terroristische Massaker der Hamas vor vier Wochen in Israel zu sprechen", sagt der designierte israelische Botschafter in Österreich, David Roet. Die Auswirkungen seien auf der ganzen Welt zu spüren. "Viele Jüdinnen und Juden haben Angst in Wien, in Österreich, in Europa und weltweit", erzählt der Präsident der IKG Wien. Das sei keine Paranoia, wie er beteuert.
Solidarität als Lichtblick
Noch vor nicht allzu langer Zeit war es unvorstellbar, dass in Wien im Jahr 2023 ein Friedhofsgebäude in Brand gesteckt und mit Hakenkreuzen beschmiert wird, wie es nun in Simmering am jüdischen Friedhof tatsächlich passiert ist. "Jüdisches Leben wird bedroht. Allein in Österreich hatten wir in den ersten drei Wochen nach dem 7. Oktober 2023, dem größten judenfeindlichen Programm seit 1945 mindestens 156 antisemitische Vorfälle, das ist eine Steigerung um rund 400 Prozent", erläutert der Präsident der IKG Wien und ergänzt: "Jüdinnen und Juden und müssen erhöhte Wachsamkeit an den Tag legen."
Noch seien es Einzelfälle. "Aber wie lange noch?", fragt Deutsch. Es werde die antisemitische Saat gesät, die schon einmal –vor 85 Jahren – in der Pogromnacht mündete. "Doch die Hoffnung lebt", unterstreicht der Präsident der IKG Wien: "Wir feiern das Leben. Nicht den Tod."
Es gebe auch Lichtblicke, wie die vielen Solidaritätsbekundungen aus ganz Österreich, die die IKG und ihre Gemeindemitglieder erreichen. "Die 20.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vergangenen Lichtermeers war eines dieser Lichter der Hoffnung", so Deutsch. Ein Zeichen setzt man in Wien auch am Donnerstag, 9. November 2023. Die IKG Wien lädt zum "Light of Hope"-Gedenkmarsch:
"Wir dürfen nicht zulassen, dass Jüdinnen und Juden in Wien wieder Angst haben", betont Nationalratspräsident Sobotka. Installationen wie jene in der Tempelgasse mahnen, was vor 85 Jahren passiert ist. Dabei gelte es nicht nur sich zu erinnern, sondern auch etwas zu tun: "Es muss unsere Aufgabe sein, eine internationale Allianz zu formen und gegen den Terror vorzugehen", meint Sobotka eindringlich.
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