Alarmierend
Suspendierungen im vergangenen Schuljahr in Wien verdoppelt
Ein erschreckendes Bild zeichnet sich an den Wiener Schulen ab. So soll sich die Zahl der Suspendierungen – das passiert etwa, wenn Schüler wiederholt durch Gewalt auffallen – im Schuljahr 22/23 mehr als verdoppelt haben – die meisten davon in Mittelschulen.
WIEN. Sie werden als "Systemsprenger" bezeichnet. Das sind jene Mitschülerinnen und Mitschüler, die im Schulalltag derart negativ auffallen, dass sie zeitweise vom Unterricht ausgeschlossen werden. Das passiert etwa jenen, die wiederholt durch Gewalt, sei es physischer oder verbaler Natur, für den Unterricht nicht mehr tragfähig sind. Das folgende "Strafmaß" kann bis zu vier Wochen Schulausschluss betragen.
Wie aus der jüngsten Anfragebeantwortung von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hervorgeht, ist die Zahl der Schulsuspendierungen in alarmierendem Maße gestiegen. In Wien gab es im Schuljahr 2022/23 etwa 814 Suspendierungen, die meisten davon in Mittelschulen. Im Schuljahr 2018/19 wurden in Wien 303 Suspendierungen durchgeführt – die Zahl hat sich seitdem also mehr als verdoppelt.
Auch vermehrt Volksschüler suspendiert
Das betrifft neben der Mittelschule aber auch alle anderen Schulstufen: So wurden 2018/19 in Wien 58 Volksschüler und Volksschülerinnen suspendiert, im vergangenen Schuljahr waren es 116. Dabei kann die Maßnahme auch einen Schüler oder eine Schülerin mehrfach betreffen, in Wien gab es zuletzt etwa 814 Suspendierungen bei 664 (meist männlichen) Kindern und Jugendlichen.
Dabei ist die Suspendierung eine Sofortmaßnahme, um Gefahr von den Mitschülern oder Lehrern abzuwenden, wie der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) betont. "Meistens ist aber davor schon einiges vorgefallen", so Kimberger. Die Suspendierung sei allerdings keineswegs als Maßnahme geeignet, um Gewaltphänomenen entgegenzuwirken. Damit wolle man nur das Umfeld schützen.
Betroffene Schüler brauchen professionelle Unterstützung
Für die auffälligen Schülerinnen und Schüler selbst brauchte es professionelles Unterstützungspersonal wie etwa Psychologinnen oder Sozialarbeiter, das sie in und außerhalb der Schule unterstütze. "Da stecken ja immer Schicksale dahinter", betont Kimberger, der sich in diesem Zusammenhang auch weiter auf Time-out-Klassen einsetze. Dort sollten Schüler, die im normalen Klassenverband nicht mehr führbar sind, in einem separaten Bereich entsprechende Unterstützungsangebote bekommen.
Vom Bildungsministerium habe es zwar mehr Mittel für Supportpersonal gegeben, aber das reiche anscheinend nicht. Schulen seien mitunter mit immer extremeren Formen von Gewalt konfrontiert, sagt er mit Verweis etwa auf einen aktuellen Fall in Wien, wo ein Mädchen am Schulklo eine Mitschülerin mit einem Stanleymesser schwer verletzt hat. Gewalt sei in der Schule immer noch ein Minderheitenphänomen, aber ein wachsendes.
Eltern verstärkt in die Pflicht nehmen
"Auseinandersetzungen in der Schule gab es früher auch, aber jetzt gibt es keine Grenzen mehr", so Kimberger. Durch die intensive Nutzung sozialer Netzwerke könnten manche offensichtlich nicht mehr zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden.
Experten wie Jürgen Bell, Leiter der Schulpsychologie in der Wiener Bildungsdirektion, betonen dabei, dass die Zunahme der Suspendierungen nicht gleichzusetzen sei mit einer Zunahme der Gewalt an den Schulen. Die Sensibilität für das Thema habe zugenommen, die Schulen würden Gewalt schneller ahnden. Zusätzlich würden die Auswirkungen der Krisen der vergangenen Jahre und der Gegenwart sich auch in den Schulen niederschlagen.
Für Lehrervertreter Kimberger ist jedenfalls klar, dass die Schulen das Thema Gewalt alleine nicht lösen könnten. Die Probleme würden in Öffentlichkeit und Politik kleingeredet, kritisiert er. "Es ist an der Zeit, nicht nur die Symptome, sondern die Ursachen zu behandeln." So sollen Eltern stärker als bisher in die Pflicht genommen werden.
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