23. Mai 2016: Dieser Wahlabend hat der Demokratie gut getan
Seien wir ehrlich. Der gestrige Wahlabend war doch eigentlich ein großartiges Spektakel. Er war genau so, wie so ein Abend sein sollte. Er war spannend, mit unerwarteten Wendungen, bis zuletzt blieb alles offen. Politik, packender als ein entscheidendes Fußballspiel oder ein Hauptabendfilm? Das hat man schon lange nicht mehr gesehen.
Die Bundespräsidentenwahl hat damit gezeigt, was Demokratie eigentlich alles leisten kann.
Sie hat all jenen, die der Meinung sind, dass die einzelne Stimme ohnehin nichts wert ist, vor Augen geführt, dass das Gegenteil der Fall ist. Noch nie kam es bei einer Wahl so sehr auf jeden einzelnen Stimmzettel an. Wahrscheinlich werden es wenige tausend Stimmen sein, die die Kandidaten am Ende voneinander trennen. Das ist gut. Weil es uns spüren lässt, dass wir (mit-)entscheiden.
Die Wahl hat aber auch dazu geführt, dass sich so viele Menschen wie schon lange nicht mehr politisch äußern, beteiligen und engagieren. Egal ob auf der Straße, online in den sozialen Netzwerken oder einfach privat im Familien- und Freundeskreis - und für welche Seite auch immer. Das hat sich nicht zuletzt in einer hohen Wahlbeteiligung niedergeschlagen. Auch das ist gut.
Seit Jahren klagen Medien, Politiker und Wissenschafter über die Politikverdrossenheit der Menschen, über Gleichgültigkeit und mangelndes Interesse. Wir sollten uns freuen, dass sich dieser Trend nicht fortgesetzt hat.
Dass ein so knappes Ergebnis auch zu Spannungen führen und polarisieren kann, ist richtig. Mit diesem Phänomen sorgsam umzugehen, wird nun auch tatsächlich wichtig sein. Wenn sich am Wahlabend aber Medienvertreter vor die Kamera stellen und eine Spaltung des Landes beklagen, ist das scheinheilig. Nicht zuletzt die Medien sind es, die den politischen Parteien stets Beliebigkeit in ihren Positionen vorwerfen, die faule Kompromisse und Austauschbarkeit kritisieren. Dass die politischen Lager durch diese Wahl vielleicht wieder mehr an Konturen erlangen, kann auch eine Chance sein. Diese sollte man nun nutzen.
Die Wähler sind also schon jetzt die Sieger des gestrigen Abends. Zwei Verlierer stehen auch schon fest: Die Vertreter von SPÖ und ÖVP in der Bundesregierung haben gestern so getan, als ginge sie die Wahl gleich gar nichts an. Bloß, weil keiner ihrer Kandidaten vertreten war. Das ist eine Geringschätzung des höchsten Amtes im Staat, die man so nicht stehen lassen sollte.
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