Behörde in Kritik
70 Tage müssen Antragsteller bei der MA 35 warten
Einige Antragsteller müssen bis zu sechs Jahre auf ihre Staatsbürgerschaft warten. Die Liste der Vorwürfe an MA 35-Mitarbeiter ist lang, die Behörde kommentierte diese auf BezirksZeitung-Anfrage. Die Wiener Volkspartei spricht von "Organisationsversagen".
WIEN. Die BezirksZeitung hat mit mehreren Betroffenen gesprochen, die sehr lange auf eine Antwort der Wiener Einwanderungsbehörde MA 35 warten. Sie bezeichnen sich als "Opfer der Behörde" und möchten sogar das Land verlassen (siehe unten). Die Magistratsabteilung entschuldigte sich öffentlich für die langen Wartezeiten und gab auf BezirksZeitung-Anfrage bekannt, wie lange Bürgerinnen und Bürger auf Antworten warten mussten.
Demnach betrug 2021 die durchschnittliche Verfahrensdauer im Bereich der Einwanderung rund 70 Tage. Im EWR-Bereich (Europäischer Wirtschaftsraum, Anm.) werden laut der Behörde rund die Hälfte der Anträge bereits am selben Tag erledigt. Die Verfahrensdauer bei der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, inklusive Zurückweisungen, Abweisungen, Zusicherung und Verleihung lässt sich jedoch "aus technischen Gründen nicht gesondert auswerten".
Eine Sprecherin sagte, dass sich im Bereich der Einwanderung, im aktuellen Jahresvergleich, die durchschnittliche Verfahrensdauer um "mehr als 15 Prozent" reduziert hat. Und: 2021 soll die Behörde etwa dreimal so viele Staatsbürgerschaften verliehen haben, als in den Jahren zuvor.
1.200 Beschwerden
Bei der Volksanwaltschaft wurden im Vorjahr 1.208 Beschwerden nur gegen die MA 35 angelangt. Das wären zwei Drittel aller Missstandsfeststellungen österreichweit. Rund die Hälfte kann als "berechtigt" eingestuft werden. "Wir gehen selbstverständlich jeder Beschwerde nach, denn jede einzelne Beschwerde ist eine zu viel und dafür entschuldigen wir uns". Heuer wurden bis Mitte Mai 359 Beschwerden eingereicht.
Die Wiener Volkspartei hat im Mai eine Anfrage an das Büro des zuständigen Stadtrats Christoph Wiederkehr (Neos) zum Thema MA 35 eingereicht. Die Beantwortung liegt der BezirksZeitung vor. Demnach wurden 2021 rund 20 Vorfälle bei der MA 35 gemeldet. Es ging um Drohungen, Beschimpfungen und aggressives Verhalten. Weiters wurden elf Beschwerden über den Umgang mit Kundinnen und Kunden eingelangt.
"In den letzten Jahren ist die Zahl der Anträge weniger geworden, es gab mehr Personal und trotzdem gibt es überall längere Bearbeitungsdauer. Das ist klares Indiz für Organisationsversagen", meint VP Wien-Verfassungssprecher Patrick Gasselich. "Es ist einfach unfassbar, dass momentan rund zwei Drittel aller Missstandsfeststellungen auf eine einzige Behörde entfallen. Es handelt sich um ein jahrelanges Organisationsversagen durch die Wiener SPÖ", so Gasselich.
Reformprozess läuft "auf Hochtouren"
Gasselich forderte deshalb die Stadt auf, die Wiener Einwanderungsbehörde "endlich zur Chefsache" zu erklären und die angekündigten Reformen mit Hochdruck voranzutreiben. Den Neos ist "der gute Wille nicht abzusprechen", aber es müsse mit dem "jahrelangem Missmanagement der Wiener SPÖ aufgeräumt werden", so Gasselich.
Der zuständige Stadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) hat im vergangenen Jahr neue Reformen angekündigt. Was passierte in der Zwischenzeit? "Das telefonische Servicecenter samt Ticketing-System ist in Betrieb, neue Mitarbeiter*innen wurden eingestellt und eingeschult. Wir kümmern uns um die Neuausrichtung der Behörde hinsichtlich Kundenfreundlichkeit, Service und Digitalisierung", erklärt Wiederkehr-Sprecherin Julia Kernbichler. "Dieser Reformprozess ist bis Ende 2024 geplant und beinhaltet tiefgreifende, strukturelle Reformen in unserer Behörde mit dem Ziel, transparenter und kundenfreundlicher zu werden sowie die Verfahren zu verkürzen".
Zwei Korruptionsfälle
Wie schon berichtet, fallen die Wörter 'Korruption' und 'Ausländerfeindlichkeit' oft in Gesprächen mit MA 35-Betroffenen. Zum Thema Korruption hat die Wiener VP ebenfalls nachgefragt. Denn: 2016 gab es zwei Korruptionsfälle innerhalb der MA 35.
Bei einem Fall wurde laut Wiederkehr-Büro angeboten, Kontakte zu einer ausländischen Behörde in Zusammenhang mit Staatsbürgerschaftsverfahren herzustellen, "zum schnelleren Austritt aus einem fremden Staatsverband". Das Dienstverhältnis mit dem Mitarbeiter wurde sofort aufgelöst und die Strafverfolgungsbehörden wurden eingeschaltet. Beim zweiten Fall handelt es sich um "rechtswidrige Ausstellung von Aufenthaltstitel" und in diesem Fall wurde ebenfalls das Dienstverhältnis mit dem Mitarbeiter aufgelöst.
In der MA 35 sind derzeit etwa 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Im Vorjahr haben diese 90.625 Anrufe beantwortet, bis Mai waren es bereits mehr als 105.450. Die durchschnittliche Wartezeit am Telefon beträgt 4,52 Minuten, heißt es.
Mehr zu den Vorwürfen der Betroffenen liest du hier:
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