ÖVP-Wien-Chef Karl Mahrer
"Es braucht mehr Herz in der Politik"
Der neue Landesparteichef der Wiener Volkspartei, Karl Mahrer, über sichere Arbeitsplätze, warum ihm die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen Sorge bereiten und dass es mehr Herz in der Politik braucht.
WIEN. Seit Anfang Dezember ist Karl Mahrer an der Spitze der Wiener ÖVP. Der frühere Landespolizeikommandant hat damit den Job von Gernot Blümel übernommen, der am 2. Dezember alle seine politischen Ämter zurückgelegt hatte. Der BezirksZeitung hat Mahrer verraten, wie Wien sicherer werden soll, wie er das Vertrauen der ÖVP-Wählerinnen und -Wähler zurückgewinnen will und warum es ihm bei Herbert Kickl kalt den Buckel runter rinnt.
Sie sind der neue Mann an der Spitze der Wiener ÖVP. Beschreiben Sie sich selbst in drei Worten.
KARL MAHRER: Konsequent, menschlich und ein Brückenbauer.
Mit welchen Schwerpunktthemen will die ÖVP in Wien auf sich aufmerksam machen?
Ich glaube es geht um die Themen, die den Menschen wichtig sind: Ein sicherer Arbeitsplatz, eine sichere Stadt und ein lebenswertes und ein schönes Umfeld.
Wie wollen Sie sich konkret für sicherere Arbeitsplätze einsetzen?
Mit weniger Belastung und mehr Entlastung. Da haben wir in Wien durchaus einiges an Aufholpotential. Beispielsweise die Dienstgeberabgabe – die U-Bahn-Steuer – da laufen jedes Jahr 70 Millionen an Abgaben rein. Eine Belastung für Unternehmerinnen und Unternehmer. Oder die Abgaben für jedes Reklameschild, die Gebrauchsabgabe, die man landläufig Luftsteuer nennt. Die ist wirklich eine Luftsteuer für mich und sollte überdacht werden.
Wie kann Wien noch schöner und lebenswerter werden?
Auch die Volkspartei steht dafür, dass wir in der Stadt weniger Autos brauchen. Jedoch muss auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen Rücksicht genommen werden. Manche können berufsbedingt nicht aufs Auto verzichten. Weiters sollte man jenen, die nicht zwingend ihr Auto brauchen, Anreize zum Umstieg schaffen. Welche Anreize wären das? Indem wir die Park & Ride Stationen am Rand von Wien ausbauen. Oder das flächendeckende Parkpickerl, eigentlich nur eine Erweiterung, aber nichts neues. Neu wäre für mich ein Zonenmodell mit einem Lenkungseffekt, wo es einen Unterschied macht, ob ich mein Auto am Wilhelminenberg oder in der Wipplingerstraße abstelle. Denn wenn ich in die Stadt fahren möchte und durch günstige Parkgebühren einen Anreiz habe, weiter draußen zu parken, werde ich auch lieber auf die Öffis umzusteigen. Auch braucht es ein Garagenkonzept, damit wir mehr Autos unter die Oberfläche bekommen.
Jedoch ist der Platz begrenzt, haben Sie konkrete Beispiele?
Schauen wir uns zum Beispiel den Neuen Markt an. Lang umstritten, jetzt Gott sei Dank in der Umsetzung. Es wird ein attraktiver Platz und dank der Garage, mit weniger Autos an der Oberfläche. Wir als Volkspartei argumentieren für ein Miteinander im Verkehr. Was wir nicht wollen ist das gegeneinander ausspielen von Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern.
Welche Ideen gibt es ihrerseits zu mehr Sicherheit?
Für mich definiert sich Sicherheit nicht nur über mehr Polizei. Das ist relativ einfach gedacht. Sicherheit ist viel mehr. Sicherheit ist beispielsweise, wie gestalte ich die Oberfläche der neuen U-Bahn-Stationen so, dass sie Tag und Nacht sicher ist und sicher wirkt? Dass sie für junge Menschen freudvoll erlebbar ist und es für ältere Menschen auch die Möglichkeit gibt, sich dort aufzuhalten ohne vertrieben zu werden. Sicherheit hängt aber auch mit Stadtteilentwicklung und -gestaltung und Wohnraumbeschaffung zusammen. Sicherheit hängt aber auch mit Stadtteilentwicklung und -gestaltung zusammen. Gut gelungen beispielsweise in Teilen des Brunnenviertels, wo du trotz einem hohen Anteil an Menschen, die nicht in Österreich geboren sind, trotzdem eine gute Mischung hast. Es kommt auf die Mischung an – quasi eine Wiener Melange, also eine gesunde und gute Mischung. Aber wenn ein Viertel entsteht, wo nur noch Menschen aus einem bestimmten Kulturkreis sind, besteht die Gefahr, dass eine Parallelgesellschaft entsteht. Wir müssen die Zeichen der Zeit erkennen und eingestehen, dass da eine Verbesserung notwendig ist.
Ein Faktor, der zu viel Unsicherheit führt, sind die Demos gegen die Corona-Maßnahmen. Wie stehen Sie dazu, und wie kann man Meinungsfreiheit zulassen, aber dennoch den Leuten ein besseres Sicherheitsgefühl vermitteln?
Eine der wesentlichen Säulen der Demokratie ist die freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Es gibt viele Menschen, die Sorgen haben und verunsichert sind. Es muss möglich sein, in einer Demokratie dieses Demonstrationsrecht auszuleben, überhaupt keine Frage. Was mir viel mehr Sorgen bereitet, dass diese Demonstrationen längst schon umgedreht wurden. Die Menschen, die dort ihre Sorgen äußern werden dazu instrumentalisiert, in das rechtsextreme Lager zu rutschen. Und wenn ich mir anschaue, wer heute in den ersten Reihen dieser Demonstrationen stehen und mir anhöre, was Herbert Kickl letztens in Innsbruck gesagt hat, dann rinnt es mir kalt den Buckel runter. Wenn Politiker, die einer Parlamentspartei angehören, die einmal eine Regierungsfunktion gehabt haben, aufhetzen, sich mit nachweislich Rechtsradikalen vereinen, mit Judensternen durch den 1. Bezirk gehen und die Impfung mit dem Holocaust verquicken, dann ist das eine Entwicklung die mir viel mehr Sorge bereitet, als das Äußern von Unzufriedenheiten im Rahmen des Demonstrationsrechts. Ich fordere Herbert Kickl auf, Politik dort zu machen wo sie hingehört, nämlich ins Parlament. Dort hat Kickl seine parlamentarischen Möglichkeiten und Mitteln. Hier in der aufgeheizten Atomsphäre noch Öl ins Feuer zu gießen und die Leute damit noch stärker auf die Straße zu bringen und mit rechtsradikalen Ideen zu verquicken, halte ich für diese Republik für verantwortungslos.
Korruptionsvorwürfe, Rücktritte – wie wollen Sie das Vertrauen der ÖVP-Wähler zurückgewinnen?
Ganz einfach, durch eine Politik mit Herz und Verstand. Einerseits Herz in die Politik zu bringen, denn das geht mir derzeit ziemlich ab. Und andererseits auch Verstand in der Form, dass wir weiter auf die Themen setzen, wofür uns die Menschen auch das Vertrauen gegeben haben.
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