Interview Peter Hacker
Raus aus dem Lockdown mit Hirn und Spielregeln
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) über neue Teststraßen, die Wiener Impfstrategie und warum es dringend eine Öffnung braucht.
WIEN. Im großen bz-Interview spricht Gesundheitsstadtrat Peter Hacker über die mangelnden Testmöglichkeiten im Süden und Westen Wiens, warum es nicht zwingend einen Lockdown braucht und wann wer geimpft werden kann.
Die Teilnahme am zweiten Massentest war noch geringer als beim ersten. Liegt es an einer Testunwilligkeit oder vielleicht eher daran, dass die angebotenen Teststraßen einfach für viele zu weit weg gewesen sind?
PETER HACKER: Es ist wahrscheinlich von allem ein bisschen was. Aber es gibt noch einen weiteren Grund: Für zahlreiche Wienerinnen und Wiener sind Massentests einfach kein außergewöhnliches Ereignis mehr, da wir das Testen schon seit Mai massiv forciert haben. Wir haben bei der Gesamtzahl am Mittwoch die Einwohnerzahl Wiens überschritten. Das heißt, wir haben im Durchschnitt schon jeden einmal getestet. Da sind alle anderen Bundesländer echt noch weit entfernt davon.
Bis dato haben sich die permanenten Teststraßen auf den östlichen Teil der Stadt konzentriert. Kommen neben der Stadthalle mehr Teststraßen im Süden und Westen Wiens?
Ja. Wir haben ein Loch im Süden Wiens. Vor allem im 10. und 23. Bezirk und das zieht sich rauf bis zur Westeinfahrt. Da haben wir einfach einen blinden Fleck. Das war uns auch immer bewusst. Deshalb haben wir zahlreiche Locations vom Einsatzstab überprüfen lassen, die sich aber aus unterschiedlichen Gründen nicht realisieren ließen. Jetzt haben wir aber einen weiteren Standort in Liesing gefunden.
Wo genau?
In der Mittelschule in der Anton-Baumgartner-Straße, direkt bei der U6-Station Alterlaa. Wir bauen dort im Turnsaal zwei Test-Lanes mit Antigen-Tests auf, die bei wir bei Bedarf noch aufstocken können. Die Teststraße wird am Samstag in Betrieb gehen, Anmeldungen über die Website der Stadt sind ab Freitagmittag möglich.
Sind noch mehr Teststraßen geplant?
Auf jeden Fall muss im Westen auch eine Teststraße kommen. Unser Problem ist natürlich immer: Mehr Teststraßen heißt natürlich auch eine Vervielfachung der Ressourcen, die dafür notwendig sind. Wir machen es aber trotzdem, weil wir mit dem Testen näher bei den Menschen sein wollen. Und wir werden die eine oder andere Teststraße – wenn nötig – auch zur Impfstraße umswitchen können.
Die Mehrheit der Parlamentsparteien hat sich für kostenlose Selbsttests für alle ausgesprochen. Was halten Sie davon?
Wenn es diese Selbsttests in hoher Qualität gibt, dann gefällt mir die Idee natürlich. Aber es gibt im Augenblick kein Produkt, das diese Voraussetzung erfüllt.
Wie sieht es mit den aktuellen Selbsttests für Schülerinnen und Schüler aus?
Da gibt es viele Diskussionen in der Fachwelt darüber, daher bin ich hier noch vorsichtig. Das ist auch der Grund, warum wir gesagt haben, wir statten die Schulen mit Gurgeltests aus.
Diese sind aber für die Pädagoginnen und Pädagogen und nicht für die Kinder.
Ja. Aber sie kommen auch bei Kindern zum Einsatz, wenn sie symptomatisch sind. Wenn es das Bedürfnis gibt, können wir auch die Kinder regelmäßig gurgeln lassen. Daran soll es nicht scheitern.
Der Ansturm auf das Impfvormeldesystem ist enorm, die Verwirrung dazu auch. Zumindest was die Auswahl der Berufe angeht. Aktuell hat man jetzt doch die Pädagoginnen und Pädagogen angeführt. Sorgt das jetzt nicht noch mehr für Verwirrung? Wäre es nicht einfacher gewesen, das Berufsfeld von den Personen, die sich anmelden, selbständig ausfüllen zu lassen?
Nein, weil man es dann nicht auswerten kann. Man muss solche vordefinierten Felder anführen. Es war in der Phase, wo es gerade Diskussionen mit dem Bund gab, wer für welche Gruppe impftechnisch verantwortlich sein wird. Ursprünglich wollte der Bund das Impfen der Lehrerinnen und Lehrer übernehmen. Dann hieß es, sie organisieren das nur für die Bundeslehrerinnen und -lehrer. Das macht aus unserer Sicht überhaupt keinen Sinn. Daher haben wir nachträglich die Pädagoginnen und Pädagogen als eigenes Berufsfeld mit reingenommen.
Wie erfährt man, wann man geimpft werden kann?
Mit unserer Vormerkplattform haben wir die Möglichkeit, die Menschen direkt anzusprechen, wenn sie dran sind. Außerdem werden wir natürlich in der Öffentlichkeit bekannt machen werden, wer sich wann zum Impfen anmelden kann. Genauso wie wir Betriebe, Firmen, Organisationen und Schulen ansprechen werden. Wir haben schon weit über 400.000 Vormerkungen. Das ist schon ein bisschen ein Klatscher für alle Unkenrufer, die gemeint haben, es wird eine niedrige Impfbeteiligung geben.
Wie werden Personen, die nicht mobil sind und daheim betreut werden, geimpft?
Da wird es mobile Impfteams geben.
Wie sieht es mit jenen aus, die in der 24-Stunden-Betreuung arbeiten? Wo werden diese geimpft?
Die werden schon geimpft. Sie arbeiten in Wien und können sich daher auch hier impfen lassen. Wir haben auch schon 7.000 Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher geimpft, die in unseren Spitälern und Pflegeeinrichtungen arbeiten. Wer in Wien arbeitet, bekommt die Möglichkeit, von uns geimpft zu werden.
Vorreihungen bei Impfungen aufgrund von Impfstoff-Überschuss sorgen immer mehr für Unmut. Wie kann man das so transparent organisieren, dass es keinen schalen Beigeschmack hat?
Solche Vorfälle sorgen natürlich immer für einen schalen Beigeschmack – und das ist typisch österreichisch. Bestes Beispiel ist die Autobahn. Wir sind alle für 130 km/h, nur für einen selber soll es nicht gelten. Und dieses Verhalten erleben wir dann auch in solchen Situationen. Es finden alle eine Sauerei, dass die anderen bevorzugt werden, aber sie selbst wollen auch vorgereiht werden. Im Augenblick haben wir zu wenig Impfstoff. Das ist wirklich ein Jammer und das muss man auch so sehen. Daher gibt es immer diesen schalen Beigeschmack. Wir reagieren darauf, indem wir ganz klare Spielregeln machen. Die Impfteams sind verpflichtet, sehr präzise zu planen. Dort, wo wir impfen, muss klar sein, wie viele Personen geimpft werden, wie viel Impfstoff potentiell übrig bleiben kann. Dazu organisiert unser Einsatzstab Leute, die extra hingeschickt werden, wenn das der Fall ist. Und es ist ganz klar: Wenn ein Impfteam sich nicht an die Spielregeln hält, wird es kein Impfteam mehr sein.
Wann werden Ihrer Meinung nach alle Wienerinnen und Wiener, die wollen, geimpft sein?
Heuer auf jeden Fall. Davon bin ich überzeugt. Ich glaube aber nicht, dass es bereits im ersten Halbjahr sein wird.
Also wird es auch keinen – wie angekündigt – normalen Sommer geben?
Ich weiß es wirklich nicht und ich will auch nicht spekulieren. Mein Job ist es, zu schauen, dass die Wienerinnen und Wiener so rasch und so gut wie möglich organisiert zum Impfen kommen. Aktuell bekommen wir nicht einmal 13.000 Impfdosen pro Woche. Aber ich vertraue darauf, dass es stimmt, dass wir größere Mengen ab Mitte Februar, Mitte März bekommen. Und dann wird die Schlagzahl eine andere sein. Dennoch glaube ich, dass wir bis Ende Juni eine so hohe Durchimpfung haben werden, dass uns ein guter Sommer bevorsteht. Ich glaube auch schon, dass uns ein guter Frühling bevorsteht, da unsere Zahlen – trotz Mutation – aktuell immer weiter runtergehen.
Medial werden täglich Expertinnen und Experten ins Rennen geschickt, die alle unisono der Meinung sind, dass der Lockdown mit 7. Februar nicht enden wird. Ein bisschen wirkt es so, als wenn man die Bevölkerung emotional darauf vorbereiten möchte. Ist es so? Und wenn ja, ist das tatsächlich die richtige Taktik?
Naja, schön langsam kennt jeder die Strategie dieser Bundesregierung. Zuerst wird etwas ins Wasser geworfen und dann wird geschaut: Schwimmt der Fisch oder geht er unter? Wenn der Fisch nicht gleich stirbt, kommen ein paar Expertinnen und Experten hinten nach, die das verstärken. Und dann kommt der Bundeskanzler und kündigt an, dass er darüber nachdenken wird. Während der ganzen Zeit wird im Hintergrund gecheckt, wie ist die Stimmungslage, kommen da Wellen oder bleibt das Wasser glatt. Und dann kommt die Entscheidung, die eigentlich schon klar war, als man den Fisch ins Wasser geworfen hat. Ich finde es bemerkenswert, dass so gut wie keine behandelnden Ärztinnen und Ärzte als Experten auftreten. Sie haben eine bisschen andere Meinung als die Virologinnen und Virologen, Bakteriologinnen und Bakteriologen, Mathematikerinnen und Mathematiker, die wir täglich im Fernsehen sehen.
Wird der harte Lockdown mit 7. Februar vorbei sein?
Ich glaube, dass es notwendig ist. Wir sind in Wien schon wochenlang im orangen Bereich. Und man kann die Wiener Bevölkerung nicht einsperren, nur weil sie in Salzburg Skikurse abhalten wollen. Irgendwann muss Schluss sein. Ich bin für eine Öffnung mit Hirn und klaren Spielregeln. Aktuell beobachten wir sehr präzise, wie es mit den neuen Mutationen aussieht. Es kann sein, dass wir dann wieder einen kurzen Lockdown brauchen – vielleicht ein Wochenende oder mehrere Tage. Aber es wäre auf jeden Fall sinnvoller, einen kurzen Lockdown zu machen als wieder einen so langen Lockdown anzustreben, den keiner mehr durchhält. Weder emotional noch wirtschaftlich. Es spricht nichts dagegen, wieder ins Museum zu gehen. Aber es spricht viel dagegen, dass sich 100 Leute auf zehn Quadratmetern vor einem Bild tummeln. Und das gleiche gilt letztendlich in Abstufung für alle Lebensbereiche.
Wie sieht es mit den Schulen aus?
Schulen sind Basisinstitutionen, die es geben muss. Das, was wir unseren Kindern angetan haben, dürfen wir nicht noch weiter steigern.
Auch Verschärfungen werden thematisiert. Wie könnten solche Verschärfungen in Wien aussehen, wenn schon der Zwei-Meter-Abstand in den meisten Gassen Wiens nicht möglich ist?
Anhand der Bewegungsdaten der Mobilfunkanbieter sehen wir, dass Wien das ganze Jahr über das disziplinierteste Bundesland war, was die Einhaltung des Lockdowns und die Reduktion von Bewegung betrifft. Ich kann keinen Grund erkennen, warum über Verschärfung geredet werden soll, solange sich unsere Zahlen so entwickeln, wie sie es gerade tun.
Alle Informationen und Anmeldungen zur neuen Teststraße in Liesing finden Sie hier.
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