IKG Wien
Weniger antisemitische Vorfälle, aber mehr Gewalttaten
Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien hat am Montag den Jahresbericht 2022 der Antisemitismus-Meldestelle vorgelegt. Demnach ist die Zahl der gemeldeten Vorfälle zwar zurückgegangen, die physischen Übergriffe nahmen aber zu.
WIEN. Insgesamt wurden im Vorjahr 719 antisemitische Vorfälle gemeldet, das entspricht einem Rückgang von 25,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2021 (965 Fälle). Dennoch handelt es sich um die zweithöchste Zahl seit Beginn der Dokumentation 2008. Und: 719 Vorfälle im Jahr sind durchschnittlich 60 im Monat bzw. zwei am Tag, wie IKG-Präsident Oskar Deutsch verdeutlichte.
Dass die Zahl der gemeldeten Fälle im Vergleich zum Negativrekordjahr 2021 gesunken ist, liege vor allem an dem "Abebben der CoV-Pandemie". Wichtig zu betonen sei, dass es sich bei der Jahresstatistik nur um eine "kleine Bilanz" handelt. Denn in den Bericht fließen nur die tatsächlich gemeldeten Vorfälle ein. Die Dunkelziffer liege wohl deutlich höher, so Deutsch.
Zunahme physischer Gewalt
Dargestellt werden die Vorfälle nach internationalem Vorbild in fünf Kategorien. Den größten Teil nehmen mit 140 gemeldeten Fällen Massenzuschriften ein. Diese haben sich gegenüber 2021 jedoch fast halbiert. Auch die Vorfälle von verletzendem Verhalten (422), etwa in Form von Beschimpfungen, waren rückläufig. In der Kategorie Sachbeschädigung wurden 122 Vorfälle gemeldet, Bedrohungen gab es 21.
Besonders besorgniserregend sei die Tatsache, dass die Zahl der physischen Angriffe auf 14 angestiegen ist und damit einen neuen Höchstwert erreichten. Zum Vergleich: Im Rekordjahr 2021 waren es zwölf gemeldete Angriffe.
Täter und Opfer immer jünger
Auch das Alter sowohl der Opfer als auch der Täter sei erschreckend, wie Benjamin Nägele, Generalsekretär und Leiter der Antisemitismus-Meldestelle, erläuterte. Immer häufiger handelt es sich um Kinder und Jugendliche die von anderen Kindern und Jugendlichen angegriffen werden.
Dieser traurige Trend zeige sich auch in anderen Ländern, etwa in Deutschland. Über die Hintergründe kann auch die Israelitische Kultusgemeinde nur spekulieren, geht aber von einem negativen Einfluss der sozialen Medien aus.
Meisten Fälle von Rechts
Soweit möglich, wird auch der ideologische Hintergrund analysiert. Bei den insgesamt 719 gemeldeten Fällen waren 55 Prozent (395 Fälle) aus dem rechten politischem Spektrum. 20 Prozent (146 Fälle) konnten der linken Szene zugeordnet werden und 9 Prozent (63 Fälle) waren dem muslimischen Antisemitismus zuzuordnen.
Unterschiede gab es dabei auch bei der Art der Vorfälle. Während Sachbeschädigungen, Massenzuschriften und verletzendes Verhalten überwiegend von Rechts kamen, überwog ein muslimischer Hintergrund bei physischen Angriffen und Bedrohungen. "Mir ist egal, von wo die antisemitischen Vorfälle kommen, es darf keine geben", sagte dazu IKG-Präsident Deutsch. "Wir leben gerne hier und wir lassen uns nicht vertreiben!"
Auch wenn die Zahl der Vorfälle in Wien vergleichsweise zu anderen europäischen Städten gering sei, jeder Fall sei einer zu viel. Die Zivilgesellschaft sei hier dringend gefragt, jeden Vorfall umgehend zu melden. Bei der Antisemitismus-Meldestelle ist das rund um die Uhr möglich, auch anonym, ergänzte Generalsekretär Nägele.
Mehr zur Antisemitismus-Meldestelle findest du hier.
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