Ostumfahrung Wiener Neustadt
Tausche Ackerboden gegen Straße

Daniel Hemmer (gelbes T-Shirt), Landwirt und Imker, führte die Exkursionsteilnehmer in die Felder zwischen Lichtenwörth und Wr. Neustadt, wo die Wr. Neustädter 'Ostumfahrung' gebaut werden soll.
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  • Daniel Hemmer (gelbes T-Shirt), Landwirt und Imker, führte die Exkursionsteilnehmer in die Felder zwischen Lichtenwörth und Wr. Neustadt, wo die Wr. Neustädter 'Ostumfahrung' gebaut werden soll.
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Die geplante Ostumfahrung von Wr. Neustadt bedroht nicht nur die Wiesen und Felder eines Naherholungsgebiets, sondern auch die Existenz von Bauern - und damit die Grundversorgung der Bevölkerung.

WIENER NEUSTADT-LAND. Rund 50 Menschen stehen im idyllischen Grenzgebiet von Wr. Neustadt und Lichtenwörth: Während die Kinder auf den Wiesen Schmetterlingen nachlaufen, stehen die Erwachsenen mit Corona-Abstand im Halbkreis um Daniel Hemmer - Landwirt, Imker und Lichtenwörther Umweltgemeinderat. Die Stimmung ist ernst. "Unser Ackerboden hier im Steinfeld ist einer der fruchtbarsten: Auch in Sommern ohne viel Regen haben wir stets gute Erträge", sagt Hemmer ins Mikrofon und lässt etwas Erde durch die Hand rieseln, "so einen Boden darf man nicht sinnlos zubetonieren." Der neben ihm stehende Biobauer Walter Prandl nickt: "Wenn es Sonne, Erde, Wasser und Luft nicht mehr gibt, gibt es uns Menschen auch nicht mehr. Wer gesund bleiben will, muss sich auch gesund ernähren. Alles hängt vom Boden ab."

Grund der samstäglichen Exkursion in den Grüngürtel zwischen Wr. Neustadt und Lichtenwörth ist die geplante 'Ostumfahrung' B 17: Die neue Straße soll mitten durch die Wiesen, Maisfelder und Gemüseanbauflächen des beliebten Naherholungsgebiets durchführen. Gemeinsam mit der überparteilichen Plattform „Vernunft statt Ostumfahrung“ möchte Umweltgemeinderat Hemmer (SPÖ) über die Auswirkungen des Straßenprojekts informieren, das den Straßenring um Wr. Neustadt schließen soll.

Von Obereggendorf im Norden soll die geplante Straße durch das Lichtenwörther Agrarland zur S 6 bei Neudörfl im Süden führen. Rund 5 km lang und etwa 50 Meter breit soll die Trasse werden, die nicht nur ein Natura 2000-Schutzgebiet bei einer Au mit Feuchtwiesen, sondern auch einen Wald bei der Warmen Fischa durchqueren soll. Der Flächenverbrauch allein der Straße beträgt 20 Hektar."Wir lesen in der Zeitung vom Bienen- und Schmetterlingssterben, weil es immer weniger Grünflächen und immer weniger Artenvielfalt gibt - und dann wollen wir das wertvolle Ackerland und Naherholungsgebiet vor unserer Haustür wegen einer sinnlosen Straße zerstören?", sagt Landwirt Hemmer. "Die Menschen werden mehr, die landwirtschaftlichen Flächen werden weniger. Wo das hinführen wird, weiß ich nicht."

Selina Prünster ist Gemeinderätin (Grüne) und Mutter von vier Kindern. "Neue Straßen ziehen mehr Verkehr an. Mit der 'Ostumfahrung' wird der Verkehr auf der Grazer Straße noch ansteigen - um ganze sieben Prozent."
  • Selina Prünster ist Gemeinderätin (Grüne) und Mutter von vier Kindern. "Neue Straßen ziehen mehr Verkehr an. Mit der 'Ostumfahrung' wird der Verkehr auf der Grazer Straße noch ansteigen - um ganze sieben Prozent."
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Selina Prünster, Gemeinderätin aus Wr. Neustadt (Grüne), erklärt warum auch sie die 'Ostumfahrung' für sinnlos hält: "Erklärtes Ziel der 'Ostumfahrungs'-Befürworter ist die Verkehrsberuhigung der Grazer Straße, eines Wr. Neustädter Hauptverkehrsweges", sagt die Mutter von vier Kindern. "Mit der 'Ostumfahrung' wird der Verkehr auf der Grazer Straße aber noch ansteigen - um ganze sieben Prozent. Denn neue Straßen ziehen mehr Verkehr an, das ist in der Verkehrsplanung nichts Neues. Und: Wenn die 'Ostumfahrung' kommt, trennt sie die Bewohner auseinander - genauso wie die Grazer Straße jetzt schon innerhalb des Stadtgebiets."

Die Straße - und dann?

Prünster befürchtet auch, dass es nicht bei der neuen Straße bleiben wird: "Ziel der Befürworter der 'Ostumfahrung' ist es, aus dem Gebiet zwischen neuer Straße und Stadtgrenze ein Industriegebiet zu machen. Es wird nicht nur bei der 'Ostumfahrung' bleiben - die ist nur der Anfang." Rund 57 Hektar Industriegebiet würden durch die 'Ostumfahrung' geschaffen. Zusätzlich zu den 20 Hektar reiner Straßenfläche ein enormes Ausmaß an Ackerboden, der versiegelt würde - was abgesehen vom Verlust regionaler Anbauflächen auch mit negativen klimatischen Folgewirkungen wie steigender Sommertemperaturen und erhöhter Hochwassergefahr einherginge.

Prünster macht dem Wr. Neustädter Bürgermeister Klaus Schneeberger Vorwürfe: "Bürgermeister und Landesregierung haben nur die 'Ostumfahrung' vorgelegt und geprüft, Alternativen kamen gar nicht auf den Tisch und wurden darum auch nie durchgerechnet."

Unterstützt wird die 'Ostumfahrung' nicht nur von Klaus Schneeberger, sondern auch vom Wr. Neustädter Stadtrat Franz Dinhobl (beide ÖVP), die zugleich auch Landtagsabgeordnete sind. Auch aus der Landesregierung kommt Zustimmung.

"Die Verbauung von Ackerland muss gestoppt werden", sagt Hemmer, "denn es hat größte Bedeutung für die regionale Grundversorgung der Bevölkerung. Wieviele Flächen sind schon verbaut worden, aber werden gar nicht genützt?" Die Familie des Landwirts besitzt im Gebiet der geplanten Trasse zwei Felder, die verpachtet sind: "Ob die 'Ostumfahrung' durch sie durch führen soll, wissen wir noch nicht." Im Falle des Falles würde Hemmer keinesfalls verkaufen wollen.

Biobauer Walter Prandl (am Mikrofon) klärte über die Bedeutung des Bodens und intakter Natur auf.
  • Biobauer Walter Prandl (am Mikrofon) klärte über die Bedeutung des Bodens und intakter Natur auf.
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Die Zukunft verbauen?

Jetzt greift Karl Linauer zum Mikrofon: Auch der bekannte Bäckereibesitzer und Ehemann von Unternehmerin Ruth Linauer hat für die Vernichtung von Ackerland kein Verständnis: "Regionalität wird überall als das Zukunftskonzept gepriesen, gerade in der Coronazeit. Wird die 'Ostumfahrung' gebaut, machen wir damit nicht nur unseren Ackerboden kaputt, sondern auch unsere eigene Zukunft."

Jutta Würkner wohnt in Wr. Neustadt. Regionalität ist für die Pädagogin kein Fremdwort, schließlich steht der Weg der Nahrung vom Feld bis auf den Teller bei ihr seit jeher am Lehrplan: "Das geht doch nicht, dass man hier unseren wertvollen Ackerboden zubetoniert und uns dann das Essen mit dem Lastwagen aus weit entfernten Fabriken herbringen will."

Christoph Watz ist Generalsekretär der Katholischen Aktion. Zur Exkursion in die Lichtenwörther Felder ist er aber als Mitglied der Plattform 'Vernunft statt Ostumfahrung“ gekommen: "Ich war überrascht, dass man hier 1A-Ackerland mitten im Steinfeld findet – und das will man für eine Straße aufgeben? Gerade in Coronazeiten wird immer mehr Menschen der Wert der regionalen Landwirtschaft bewusst", sagt der Familienvater, "mitten in der Wirtschaftskrise steckt man zig Millionen Steuergeld in einen katastrophalen Straßenbau, der schon wieder wertvollen Boden versiegelt. Wir brauchen das öffentliche Geld, um in Alternativen zu investieren, damit wir die Klimaziele erreichen. Und da gehört die Erhaltung von regionaler Landwirtschaft ohne lange Transportwege dazu."

Umweltgemeinderat Daniel Hemmer (am Mikrofon) und Biobauer Walter Prandl treten gegen unnötigen Flächenverbrauch und die Verbauung landwirtschaftlicher Flächen ein.
  • Umweltgemeinderat Daniel Hemmer (am Mikrofon) und Biobauer Walter Prandl treten gegen unnötigen Flächenverbrauch und die Verbauung landwirtschaftlicher Flächen ein.
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Auch der katholische Weihbischof Franz Scharl - in den 90er-Jahren Kurat der Propsteipfarre Wiener Neustadt - hatte sich zuletzt gegen den Bau der 'Ostumfahrung' und gegen unnötigen Bodenverbrauch ausgesprochen.

Unter dem Dach der Österreichischen Hagelversicherung traten vor Kurzem auch Schauspieler und Biobauer Tobias Moretti und Dirigent Franz Welser-Möst gegen unnötigen Bodenverbrauch und Flächenversiegelung ein.

Auch Josef Etzenberger, Bundesvorsitzender der SPÖ Bauern, unterstützt die Initiative der Hagelversicherung gegen Bodenverbrauch, genauso wie etwa Maximilian Fürnsinn, Altpropst des Augustiner-Chorherrenstiftes Herzogenburg, Erwin Hameseder, Obmann der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, oder Josef Moosbrugger, Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer.

Florian Klengl (am Mikrofon), Gemeinderat (SPÖ) und Naturfreunde-Sprecher, legt Wert auf die Erhaltung der Felder und Wiesen als Naherholungsgebiet für die Bewohner Lichtenwörths und Wr. Neustadts.
  • Florian Klengl (am Mikrofon), Gemeinderat (SPÖ) und Naturfreunde-Sprecher, legt Wert auf die Erhaltung der Felder und Wiesen als Naherholungsgebiet für die Bewohner Lichtenwörths und Wr. Neustadts.
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Beliebtes Naherholungsgebiet

Immer wieder fahren kleine Gruppen von Radfahrern an den Teilnehmern der Exkursion vorbei. Einige bleiben auch stehen, ebenso wie Spaziergänger. Passend dazu wird jetzt auch der Erholungswert des Grüngebiets thematisiert: "Was wird aus dem Naherholungsgebiet von Wr. Neustadt, wenn es durch die neue Straße zweigeteilt wird?", fragt Florian Klengl von den Wr. Neustädter Naturfreunden, er ist auch Gemeinderat in seiner Heimatstadt (SPÖ). "Mit meinen Kindern mache ich hierher oft Radausflüge. Wohin sollen wir dann fahren, wenn es das alles nicht mehr gibt?"

Auch Georg Panovsky nickt, er ist Initiator der Bürgerinitiative „Ostumfahrung - So nicht!“ und hat gerade viel bei Gericht zu tun: Aktuell wird die Beschwerde seiner Bürgerinitiative gegen den Bescheid der Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Bundesverwaltungsgericht behandelt, er fungiert dabei als Beschwerdeführer.

Es ist Mittag geworden in den Feldern zwischen Wr. Neustadt und Lichtenwörth. Die Kinder sind müde vom Spielen in den Wiesen und lehnen sich an ihre Eltern. Umweltgemeinderat Hemmer setzt zum Schlusswort an: "Die 'Ostumfahrung' soll offiziell 35 Millionen kosten - aber rechnen wir ruhig mit einem höheren Betrag. Das Geld ist die eine Sache, aber das Zubetonieren unseres wertvollen Ackerlands auf ewige Zeiten die andere." Hemmer setzt auf die vereinte Kraft vieler einzelner Menschen: "Jeder kann seinen Beitrag leisten, und jeder Beitrag ist wichtig und wertvoll - und wenn er noch so klein ist", sagt er, "denn wenn sich jeder immer nur auf den anderen verlässt, geht gar nichts. Wir alle haben unser Glück selbst in der Hand."

Landwirt, Imker und Umweltgemeinderat Daniel Hemmer: "Wenn sich jeder immer nur auf den anderen verlässt, geht gar nichts. Jeder hat sein Glück selbst in der Hand. Wir in Lichtenwörth können die ganze Welt nicht retten. Aber die kleine Welt in unserer unmittelbaren Wohnumgebung, die können wir sehr wohl retten."
  • Landwirt, Imker und Umweltgemeinderat Daniel Hemmer: "Wenn sich jeder immer nur auf den anderen verlässt, geht gar nichts. Jeder hat sein Glück selbst in der Hand. Wir in Lichtenwörth können die ganze Welt nicht retten. Aber die kleine Welt in unserer unmittelbaren Wohnumgebung, die können wir sehr wohl retten."
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Hemmer erklärt, warum er sich als Landwirt und Imker politisch engagiert: "Wenn man sich für eine gute Zukunft einsetzt, hat man vielleicht irgendwann Schrammen und blaue Flecken - aber dafür kann man sich später in den Spiegel schauen und braucht sich nicht vorwerfen, man hätte nichts unternommen."

Der Landwirt lässt wieder etwas Erde durch die Hand rieseln - was gibt er den Teilnehmern der Exkursion gegen den Bau der Wr. Neustädter 'Ostumfahrung' mit auf den Heimweg? "Wir in Lichtenwörth können nicht die ganze Welt retten. Aber die kleine Welt in unserer unmittelbaren Wohnumgebung, die können wir sehr wohl retten."

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