Lass uns über Sex reden

Offen reden: Zu Sexualität müssen Kindern alle Fragen erlaubt sein. | Foto: pixelio
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Was sollen Kinder wann über Sex wissen? Eine Masse an Porno-Bildern schwappt oft schon über Volksschüler herein. Eltern und Pädagogen versuchen dagegenzuhalten und – manchmal selbst verunsichert – aufzuklären.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hat nun angeregt, Sexualerziehung schon im Kindergarten zu verankern. Ist das ein guter Plan?
Ja, aber: „Sexualität ist schon viel früher relevant – ab der Geburt“, sagt die Grazer Expertin Yvonne Seidler vom Verein Hazissa, der sich für Aufklärung und Prävention sexueller Gewalt einsetzt. „Schon wenn ein Baby seinen Körper entdeckt, stellt sich die Frage, wie Eltern damit umgehen. Der größte Fehler: Tabuisieren und Schimpfen statt Körperteile neutral zu benennen. „Doch mitunter ist man von den Aufklärungsversuchen der eigenen Eltern geprägt, die oft schambesetzt waren“, sagt Seidler. Grundsätzlich gilt: Aufklärung ist kein einmaliges Gespräch, sondern eine offene Haltung, die einen natürlichen Zugang und kindgerechtes Wissen über Sexualität schaffen soll. Wichtig: „Man muss zwischen Erwachsenen- und Kinder-Sexualität unterscheiden“, sagt Seidler. Erste ist erst ab der Pubertät ein Thema. Letztere hat mit gutem Körpergefühl, Neugier und kindlichen Bedürfnissen zu tun.

Regeln für „Doktorspiele“
So laufen Kindergartenkinder gerne nackt herum und finden Fragen spannend wie: „Was ist der Unterschied zwischen Mädchen und Buben?“. Der eigene Körper wird oft bei Doktorspielen erkundet. Hier gilt: Eltern sollen dies nicht moralisierend verbieten, sondern Regeln festlegen: 1. Niemand wird verletzt, 2. Niemand wird gezwungen oder bloßgestellt 3. Es sind nur Gleichaltrige involviert. 4. Bei Verstößen wird Hilfe geholt. „Wenn Kinder das beachten, haben sie viel über die Prävention sexueller Gewalt gelernt“, sagt Seidler. Nur wer lernt über „normale Sexualität“ zu reden, kann später über Probleme und Sorgen sprechen.

Generation Porno?
„Bei unseren Workshops zeigt sich: Viele Volksschüler haben schon Pornos gesehen“, sagt Seidler. „Da kommen Fragen wie: Warum machen Erwachsene bestimmte Dinge? Ist das nicht grauslich?“ Laut Studien bezieht mehr als die Hälfte der Kinder Informationen über Sex im Internet.
Sind Kinder und Jugendliche also heute aufgeklärter? Nein, schüttelt Seidler den Kopf: Es gebe noch immer den Irrglauben, dass man beim ersten Mal nicht schwanger wird. Kinder haben früher Zugang zu Informationen – auch vielen Fehlinformationen – und expliziten Bildern. In den Kursen zeigt sich oft Verunsicherung: „Da fragen Mädchen, was sie falsch machen, wenn sie Oralsex ekelig finden…“, erzählt Seidler. „Vor allem über Frauen vermitteln Pornos vollkommen falsche Bilder – das muss man deutlich ansprechen.“
Die Expertin meint: In der Schule sollte Sexualität in verschiedenen Fächern Platz haben, etwa in Philosophie oder Deutsch. Dafür fordert sie: „Sexualerziehung muss in der Ausbildung von Kindergartenpädagogen und Lehrern verankert werden.“ Zudem brauche es Info-Angebote für Eltern. Damit Erwachsene wissen, wie sie auf die Fragen der Kinder antworten.

Aufklärung für jedes Alter: Was Kinder wann wissen sollten

Die ersten Fragen oder die ersten Erkundungen des Körpers: Eltern sind oft verunsichert, wie sie damit umgehen sollen. Der Verein Hazisssa hat dazu Leitlinien erstellt, hier ein Auszug.
0 bis 3 Jahre: Kinder entdecken die eigenen Genitalien und stellen sie zur Schau. Eltern sollten damit wertfrei umgehen. Kinder sollten körperliche Unterschiede zwischen Mädchen und Buben kennen und den Unterschied zwischen intim und öffentlich lernen.
3 bis 6 Jahre: Kinder gehen lustvoll mit ihrem Körper um, das Schamgefühl entsteht. „Doktorspiele“ und Vater-Mutter-Kind-Spiele werden interessant. Für Eltern gilt: Regeln dazu festlegen (siehe oben), Fragen ernst nehmen und beantworten. Gute Kinderbücher können helfen (siehe rechts).
6 bis 9 Jahre: Ausprobieren von Geschlechterrollen, erste Verliebtheit, Anzeichen der Pubertät. Eltern sollen kindgerechte Aufklärung nicht der Schule überlassen, Überbehüten und auch Überforderung vermeiden, die (Medien-)Kompetenz stärken und körperliche Entwicklungen ansprechen.
Grundsätzlich: Fragen müssen immer erlaubt sein. Wenn Eltern nicht sicher sind, was sie antworten sollen, gilt: Rat holen, anstatt das Thema auszuklammern.
Grenzen wahren: Es ist wichtig, dass Eltern die Intimsphäre ihrer Kinder wahren und respektieren. So ist es nicht in Ordnung zu fordern: „Jetzt gib der Oma ein Bussi!“ Kinder müssen auch selbst entscheiden können, von wem sie getröstet oder gestreichelt werden. Sie müssen lernen, dass ihnen niemand zu nahe kommen darf, wenn sie das nicht wollen.
Prävention zählt: Als sexualisierte Gewalt gelten Handlungen, Worte oder Blicke, die Erwachsene oder Jugendliche zur Befriedigung eigener Bedürfnisse an Kindern vornehmen. Etwa ein Viertel aller Mädchen und ein Achtel aller Buben erleben im Laufe ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt, die Täter stammen zu 90 Prozent aus der nahen Umgebung.
Die Broschüre „So schütze ich mein Kind vor sexualisierter Gewalt“, der die angeführten Tipps entnommen sind, ist bei Hazissa und online kostenlos erhältlich.

Kinder und Pornografie

Wenn Kinder mit Pornografie konfrontiert sind, brauchen Eltern eine klare Haltung: „Pornografie ist für unter 18-Jährige mit gutem Grund verboten“, sagt Seidler von Hazissa.
Eltern rät sie zu:
1. Kontrolle: Prüfen Sie, ob Kinder in ihrem Zimmer freien Internet-Zugang haben. Eltern sollen auch kontrollieren, welche Seiten Kinder besuchen.
2. Stärkung der Kompetenz: Kinder müssen erkennen, wann Grenzen überschritten werden. „Sie müssen Kompetenz lernen, damit sie nicht gebannt wie die Maus vor einer Schlange sitzen.“

Empfehlenswerte Aufklärungsbücher

Wie finde ich die richtigen Worte, um mit Kindern über Sex zu reden? Das ist auch für Eltern nicht immer einfach, doch gute Kinderbücher können bei der Aufklärung helfen. Anbei einige Tipps:
Für 0-3-Jährige sehr empfehlenswert sind die Bücher: „Hat Pia einen Pipimax?“, Hilfestellung für Eltern bietet auch „Alles Familie“.
Für 3-6-Jährige gut geeignet sind: „Vom Liebhaben und Kinderkriegen“, „Wo kommst du her?“ „Mein erstes Aufklärungsbuch“ sowie das „Das MamaPapaBabyBuch“.
Grenzen setzen. Ein Gefühl für körperliche Grenzen und Intimsphäre vermittelt das Buch „Stopp, das will ich nicht!“

Jeder ist individuell. Bei all den Informationen gilt: Jedes Kind entwickelt sich in seinem Tempo mit unterschiedlichen Eigenheiten und Interessen. Sexuelle Entwicklung ist ein Prozess bis ins Erwachsenenleben.
In der Schule. Aufklärung im Unterricht ist übrigens durch einen Erlass aus dem Jahr 1990 geregelt. Keine schlechte Basis, meint dazu die Expertin Seidler: „Wir müssten uns nur daran halten. Denn dieser besagt, dass Sexualität von Klein auf in Schule und Erziehung Thema sein sollte.

BERATUNG UND HILFE
Der Verein Hazissa bietet Workshops und Vorträge für Kinder ab der Volksschule.
Rund 1500 Schüler werden so pro Jahr erreicht. Bei den Schulworkshops gibt es eine Wartezeit bis Mitte 2015.
Auch Ausbildungen für Kindergartenpädagogen und angehende Lehrer werden angeboten.
Beratung für Eltern und Kinder etwa bei bestimmten Problemen und Fragen gibt es auch vor Ort.
Kontakt: Hazissa – Prävention sexualisierter Gewalt
Karmeliterhof, Karmeliterplatz 2/2, 8010 Graz, Tel. 0316/90 370 160, Mo, Mi und Fr: 9 - 12 Uhr.
E-Mail: office@hazissa.at
Mehr Infos: www.hazissa.at

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