„Literatur kann uns die Augen öffnen“
Die Grazer Autorin Andrea Stift über ihren Roman „auf watte“, den sie vom Markt nehmen musste, die Mutter-Rolle und den Egosimus.
Sie sind nun seit zehn Jahren hauptberuflich Autorin. Was macht eine gute Schriftstellerin aus? Haben Sie ein Rezept?
Man braucht Durchhaltevermögen, muss mit Kritik gut umgehen können und auch mit Misserfolgen. Man muss eine gewisse Resistenz entwickeln.
Wenn Sie einen Text schreiben: Sind Sie Ihrer Sache sicher oder ist es immer ein kleines Wagnis?
Die Herausforderung für mich ist immer, etwas Neues zu machen, ich schreibe nicht nach einem 08/15-Muster. Ich möchte die Leser immer ein bisschen überraschen!
Ihr aktueller Roman „auf watte“ ist eine relativ autobiografische Erzählung…
Ja, aber der ist nun gesperrt, weil ich aufgrund einer Persönlichkeitsverletzung geklagt wurde. Das ist mir noch nie passiert! Eine Person hat sich gezeichnet gefühlt – ob das stimmt, möchte ich offen lassen … Das Buch war jedenfalls einen Monat am Markt, dann mussten wir es zurückrufen.
Das heißt, es ist nicht mehr erhältlich?
In dieser Form nicht. Jene Bücher, die wir nicht zurückbekommen, sind vielleicht einmal besonders gefragt … (lacht). Vielleicht gibt es aber eine neue Version, in der ich die betreffenden Textstellen ändere, das muss ich noch mit meinem Verlag klären.
Im April erscheint das Buch „Franziskus unser“ über den Papst, das Sie herausgeben. Was interessiert Sie am Papst?
Ich bin nicht religiös, aber Religion kann Menschen Halt geben. Der Papst bezieht Stellung zu wichtigen Themen: vom Umweltschutz bis zur Marktwirtschaft. Ich finde, er ist einer der besten für diese Position. Für das Buch habe ich Autoren um ihre Meinung zum Papst gebeten. Es bietet ein breites Spektrum an Positionen.
Ihr thematischer Fokus als Autorin?
Vielleicht: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. In meinen Texten kommen oft egoistische Menschen vor. Viele Leute sind einfach sehr Ich-bezgogen.
Das klingt resignierend.
Naja, die Menschen sind mit Worten meistens sozialer als in ihren Taten.
Glauben Sie, dass man als Schriftsteller etwas verändern kann?
Ja, ich glaube schon, dass Literatur den Menschen die
Augen öffnen kann.
Wer hat Sie als Autorin beeinflusst?
Als Autor Stephen King, er hat zum Beispiel sehr gute innere Monologe. Was die Lebenseinstellung betrifft: Alfred Kolleritsch.
Sie waren einige Jahre in der Redaktion der „Manuskripte“. Wie hat Sie Kolleritsch geprägt?
Er hat eine unglaubliche Offenheit für Neues, dabei ist er bald 84 Jahre alt. Diese Aufgeschlossenheit möchte ich mir abschauen!
Sie haben Germanistik und Sprachwissenschaft studiert. Hatten Sie einen „Lebensplan“?
Ich war unentschlossen und wurde mit 18 Jahren schwanger. Nebenbei habe ich studiert, geschrieben habe ich immer.
Wie hat Sie das Mutter-Sein verändert?
Es hat mich geerdet. Kinder geben ja einen Tagesrhythmus vor (lacht). Mein zweiter Sohn hat eine Behinderung. Das ist eine zusätzliche Aufgabe, er ist so liebenswert, man muss vieles zusätzlich machen, wie Therapien. Leider gibt es nun ja Einsparungen im Sozialbereich, die man zu spüren bekommt. Mein Sohn braucht etwa Reittherapie, die wir nun selber finanzieren müssen.
Das Leben als selbstständige Autorin und Mutter lässt sich gut vereinbaren?
Ja, da gibt es Freiheiten – das ist ein Luxus für mich. Dafür gibt es auch vieles, was ich nicht brauche: ich habe kein Auto, keine Villa am Rosenberg … (lacht). Mein Lebensgefährte unterstützt mich jedenfalls sehr.
Ist der Feminismus ein Thema für Sie?
Meine Figur in „Klimmen“ leidet unter einem Machotum, aber ich selbst habe diese Erfahrungen nicht gemacht. Die Männer in meinem Umkreis kümmern sich um Kinder, Haushalt, ...Aber solange die Neujahrskonzerte nicht von einer Frau dirigiert werden, sollte man die Gleichberechtigung schon thematisieren!
STECKBRIEF
- geb. 1976 in der Südsteiermark
- lebt als Schriftstellerin in Graz
- Werke: u. a. „Reben“, „Klimmen“, „Elfriede Jelinek spielt Gameboy“, „Wilfert und der Schatten des Klapotetz“
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