Vor Gericht: Pflegekraftvermittler habe seine Kunden abgezockt
Ein Pflegekraftvermittler habe hohe Provisionen verlangt – teilweise das Doppelte des üblichen Geldes.
BEZIRK AMSTETTEN. Heftige Vorwürfe machte der St. Pöltner Staatsanwalt Leopold Bien dem Verantwortlichen eines Vereins, der die Zwangslage und Unerfahrenheit von Personen, die dringend eine Betreuungskraft benötigten, ausgenutzt und sie ausgebeutet habe. Selten, so Bien, käme es zur Anklage wegen Sachwuchers, wobei er sich auf Provisionen des 40-Jährigen aus dem Mostviertel bezog, deren Höhe im Vergleich mit ähnlichen Agenturen nahezu das Doppelte ausmachten, wobei fraglich sei, ob den Provisionen entsprechende Leistungen gegenüberstehen.
Bekennt sich nicht schuldig
Im Prozess bekannte sich der Mostviertler, der mit seiner rumänischen Ex-Frau den Verein gegründet hatte, nicht schuldig und wie Verteidiger Thomas Penzl erklärte, käme die 24-Stunden-Betreuung der Kunden seines Mandanten vergleichsweise insgesamt günstiger.
Mehr als üblich
Zu den Zahlen führte Bien aus, dass der Vermittler pro betreuter Person und pro Monat 650 Euro an Provision einbehielt, üblich seien jedoch maximal 350 Euro. Die günstigeren Gesamtkosten ergeben sich daraus, dass die Pflegekräfte, die überwiegend aus Rumänien stammten, entsprechend geringer entlohnt werden, was der Angeklagte bestätigte. Einen Sachverständigen auf Insiderwissen befragt, gab dieser an, dass seinen Informationen nach die Pflegekräfte auch nicht immer so viel bekämen, wie offiziell angegeben. Daraus schloss Bien, dass die Agenturen nicht nur von den Kunden, sondern auch von den Pflegerinnen Geld bekommen. Als Zeugen, so der Sachverständige, würden diese aufgrund der Angst um ihren Arbeitsplatzverlust jedoch nicht aussagen. Es gebe keine Normierung, keine Transparenz, was hinter den einzelnen Terminologien angeboten wird, und die rund 600 bis 800 Agenturen in Österreich seien mit ihren Auskünften sehr zurückhaltend. Die Gesamtkosten seien beim Verein des Beschuldigten jedenfalls nicht über dem Durchschnitt.
Die Leistungen
Zu seinen Leistungen befragt, erklärte der 40-Jährige, der eigentlich in einem handwerklichen Beruf tätig ist, dass er die Pflegerinnen empfängt, über ihre Aufgaben informiert, sie aber auch im Zusammenhang mit Notfallmaßnahmen und sexueller Belästigungen schult. Darüber hinaus kontrolliere er aber auch immer wieder vor Ort. „Ich schaue einfach, dass es allen gut geht!“
Hohe Provisionen flossen
Dem widersprechen Betroffene, deren Rechtsvertreter Bruno Bernreitner erklärte, dass Provisionen auch in Höhe von 1.000 Euro geflossen seien und sich der Vermittler, wenn überhaupt, dann nur zum Abholen des Geldes, manchmal auch mit Nachdruck, vor Ort gezeigt habe. Wie Staatsanwalt Bien akzeptierte er den Freispruch des Richters nicht, zumal noch weitere Betroffene ihn um Hilfe gebeten hätten. „Es werden nicht die Betreuten, sondern die Pflegerinnen ausgebeutet“, begründete der Richter, der die gesamte Branche als äußerst unseriös bezeichnete. Von Sachwucher könne er jedoch nicht ausgehen.
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