Krisenpflegeeltern
„Wir sind für diese Kinder die Feuerwehr!“

Familie Gerl aus Lochen am See mit den beiden Pflegekindern Elias und Sarah (jeweils im Arm). | Foto: Ebner
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Bei Familie Gerl in Lochen am See finden Kinder aus schwierigen Verhältnissen einen sicheren Hafen.

LOCHEN AM SEE (ebba). „Wir sind beide sehr behütet aufgewachsen. Somit sehen wir das Ganze als Berufung und als Chance, etwas zurückzugeben“, sagt Dominik Gerl. Er und seine Frau Julie sind Krisenpflegeeltern. Mit ihren vier eigenen Kindern, im Alter zwischen sechs und elf Jahren, leben sie seit einigen Jahren in Lochen am See. Sie sind die derzeit einzige Krisenpflegefamilie im Bezirk Braunau. „Zweieinhalb Jahre machen wir das jetzt und haben bislang für vier Kinder die ‘Feuerwehr‘ gespielt.“

Im Gegensatz zu Pflegeeltern, die Kinder auf Dauer in den eigenen Familienverband aufnehmen, sind Krisenpflegeeltern zur Stelle, wenn für Kinder aus schwierigen Verhältnissen schnell ein sicherer Platz benötigt wird. „Das jeweilige Kind bleibt dann zwischen einem halben bis maximal einem Jahr bei uns. Nicht länger. Denn es soll verhindert werden, dass sich das Kind zu sehr an die Übergangsfamilie gewöhnt“, erklärt Julie Gerl.

Die 37-Jährige ist als Krisenpflegemutter bei „Plan B OÖ“ angestellt. Sie bekommt entsprechend Gehalt und kann Familienbeihilfe beziehen. „Ich bin in Teilzeit angestellt – für einen Rund-um-die-Uhr-Job eigentlich. Als vierfache Mutter wollte ich einem Beruf nachgehen, der es mir erlaubt, möglichst viel zuhause bei meinen Kindern zu sein“, erzählt die gelernte Krankenschwester.

Ihr Mann Dominik Gerl ist Volksschullehrer und unterstützt seine Frau zu hundert Prozent. Genauso wie ihre vier leiblichen Kids. „Wir sind sehr dankbar, dass unsere Kinder das so gut mittragen. Natürlich besprechen wir es immer in der Familie, bevor wir ein Kind aufnehmen. Es muss für alle passen.“ Dankbar sind die Gerls auch der Gemeinde Lochen am See, „weil hier die Zusammenarbeit so prima funktioniert. Man muss ja immer auch behördlich viel regeln und die Kinder anmelden. Wir wissen von anderen oö. Krisenpflegeeltern, dass das nicht immer so unproblematisch abläuft“, betont Julie Gerl.

Pflege und Erziehung auf Zeit

Krisenpflegeeltern werden auf den Plan gerufen, wenn es in Familien zur Vernachlässigung von Kindern kommt, oft auch bei Drogenproblemen der leiblichen Eltern oder wenn Erziehungsunfähigkeit festgestellt wird. „Es ist dann unsere Aufgabe, vorübergehend die Pflege und Erziehung des Kindes zu übernehmen. Wir können sie formen, bis sie ein dauerhaftes Zuhause finden. Das Kind darf einmal in der Woche seine Eltern oder ein Elternteil in einem geschützten Raum von „Plan B“ treffen. In 85 Prozent der Fälle ist es aber so, dass die Kinder nicht mehr zurück zu ihren leiblichen Eltern kommen“, weiß Julie Gerl. Die Kinder werden weitervermittelt. Es folgen dann Treffen zur Annäherung mit den künftigen Pflegeeltern, die sich bereit erklären, das Kind dauerhaft bei sich aufzunehmen.

Elias wird bleiben

Aktuell befinden sich zwei Pflegekinder bei den Gerls. Der eineinhalbjährige Elias*, der – wie seine leibliche Mutter – mit einem Gendefekt auf die Welt kam, wird ausnahmsweise doch dauerhaft bei den Gerls bleiben. „Es war nicht möglich, ihn seiner Mutter zurückzugeben. Wir haben uns dann gemeinsam dazu entschlossen, dass er in unserer Familie bleiben soll“, sagt Julie Gerl.

Julie Gerl: „Am Anfang befindet man sich als Familie immer im Krisenmodus. Man weiß noch nicht, was auf einen zukommt und muss sich erst auf das Kind einstellen. Und am Ende – ist es auch wieder schön, einfach Kernfamilie zu sein.“

Dominik und Julie Gerl aus Lochen am See mit ihren vier eigenen Kindern. | Foto: Gerl
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Bevor man als Krisenpflegefamilie anerkannt wird, muss man sich einem strengen Auswahlverfahren unterziehen. „Die eigene Psyche, das Leben und die Kindheit werden durchleuchtet. Man muss eine dreimonatige Ausbildung machen und bekommt Hausbesuche. Ganz ganz wichtig ist auch, dass sich die eigenen Kinder damit wohlfühlen und dafür eignen“, betont Julie Gerl.

Jedes Kind, das man aufnimmt, ist anders und so manches ist eine Herausforderung. „Ich muss zugeben, dass es nicht immer einfach ist, vor allem mit verhaltensauffälligen Kindern. Das kann für die Kernfamilie schon zur Belastung werden. Auf der anderen Seite fällt es oft schwer, sich von einem Pflegekind wieder verabschieden zu müssen. Rückführungen zu den leiblichen Eltern sind für mich persönlich schlimm, da man weiß, warum ihnen das Kind ursprünglich abgenommen wurde.“

Für Sarah ist eine Familie gefunden

Als Krisenpflegemutter verfasst Julie Gerl monatliche Berichte über die Entwicklung der Kinder. Diese sollen auch der künftigen Familie helfen, „einordnen zu können, was auf sie zukommt.“ Aktuell befindet sich neben Elias auch noch die dreijährige Sarah* bei den Gerls. „Ende des Monats wird sie in eine neue Familie aufgenommen. Sarah ist nicht einfach. Aber ihre neue Familie weiß das und traut es sich zu, sie großzuziehen.“

„Damit ein Kind in Oberösterreich seiner Familie überhaupt erst weggenommen wird, muss sehr viel passiert sein“, betont Dominik Gerl. Die Kinder im Alter von null bis vier bzw. maximal sechs Jahren können in Krisenpflegefamilien aufgenommen werden, ältere Kinder kommen in der Regel in stationäre Einrichtungen. Neben Plan B gibt es noch die „Soziale Initiative“, die ebenfalls ein Krisenpflege-Modell anbietet.

Krisenpflegeeltern und Pflegeeltern werden in OÖ und darüber hinaus immer gesucht. Bei Interesse: Plan B, Soziale Initiative.

* Die Namen der Kinder wurden geändert.

Familie Gerl aus Lochen am See mit den beiden Pflegekindern Elias und Sarah (jeweils im Arm). | Foto: Ebner
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