Portrait
Werner Muchitsch – Fliegen als Lebenselexier
Wenn in den 1950er Jahren ein Flugzeug am Himmel auftauchte, verharrte Werner Muchitsch und konnte die Augen nicht vom Himmel nehmen. Schon mit fünf Jahren verkündete der kleine Junge mit dem Brustton der Überzeugung: „Ich werde einmal ein Flugzeug fliegen!“. Damals wurde er noch von allen belächelt. Seine Eltern dachten, als er dann mit ungefähr acht Jahren die Leidenschaft für die Modellfliegerei entwickelte, dass dies damit erledigt und vom Tisch sei. Nicht bedacht hatten die Eltern, dass der Modellflugplatz gleich neben dem Segelflugplatz lag. Werner baute seine Flugzeuge, perfektionierte die Flüge, tüftelte an der Bauweise, dennoch waren die Augen und auch schon das Herz bei den Segelflugzeugen nebenan. Die majestätischen, großen, eleganten, schier lautlosen Schönheiten ließen jedes Mal sein Herz höher schlagen. Als Werner ca. 15 Jahre alt war, bot sein Modellflugzeug-Hangar bereits vier Maschinen Platz. Der Traum des Selberfliegens war lebendiger denn je, jedoch schien dieser aber auch unerfüllbar. Selber verfügte er über eine Lehrlingsentschädigung in Höhe von ATS 300,--, der Vater Alleinverdiener, musste für die Familie sorgen. „Ich wäre gar nie auf die Idee gekommen, meine Eltern um das Geld oder auch nur um einen Teil des Geldes für den Segelschein zu bitten. Es war mit rund ATS 2.000,-- zu rechnen“, erzählt der mittlerweile 72-Jährige.
Fügung des Schicksals
Eines Tages spazierte jedoch einer von Werners Helden – ein Segelflieger – zum Modellflugplatz und bewunderte die Modelle des 15-jährigen Werners. „Was willst denn dafür haben?“, kam als Frage so überraschend, dass Werner gar nicht nachdachte, als er für alles zusammen ATS 2.000,-- verlangte – und bekam!
Zu Hause teilte er den Eltern mit, dass er nun den Segelschein machen werde und dass er durch das Modellfliegen die Kosten abgedeckt hatte. So stolz der Vater auf die Zielorientiertheit des Sohns war, so ängstlich war die Mutter, die ihm immer wieder sagte, dass Menschen in der Luft nichts zu suchen hätten. Doch Werner war nicht mehr aufzuhalten.
Flugerfahrung rettet Leben
Dennoch hätten sich 2014 die Ängste der Mutter beinah bewahrheitet: In der Slowakei kam es zu einem folgenschweren Unfall. Muchitsch crashte frontal mit einem Fliegerkollegen zusammen. Trotz des schweren Unfalls, der massive Schäden an beiden Maschinen verursachte, konnten beide Piloten die Flugzeuge landen und blieben aufgrund der jahrelangen Erfahrung nahezu unverletzt. „Ich wollte die Fliegerei beenden, die Situation war tatsächlich lebensbedrohlich! 14 Tage später war ich schon wieder in der Luft, es geht einfach nicht ohne diese Leidenschaft.“
Rück- und Ausblick
Heute, 2020, blickt Werner Muchitsch nun auf 56 Jahre Flugerfahrung mit 270.000 km im Streckenflug und 5.300 Flugstunden zurück. „Österreich kenn ich nach all den Jahren in- und auswendig“, lächelt der smarte Pilot. „Am wunderschönen Alpenbogen von Wiener Neustadt bis Monte Carlo fehlt mir noch ein Stückchen von 100 km.“
Um diese Erfahrung zu erlangen, muss man bereit sein, ein fliegerisches Puzzle zu bauen. Das Fliegen nur über dem heimatlichen Flugplatz ist dazu zu wenig, die Bereitschaft, ständig zu lernen, im wahrsten Sinn des Wortes den Horizont zu erweitern, ist unumgänglich. Deshalb sieht sich Werner Muchitsch heute als Mentor in der Nachwuchsförderung., steht Flugschülern als auch Jungpiloten mit seiner Erfahrung und seinem Know-How zur Verfügung.
Heute ist der Wahl-Grazer fliegerisch beim KSV Kapfenberg, Sektion Segelflug hauptsächlich in Turnau zu finden. „Ein Segelflugzeug fliegen zu dürfen ist ein unglaubliches Privileg. Doch wider Erwarten bei weitem nicht so kostenintensiv wie viele glauben“, lässt Werner Muchitsch aufhorchen. Je nach Talent und verfügbarer Freizeit kostet der Flugschein aktuell zwischen 2.500 und 3.500 Euro und dauert zwischen sechs und 12 Monaten.
Fliegen ist viel mehr als ein Hobby, es ist eine Passion. Der Pilot aus Leidenschaft bezeichnet die Segelflieger als „eigene Rasse, die vernarrt und besessen“ sind, „jedoch kann man das Gefühl, wenn sich ein Felsmassiv vor einem auftut und man atemlos von der unbeschreiblichen Schönheit der Natur ist und man die Tränen nicht zurückhalten kann, nicht beschreiben.“
Gastflug im Segelflugzeug
Wer dieses Gefühl am eigenen Leib erleben will, muss sich nicht gleich zum Segelschein anmelden. Es besteht die Möglichkeit über den KSV (http://www.ksv-segelflug.at/) einen Schnupperflug zu reservieren. Die Flugsaison mit der besten Thermik ist in den Monaten April bis Oktober. Ob man danach je wieder der/die Alte sein wird, wird sich zeigen. Bereits Leonardo da Vinci sagte schließlich einst: „Wer einmal das Fliegen erlebt hat, der wird auf Erden stets mit zum Himmel gewandten Augen einhergehen; denn dort wird er mit seinen Gedanken immer sein.“
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