Tischgespräch Brucker Wohnbau
Ein Plädoyer für gemeinnützigen Wohnbau
Erst der gemeinnützige Wohnbau macht es möglich, dass Wohnraum überhaupt noch leistbar ist. Mit dieser Kernaussage bricht Helmut Krammer als Obmann der Brucker Wohnbau eine Lanze für den gemeinnützigen Wohnbau.
BRUCK/MUR. Die Brucker Wohnbau- und Siedlungsvereinigung wurde als Genossenschaft im Jahr 1951 gegründet. "Schon im Jahre 1952 wurden von uns die ersten Wohnhäuser in der Siedlung Westend in Bruck errichtet. Es war die Zeit des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg", erzählt Obmann Helmut Krammer, der zusammen mit Michael Ussar und Heinz Karelly den Vorstand der Brucker Wohnbau bildet. In den nächsten Jahren folgten zahlreiche Wohnbauten und bis Ende 1961 entstanden in Bruck so 202 Wohneinheiten.
"Es war auch die Zeit, als Gemeinden begonnen haben, selbst Wohnungen zu bauen. Wir haben nicht nur als Bauträger Wohnungen gebaut, sondern haben auch begonnen, Wohnungen zu verwalten – so zum Beispiel die Gemeindewohnungen der Stadt Bruck", erklärt Helmut Krammer das Geschäftsmodell der Brucker Wohnbau. "Ich war und bin ein Verfechter der Gemeinnützigkeit. Deutschland hat den gemeinnützigen Wohnbau aufgegeben, beginnt jetzt aber schon zurückzurudern. Bei der Gemeinnützigkeit ist Österreich ein europäischer Musterschüler", sagt Krammer. Wir arbeiten nach dem Kostendeckungsprinzip, damit bleiben die Wohnungen leistbar. Alle gemeinnützigen Wohnbauträger agieren so als Dämpfer am Wohnungsmarkt."
Anerkennungspreis für Holzbau
Von Anfang an war das genossenschaftliche Ziel die Errichtung und Verwaltung von Wohnraum für die Mitglieder. Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit standen dabei genauso im Mittelpunkt wie Wohnqualität, zeitgemäße Architektur und städtebauliche Aspekte. Dieses Wirken wurde heuer auch mit dem Holzbaupreis des Landes Steiermark gewürdigt. Einen Anerkennungspreis gab es für das Projekt "Wohnen am Roseggerweg in Kindberg".
Und wie ist der Spagat von top-ausgestatteten Wohnungen zu vernünftigen Preisen machbar? "Es ist besonders in der heutigen Zeit sehr herausfordernd, die momentane Zinspolitik trifft uns massiv", so Helmut Krammer, der ergänzt: "Ein Prozent mehr Zinsen bedeutet ein Euro pro Quadratmeter mehr an Miete. Sinken die Zinsen, werden auch die Mieten wieder sinken."
Lag man vor der Zinserhöhung und der Teuerungswelle bei den Mieten noch zwischen 3 Euro bis 3,5 Euro pro Quadratmeter, so liegt man jetzt bei 4 bis 4,5 Euro. "Wobei wir versuchen, diesen Zinssprung durch Förderungen abzufangen. Wichtig ist uns eine kontinuierliche Mietpreisentwicklung, sprunghafte Anstiege vermeiden wir", so der Obmann, der bald schon 30 Jahre an vorderster Front der Brucker Wohnbau steht.
"Ein Prozent mehr Zinsen bedeutet ein Euro pro Quadratmeter mehr an Miete. Sinken die Zinsen, werden auch die Mieten wieder sinken."
Helmut Krammer, Obmann Brucker Wohnbau
Qualität macht den Preis
Zurück zum leistbaren Wohnen. "Die Qualität macht den Preis. Der Standard der Wohnungen wird immer höher, beispielsweise Barrierefreiheit oder Klimaanlage. Das kostet Geld und treibt den Preis nach oben", erklärt Krammer. Als Faustregel gilt: Alle Kosten eingerechnet bekommt man heute Wohnungen um 10 Euro pro Quadratmeter. Das heißt: 700 Euro für eine 70 Quadratmeter-Wohnung. "70 Quadratmeter um 400 Euro sind heutzutage unrealistisch."
Wobei Krammer hinzufügt: "Es gibt Wohnungen mit 50 Quadratmeter, die nicht mehr modernster Standard sind. Diese Wohnungen sind ganz sicher nicht schäbig, aber sie sind faktisch nicht zu vermieten – das ist klassischer Leerstand."
Lösungen zum Leerstand?
Leerstand ist ein Reizwort für Helmut Krammer. Der Brucker Gemeinderat hat entschieden, der Brucker Wohnbau die Verwaltung der Gemeindewohnungen zu entziehen und die Verwaltung neu auszuschreiben. Den Zuschlag hat die Siedlungsgenossenschaft Ennstal bekommen. Hauptkritikpunkt war: der Leerstand sei zu hoch. "Natürlich hat uns dieser Beschluss geschmerzt, da wir immer stark mit der Stadtgemeinde verbunden waren. Die Bürgermeister waren stets auch in den Gremien der Brucker Wohnbau vertreten, wobei die Stadt nie an der Brucker Wohnbau beteiligt war", so Heribert Krammer.
Mit Leerstand hat auch die Brucker Wohnbau selbst zu kämpfen. Laut Krammer gibt es dazu drei Lösungsmöglichkeiten: Die Häuser massiv sanieren, nicht förderungswürdige Häuser zu verkaufen und den Vergabeprozess deutlich verkürzen. "Wir setzen das in unserem Haus so um, diese Empfehlung gab es auch an die Stadt Bruck, umgesetzt wurden sie jedoch nie."
"Smart City" in Bruck
Mittlerweile beschränkt sich die Brucker Wohnbau längst nicht mehr auf Bruck. "Der nächste Bauabschnitt am Riverside-Projekt in Kapfenberg wird umgesetzt, wir haben den Auftrag für den Neubau der Rotkreuz-Ortsstelle Kapfenberg erhalten und wir setzen Projekte in Gralla und Leibnitz um."
Auf ein Projekt freut sich Krammer besonders: "Im Bereich des Brucker Bahnhofs haben wir zwei Gebäude geplant, einen achtgeschoßigen Holzbau mit 50 Wohnungen sowie das Smart-City-Projekt, ebenfalls ein Holz-Beton-Hybrid-Bau". Zirka 80 Prozent der Bauten werden mit Holz gebaut, zumal Holz jetzt wieder billiger ist als Beton oder Ziegel.
Lage, Lage, Lage
Rund 350 Wohnungen hat die Brucker Wohnbau derzeit "in der Pipeline", rund 200 davon sind umsetzungsreif. "Manche Projekte, wie das betreute Wohnen in Spital am Semmering lassen sich derzeit nicht umsetzen, da liegen wir mit den Baukosten zwischen 2.900 und 3.000 Euro pro Quadratmeter. Da heißt es darauf zu warten, dass sich die Kosten bei rund 2.500 Euro einpendeln."
Große Hoffnungen setzt man auch im Bereich des Wohnbaus auf den Semmeringbasistunnel. Laut Krammer spürt man jetzt schon, dass die Grundstückspreise im Raum Mürzzuschlag leicht nach oben gehen. "Wir als Brucker Wohnbau haben uns schon Grundstücke gesichert. Wir bereiten uns vor."
Definition Gemeinnützigkeit
“Gemeinnützig” ist, was der Gemeinschaft nützt. Wesen und Selbstverständnis der gemeinnützigen Bauvereinigungen Österreichs (GBV) sind damit im Kern bereits umrissen. Die Gemeinnützigen sehen sich als moderne Wirtschaftsunternehmen in einem freien Markt und ihre Aufgabe vorrangig in der Versorgung (Bauen, Sanieren und Verwalten) breiter Bevölkerungsschichten mit Wohnungen.
Gewerbliche Wirtschaftsunternehmen wollen durch Gewinn-Maximierung ihren Eigentümern nützen. Bei Gemeinnützigen hingegen steht der Nutzen der Gemeinschaft an erster Stelle. Diese Prioritätensetzung ist sogar in einem speziellen Bundesgesetz, dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) explizit festgelegt. Denn jede gemeinnützige Bauvereinigung unterliegt - im Unterschied zu gewerblichen Bauträgern - dem WGG. Demnach dürfen GBV nur beschränkt Gewinne machen und müssen diese Gewinne auch wieder in Wohnbaumaßnahmen im Inland investieren. Im Unterschied zu gewerblichen Bauträgern, die Gewinne aus der Bautätigkeit oder aus Mieteinnahmen beliebig verwenden können.
Zur Brucker Wohnbau:
Die Brucker Wohnbau ist eine gemeinnützige Genossenschaft. Die „gemeinnützige ZUWO Zufrieden Wohnen GmbH“ ist – wie der Name es sagt – auch gemeinnützig und eine Tochtergesellschaft der Brucker Wohnbau. Des Weiteren ist die „Brucker Wohn- und Kommunalbau GmbH“ auch eine Tochtergesellschaft der Brucker Wohnbau. Die Geschäftsleitung aller Unternehmen ist ident, das heißt der Vorstand der Brucker Wohnbau ist auch die Geschäftsführung der beiden GmbHs.
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