Als die "Kriegsglocken" ihren Platz fanden
Der Kapfenberger Richard Pflanzl fand eine 100 Jahre alte Festbroschüre über die "Kriegsglockenweihe" am 15. August 1917 in Kapfenberg.
„Mein Großvater Karl Pflanzl, der 1892 in Kapfenberg geboren wurde, unter anderem Portier bei Böhler war und in den 1960er-Jahren verstarb, hat viele Dinge aufbewahrt. Da noch vieles davon vorhanden ist, sichte ich hin und wieder diese Sachen und dabei habe ich kürzlich etwas ganz Besonderes in einer alten Aktentasche gefunden“, erzählt Richard Pflanzl. Und zwar ein genau 100 Jahre altes Fotoalbum, das die „Kriegsglockenweihe“ am 15. August 1917 bei der Pfarrkirche Kapfenberg-St. Oswald dokumentiert.
Festlich geschmückt
„Das Album hat zehn Seiten, wer der Fotograf dieser Bilder ist, lässt sich leider nicht mehr eruieren. Die Bilder zeigen, wie die vier neu gegossenen Kriegsglocken zum Einsatz am Glockenturm übergeben werden. Festlich geschmückt wurden die Glocken aus Gussstahl von der ehemaligen Böhlervilla mit Pferdewagen zur Stadtpfarrkirche gezogen. Nach priesterlicher Segnung vor Hunderten von Besuchern wurden sie unter Jubel der Bevölkerung auf den Glockenturm hochgezogen“, beschreibt der 72-jährige Kapfenberger, der sich über den Hintergrund der „Kriegsglocken“ informiert hat. „Der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 hielt natürlich auch Österreich in seinem Bann. Obwohl die Technologie noch weit vom Standard und den Kosten der heutigen Kriegsführung entfernt war, musste das Heer auf Kosten der Bevölkerung versorgt werden. Eine Kostenbeteiligung wurde auch den Gemeinden und den dazugehörigen Kirchen auferlegt, indem diese ihre mit Bronze oder Messing legierten Kirchenglocken bereitstellen mussten“, erklärt Pflanzl.
Glocken für die Rüstungsindustrie
Diese Materialien wurden für die Rüstungsindustrie dringend benötigt. „Rund 65.000 Glocken wurden im ersten Weltkrieg in Österreich gesammelt und hauptsächlich über den 'Glockenfriedhof' in Wien nach Hamburg zur Einschmelze geliefert. Dafür erhielt die Kirche für Glocken über 650 Kilogramm meist tausend Reichsmark und zusätzlich noch zwei Reichsmark pro Kilogramm vergütet“, so Pflanzl.
Um die Kirchen nicht „tonlos“ zurückzulassen, wurden vielerorts „Kriegsglocken“ aus Gussstahl gegossen, so auch in Kapfenberg. Die Glocken, die auf den Bildern zu sehen sind, waren die ersten, die von Böhler hergestellt wurden.
Übergabe an die Stadtpfarrkirche
„Trotz der Kriegswirren fand die Katholische Kirche in Kapfenberg Zeit, einen Festtag zu feiern“, sagt der 72-Jährige anerkennend.
Um das wertvolle Zeitdokument seines Großvaters zu erhalten und sicher verwahrt zu wissen, übergab er das Album kürzlich an die Pfarrkiche St. Oswald in Kapfenberg, wo es Stadtpfarrer Giovanni Prietl voller Freude entgegennahm.
Neue Glocken
"Diese Glocken, die man im Album sieht, hingen nur einige Jahre im Glockenturm der Pfarrkirche St. Oswald. Von 1921 bis 1923 sind sie durch neue der Firma Böhler ersetzt worden, die bis heute in unserem Glockenturm hängen", weiß Herta Fladl, Pfarrsektretärin und Kirchenführerin.
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