Kapfenberg Spezial: 100 Jahre Stadt Kapfenberg
Der öffentliche Verkehr fest in der Hand der MVG

Die Modelle der Busse änderten sich immer wieder, angepasst an die jeweilige Zeit. | Foto: MVG/Archiv
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In einer Stadt wie Kapfenberg, in der die Industrie eine zentrale Rolle spielt, bekommt auch das Thema Verkehr, und insbesondere der öffentliche Verkehr, eine besondere Bedeutung. Dabei war die Mürztaler Verkehrsgesellschaft (MVG) seit Jahrzehnten beispielhaft.

KAPFENBERG. Die Stahlindustrie und hier vor allem die Firma Böhler hat die Entwicklung der Stadt Kapfenberg entscheidend mitgeprägt. Eigene Wohnsiedlungen wurden für die Belegschaft meist in unmittelbarer Nähe zu den Werken errichtet, damit entstand ein reges Verkehrsbedürfnis. Seit 1926 betrieb daher die "Brucker Autobus-Verkehrsgesellschaft m.b.H." (BAVG)  eine Autobuslinie  von Bruck nach Kapfenberg und weiter zu den Böhlerwerken, bzw. über die Wohnsiedlung Schirmitzbühel nach Kindberg.

Beim Anlagenbau für die Obus-Anlage. | Foto: MVG/Archiv
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Angeboten wurde schon damals ein durchwegs 30-Minuten- Intervall. Doch schon bald nach Kriegsbeginn konnte diese Linie den durch Rüstungsaufgaben stark angestiegenen Verkehr nur mehr mit Mühe bewältigen und so begann man um das Jahr 1940, ein elektrisches Nebenbahnnetz für das untere Mürztal zu planen. Es kam jedoch anders: Kriegsbedingter Materialmangel ließ das Projekt nicht über das Planungsstadium hinauskommen. Dem Trend der Zeit entsprechend wurde daher an eine Obusanlage gedacht, wie etwa in Salzburg und Graz.

Obus-Netz beschlossen

Im November 1941 fand in Kapfenberg daher eine Interessentenbesprechung statt und am 11. Dezember 1941 lag ein von den Grazer Verkehrsbetrieben ausgearbeitetes Gutachten vor. Die damalige Planung umfasste im Wesentlichen das heute bestehende Netz, nämlich die Hauptlinie von Bruck über Kapfenberg zum Schirmitzbühel, mit Seitenstrecken nach Redfeld und zum Böhlerwerk VI. Wie dringend damals die Errichtung einer Obusanlage eingeschätzt wurde ist daran zu erkennen, dass noch vor einer Firmengründung die Bestellung für 15 Obusse und zehn Anhänger aufgegeben wurde. Am 1. Jänner 1943 erging an die Firma Brown-Boveri der Trassierungsauftrag und am 8. Jänner 1943 wurden 850 Holzmasten bestellt. 

Der Autobusverkehr unterlag ab 1943 jedoch drastischen Einschränkungen durch Treibstoffmangel. So wurde vorerst das Intervall auf 60 Minuten verlängert, dann musste der Verkehr aber leider zeitweise komplett eingestellt werden. Und ab Dezember 1943 konnten nur mehr die nötigsten Fahrten im Berufsverkehrs durchgeführt werden – bis 3. Juni 1944, danach musste die BAVG als einziges Unternehmen der Steiermark den Verkehr einstellen.

Die Linie nach Redfeld hier auf einem Archivbild. | Foto: MVG/Archiv
  • Die Linie nach Redfeld hier auf einem Archivbild.
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In Kapfenberg entwickelte sich die Geschichte aber anders: Zur Errichtung einer Obusanlage wurde am 23. April 1943 die "Mürztaler Verkehrsgesellschaft m.b.H." (MVG) gegründet, die die zeitbedingt sehr schwierigen Vorarbeiten für den neuen Verkehrsbetrieb weiterführte. Am 1. Juli wurden dann auch alle Anteile der BAVG erworben, womit die MVG für den gesamten Nahverkehr im unteren Mürztal zuständig war. Mit der BAVG wurden damals sieben Autobusse und zwei Anhänger übernommen. In den daruffolgenden Monaten wurde der Ausbau der Obusanlage vorangetrieben. Nach Beschaffung von wenigstens vier Obussen und vor allem Reifen konnte am 20. Oktober 1944 der fahrplanmäßige Obusverkehr Kapfenberg-Werk VI aufgenommen werden. Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten war ab 11. Februar 1945 die Ausdehnung des Betriebes bis Bruck, Koloman Wallisch-Platz, möglich.

Stetige Entwicklung

Die Strecke zum Schirmitzbühel konnte fahrleitungsmäßig nur teilweise fertiggestellt werden, 1945 kam es insgesamt zu schweren Beschädigungen der gesamten Anlage durch Bombenangriffe. Der rudimentäre Restbetrieb endete am 9. April 1945 beim Einmarsch der Roten Armee in Bruck und Kapfenberg.

Nach schwierigen Wiederherstellungsarbeiten konnte der Betrieb zwischen Bruck und Werk VI ab 29. Oktober 1945 wieder aufgenommen werden; in den Jahren danach erfolgten Reparaturen sowie der weitere Ausbau der Anlage.

Die Wendeschleife am Europaplatz mit dem legendärten "Obus-Bufett". | Foto: MVG/Archiv
  • Die Wendeschleife am Europaplatz mit dem legendärten "Obus-Bufett".
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In den 50er-Jahren folgte der zweispurige Ausbau, womit ein flexiblerer Betrieb möglich wurde. Lange Zeit wurden die Busse von Schaffnern begleitet, 1959 wurde das eingestellt; 1968 wurden Fahrscheinstempeln angeschafft, ab 1969 kamen Fahrkartenausgabegeräte zum Einsatz.

Viel wurde in den nächsten Jahrzehnten aus- und umgebaut, Streckenführungen verändert und im Jahr 1996 wurden Liniennummern eingeführt. Im Jahr 2002 erwarb die MVG die Obersteirische Kraftwagen-Verkehrs-Gesellschaft (OKVG) und 2005 wurden die Postbus-Linien, welche rund um Mariazell verkehrten, von der ÖBB-Postbus GmbH übernommen und nun als MVG-Regional-Busbetrieb GmbH geführt. Eine weitere Tochter der MVG war die Firma MVG Spanner Reisen GmbH, welche am 1. Januar 2007 gegründet wurde. Aus Gründen des EU-Rechts sind mittlerweile alle drei Tochterunternehmungen mit der Mürztaler Verkehrsgesellschaft m.b.H. verschmolzen worden.

Übernahme von Linien

Zum 14. Dezember 2015 übernahm die MVG die Linien 185 und 186 in der Gemeinde Sankt Barbara im Mürztal vom Grazer Busunternehmen Watzke GmbH & Co KG, welche bis Juli 2021 betrieben wurde. 

Um alle EU-Vorgaben erfüllen zu können, wurde der öffentliche Verkehr mit Juli 2021 im MVG-Gebiet neu organisiert. Fünf Städte und neun Gemeinden haben zusammen die "4takt Verkehrs-GmbH" gegründet, sie dient als Auftraggebergesellschaft für die MVG. Die Stadtgemeinde Kapfenberg hält daran mit 77 Prozent den größten Anteil und ist weiterhin Alleineigentümerin der MVG. Somit hat die Stadtgemeinde Kapfenberg ein direktes Durchgriffsrecht auf beide Gesellschaften.

Langsam kommt Farbe rein: 1978 wurde aus grün auf einmal orange.
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Das Verkehrsgebiet der MVG änderte sich im Juli 2021. Die Linien im mittleren und oberen Mürztal mussten aufgegeben werden und dafür kamen die Linien 171 (Bruck an der Mur – Kapfenberg – Turnau) und 175 (Bruck an der Mur – Tragöss / Grüner See) dazu. Seit Juli 2022 wird auch die Linie 810 (Leoben – Bruck an der Mur) von der MVG betrieben.

Finanziert werden die Regionalbuslinien im Gebiet der MVG großteils durch das Land Steiermark über den Steirischen Verkehrsverbund und verrechnet über die "4takt Verkehrs-GmbH". 

Im Regionalverkehr müssen laut Qualitätsvorschriften des Steirischen Verkehrsverbundes Low-Entry-Busse mit Reisebussitzen eingesetzt werden, im reinen Stadtverkehr verkehren meist durchgängig niederflurige Busse. Neben diesen dieselbetriebenen Standardbussen, die alle der Euro-6-Schadstoffnorm entsprechen, kommen seit Jänner 2019 auch batterieelektrische Citybusse zum Einsatz. Alle Citybus-Linien in Kapfenberg, Bruck an der Mur, Leoben, Trofaiach und Mariazell sollen bis 2024 komplett auf Batteriebusse umgestellt werden.

Die Reisebusflotte wurde während der Pandemiejahre 2020/2021 beträchtlich verkleinert.

Die MVG heute

Die Mürztaler Verkehrsgesellschaft , die sich im Besitz der Stadtgemeinde Kapfenberg befindet, ist in der gesamten Hochsteiermark tätig. Städtische Linienverkehre werden vor allem im Großraum Kapfenberg - Bruck/Mur und im Raum Leoben betrieben. Ergänzt werden diese städtischen Linienverkehre durch spezielle Citybusverkehre in den Städten Kapfenberg, Bruck/Mur und Trofaiach.

MVG Geschäftsführung mit Vertretern der Stadtgemeinde und der Mercedes Benz Gruppe vor dem e-Citaro (2021). | Foto: Stelzer
  • MVG Geschäftsführung mit Vertretern der Stadtgemeinde und der Mercedes Benz Gruppe vor dem e-Citaro (2021).
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​Elf Millionen Fahrgäste werden jährlich mit den Linienbussen der MVG in den Städten und der Region befördert. Der Regionalverkehr auf den Linien 170 und 171 (Mariazell und Aflenzer Becken jeweils ab Bruck/Mur – Kapfenberg) und der Linie 175 (Bruck/Mur – Tragöß/Grüner See) wird mittlerweile im Zuge einer interkommunalen Direktvergabe über die "4takt Verkehrs GmbH" bestellt und großteils im Stundentakt mit modernsten Regionalbussen gefahren.
Fast drei Millionen Kilometer werden pro Jahr im Linien- und im Reiseverkehr mit den Fahrzeugen der MVG zurückgelegt. Die Wartung der 60 Fahrzeuge erfolgt großteils mit Wartungsverträgen bei den Herstellern und die Fahrzeugreinigung erfolgt im Dienstleistungszentrum durch ein Partnerunternehmen, wobei die Busse täglich in der eigenen Buswaschanlage gewaschen werden.

​Ein weiteres Standbein der MVG ist die moderne Reisebusflotte mit Busgrößen von 8 bis 58 Sitzplätzen. Ein sehr modernes Reisebüro am Europaplatz in Kapfenberg steht allen Kundinnen und Kunden zur Verfügung, die ihren Urlaub in der weiten Welt verbringen wollen. Gruppenreisen mit eigener MVG-Reisebegleitung und Kreuzfahrten sind die Spezialität des hauseigenen Reisebüros.

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