Den ersten Toten vergisst man nicht
Wenn Feuerwehrler an ihre Grenzen stoßen – Kräfteraubende Einsätze oder Unfälle mit tödlichem Ausgang sind Alltag für die Florianijünger.
BEZIRK (raa). Zwei Minuten nach drei Uhr morgens an einem Sonntag kommt der Alarm. Brand auf einem Bauernhof. Schon nach kurzer Zeit war Daniel Brunner von der Freiwilligen Feuerwehr Grieskirchen auf dem Hof und übernahm die Einsatzleitung. Bald fanden sich 14 Feuerwehren mit rund 200 Kameraden ein, um den Brand in einem Stall zu löschen und die 13 Kühe darin in Sicherheit zu bringen. "Es war schon gefährlich, letztlich haben wir die Tiere mit Wasserstrahlen aus unseren Schläuchen raustreiben müssen", erinnert sich Brunner. Ein Einsatz der, wie so viele, auch körperlich an die Substanz ging. Gut 20 Stunden war Brunner im Einsatz und koordinierte die Löscharbeiten. "Das war schon sehr anstregend", so der 30-jährige.
Am schlimmsten sind für ihn aber Einsätze, bei denen Menschen nicht mehr gerettet werden konnten. "Es gab da vor gut zehn Jahren einen tödlichen Verkehrsunfall in Stritzing, ein Auto unter einem Lkw. Diese Bilder werde ich nie vergessen", ist sich Brunner gewiss. Sicher hatte er sich das mit elf Jahren bei der Jugendfeuerwehr noch nicht vorstellen können.
Schreckliche Bilder bekam Alexander Haberl von der FF Wallern erst kürzlich zu sehen: Nur mit größter Mühe konnten Haberl und seine Kollegen einen jungen Mann aus dessen total zerstörtem Auto schneiden. Erst Stunden später erfuhr Haberl, dass es der junge Mann aus St. Agatha nicht geschafft hatte und im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen war. "Da schluckst du schon. Ich hatte die Bilder noch lange im Kopf und am Abend spontan noch Kerzen am Unfallort aufgestellt." Nicht vergessen hat Haberl auch die Bilder des toten dreijährigen Kindes nach einem Unfall vor rund sechs Jahren.
Freiwillig an vorderster Front
"Wir mussten die Mutter damals aufhalten, damit sie nicht zu ihrem toten Kind läuft", erinnert sich der 38-jährige Wallerner. "Von den Kameraden muss keiner zu solchen Situationen. Wer sich das nicht antun will, muss es auch nicht. Das sind immer Freiwillige ganz vorne", so Haberl. Er ist selbst Vater einer mittlerweile vierjährigen Tochter.
Im Einsatz bleiben Gefühle außen vor. Jeder Handgriff sitzt. Man ist ein eingespieltes Team, das professionell und schnell zur Sache geht. "Die Gedanken kommen später", weiß Haberl. "Ich trage das nicht nach Hause. Da gehe ich lieber laufen und verarbeite das für mich selber." Ans Aufhören denkt er nicht. "Ich mache das so lange, bis der Kommandant sagt, es gehe nicht mehr."
Kein Umdenken im Verkehr
Die vielen Unfalleinsätze spielen keine Rolle, wenn es um das eigene Verhalten auf der Straße geht. "Daran denkt man nicht", gesteht Brunner. "Ich fahre erst, seit ich Vater bin, vorsichtiger", so Haberl.
Stressverarbeitung nach belastenden Einsätzen
Hilfe für Feuerwehrleute nach belastenden Einsätzen bieten das Grieskirchner und Eferdinger SvE-Team. Für die Betreuung der Stressverarbeitung stehen Feuerwehrpfarrer und -diakone zur Verfügung, die auch über einen eigenen Notruf erreichbar sind. "Jeder, auch der erfahrenste Kamerad kann betroffen sein", weiß der Koordinator des SvE-Teams Adolf Trawöger. "Gefühlsintensiveund körperliche Reaktionen nach schockierenden Einsätzen sind völlig natürlich und normal und unser Team ist für solche Situationen speziell ausgebildet." Nach einem für die Psyche schwierigen Einsatz spricht ein Seelsorger mit allen beteiligten Kameraden. "Ziel dabei ist, dass keine seelischen Traumata zurückbleiben", so Trawöger. "Diese Gespräche sind wichtig für Feuerwehrleute, die vor allem bei Einsätzen mit Toten eben nicht mehr retten oder helfen konnten."
Kommentar zum Thema:
Uniformen schützen bedingt vor Gefühlen
Jeder Handgriff ist eingeübt. Das Zusammenspiel mit den Kameraden erprobt. Die vielfältige Technik hat man im Griff. Die Feuerwehrler müssen tagein, tagaus die unterschiedlichsten Situationen meistern. Viele davon können trainiert werden. Nur eine ist für die meisten Feuerwehrleute die wahre Feuerprobe: Die Konfrontation mit dem Tod eines Opfers an der Unfall- oder Brandstelle. Ein dreijähriges Kind, ein junger Mann, ein älteres Ehepaar – der Tod hat viele Gesichter. Die Routine im Einsatz und die Schutzausrüstung schirmen die Kameraden nur kurzfristig vor dem Leid der Opfer und Angehörigen. Es sind Bilder, die viele mit nach Hause nehmen und ein Leben lang nicht vergessen. Umso mehr muss man diesen freiwilligen Helfern, die in schwierigsten Situationen Leben retten wollen, den größten Respekt zollen.
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