"Österreichs Angela Merkel heißt Werner Faymann"
Politexperten Heidi Glück und Thomas Hofer über einen farbenfrohen Wahlkampf – mit Überraschungen.
von Karin Strobl
Welche Wahlplakate konnten aus Ihrer Sicht punkten?
GLÜCK: "Die SPÖ hat am meisten Mut zur Mutlosigkeit gezeigt, weil sie eine sehr vereinfachte Darstellung ihrer Botschaft umgesetzt hat. Mit jeweils nur einem Wort konnte sie perfekt ihre Kernwählerschicht ansprechen."
Und die ÖVP?
HOFER: "Die ÖVP hat versucht, über die Parteigrenzen hinaus zu grasen. Das ist aus meiner Sicht danebengegangen, weil immer wieder Punkte aus den eigenen Reihen kamen, die diese Kampagne massiv konterkariert haben."
Wie zum Beispiel?
HOFER: "Wenn etwa auf dem ÖVP-Plakat steht, Österreich gehöre den Optimisten, und am nächsten Tag hören wir, dass Österreich abgesandelt sei. Dann ist das eine Kluft, die ich kampagnentechnisch nicht vertreten kann."
Ein Hecht im Karpfenteich war Frank Stronach. Mit seinen Plakaten liegt er wohl richtig, oder?
GLÜCK: "Die Plakate waren überraschend modern und zugeschnitten auf Stronach. Er ist die Partei und mehr Botschaft braucht es für seine Wählerlage auch nicht."
HOFER: "Auch der eine oder andere Spot war sehr gut gemacht. Aber das war aber auch schon das einzig Professionelle."
Was war unprofessionell?
HOFER: "Die TV-Auftritte waren planlos. Stronach konnte das eigentliche Potenzial, das er ursprünglich hatte, nicht nützen. Statt Rot-Schwarz anzusprechen, spricht er nun allein die Protestwähler der FPÖ an. Jetzt hat er sich als Wutmanager positioniert, der aggressiver ist als Herr Strache."
Glauben Sie, das sehen die Bürgerinnen und Bürger genauso? Vielmehr heißt es: Stronach sei endlich jemand, der es den „Großen da oben“ zeige.
HOFER: „Das wäre schon okay gewesen, aber die Kampagne ist in sich nicht stimmig. Man weiß wie Frank Stronach funktioniert. Er hat gewisse Stärken, aber auch gewisse Schwächen. Und TV-Auftritte sind seine Schwäche."
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat hingegen für weniger Aufregung gesorgt als befürchtet.
GLÜCK: "Das ist eigentlich für mich das Erstaunlichste in diesem Wahlkampf. Das war der ruhigste FPÖ-Wahlkampf seither und auch der ruhigste Herr Strache, den es je in einer Wahlauseinandersetzung gegeben hat. Beide, Stronach und Strache, fischen im selben Lager und teilen sich eigentlich das FPÖ-Protestpotenzial. Strache hat die Entscheidung getroffen, jenen Teil anzusprechen, der weniger aggressiv ist.“
Sind die Grünen-Plakate so belämmert?
HOFER: "Die Grünen waren immer dafür bekannt, die fadesten Wahlkämpfe zu machen, das ist diesmal anders."
GLÜCK: "Sie sind auch die Einzigen, die eine kreative Idee eingesetzt haben, um mehr Aufmerksamkeit zu erhalten als früher."
HOFER: "Neu ist, dass die Grünen in die Positionierung von Eva Glawischnig sehr viel investiert haben. Ausdruck dessen ist auch, dass ihr einstiges elitäres, abgehobenes Image runter auf die Normalebene gebracht wurde. Ein Beispiel dafür ist, dass sie nun sehr auf Dialekt setzt und zwar ganz bewusst."
Wer BZÖ-Chef Bucher einmal persönlich getroffen hat, weiß so streng wie er vom Plakat herunterschaut schaut, ist er nicht.
HOFER: Die Plakate sind nicht das große Highlight des Wahlkampfes. Das ist er einfach nicht. Er hatte keine Chance, die hat er aber genutzt. Denn eigentlich war das BZÖ klinisch tot. Doch Bucher konnte in den TV-Duellen durch sein sympathisches Auftreten das BZÖ zumindest auf die Chance des Wiedereinzugs trimmen.“
GLÜCK: „Die Plakatserie ist einem Durchschnittswähler mit Sicherheit gar nicht aufgefallen. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob er so viel aufholen konnte, wie er hätte können. In manchen Punkten war mir Bucher zu defensiv.“
Die Neos waren zwar nicht in den TV-Duellen vertreten, haben aber mit dem Eintritt des Industriellen Hans Peter Haselsteiner den einzigen politischen Coup in diesem Wahlkampf gelandet.
HOFER: „Eine Hürde, die die Neos überwinden mussten, ist die mangelnde mediale Präsenz. Das haben sie mit Haselsteiner durchbrochen und wurden somit auch zur Gefahr für die ÖVP. Haselsteiner war da sicher das richtige Signal.“
GLÜCK: „Wenn man den Umfragen glauben kann, sind die Neos seit Haselsteiners Auftreten um ein, eineinhalb Prozent gestiegen. Ein Momentum, das man im Wahlkampf braucht, ist eine Überraschung. Entweder inhaltlich oder personell.“
HOFER: „Neos und die Grünen auf der einen Seite, aber es gab auch ein paar negative Coups. Stronach mit der Todesstrafe für Berufskiller und die ÖVP mit ihren Eigentoren, wie mit den Themen Frauenpensionsalter oder 12-Stunden-Arbeitszeit. Das sind Punkte, die nicht passieren dürfen.“
Wer hat nun den besten Wahlkampf geführt?
GLÜCK: „Ich bin davon überzeugt, die Grünen.“
HOFER: „Ich schließe mich an und möchte hinzufügen: Österreichs Angela Merkel heißt Werner Faymann. Nicht weil er so weit vorne liegt wie die deutsche Kanzlerin mit ihrer Partei, sondern weil die beiden einen nicht besonders inspirierten, aber einen soliden Wahlkampf geführt haben.“
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