Gedanken
Die Wärmestube ist Gradmesser für Armut und Einsamkeit

Caritas hilft bei sozialen Notfällen | Foto: Caritas
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INNSBRUCK. Die Katharina-Stube ist eine niederschwellige Tagesaufenthaltsstätte. Hierher kommen die besonders Ausgegrenzten oder Einsamen. Sie bekommen ein Essen und können sich aufwärmen, wenn es draußen kalt ist. In den vergangenen zwölf Monaten wurden rund 19.000 Besuche mit stark steigender Tendenz in den letzten Wochen verzeichnet.

Gradmesser

„Der große Andrang in der Katharina-Stube zeigt: Die Wärmestube ist ein Gradmesser nicht nur für Armut, sondern auch für Einsamkeit“, erklärt Caritas-Direktorin Elisabeth Rathgeb. Gemeinsam mit der dortigen Dienststellenleiterin Gertraud Gscheidlinger informiert sie über einen Anstieg an Klientinnen und Klienten in der Katharina-Stube und in der Caritas-Sozialberatung.

Sozialberatung

In die Caritas-Sozialberatung kommen Menschen in akuten Notsituationen. Der Anlass sind meistens finanzielle Sorgen. Im Beratungsgespräch offenbaren sich jedoch vielfältige Problemlagen: Zu den Schulden kommen Belastungen im gesamten Familien- und Betreuungssystem, Einsamkeit oder Erkrankungen dazu. Besonders psychische Auffälligkeiten treten in letzter Zeit vermehrt auf. Rathgeb: „Insgesamt ist die Summe an Bürden seit der Corona-Krise für viele Menschen zu groß geworden und immer mehr geraten an den Rand der Gesellschaft. Die Caritas ist für Menschen in Not da. Sie hilft dann, wenn man nicht mehr weiterweiß“. Die aktuelle Herbstkampagne der Caritas widmet sich der Not im Inland.

Gertraud Gscheidlinger und Elisabeth Rathgeb informieren über die Not im Inland. | Foto: Caritas
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Ratsuchende

In den Beratungseinrichtungen der Caritas der Diözese Innsbruck wurden in den letzten zwölf Monaten rund 5.200 Beratungsgespräche durchgeführt. Anlaufstellen gibt es in Innsbruck, Reutte, Landeck, Imst, Telfs, Schwaz, Jenbach, Uderns und Lienz. Um die Weihnachtszeit ist wieder mit einem Anstieg an Ratsuchenden zu rechnen. 2.200 Familien oder Einzelpersonen wurden von der Caritas Tirol auf einem Stück ihres Weges begleitet. Durch die Corona-Krise gibt es eine stark spürbare Steigerung zu den Vorjahren mit Monaten, in denen mehr als doppelt so viele Klientinnen und Klienten wie in den Vorjahren die Caritas-Sozialberatung in Anspruch nehmen. Die Hälfte all dieser Menschen kam heuer zum ersten Mal. Was besonders auffällt, ist, dass die Anliegen komplexer werden. Es geht um die finanzielle Situation, aber zusätzlich oft auch um gesundheitliche Probleme und das gesamte Familien- und Betreuungssystem.

Obdachlos im Winter

In Österreich gibt es rund 14.000 obdachlose Menschen. In der Landeshauptstadt Innsbruck leben nach einer groben Schätzung etwa 300. Das kann besonders im Winter lebensgefährlich sein. Die Caritas Tirol hilft wohnungslosen Menschen mit verschiedenen Angeboten. In der Katharina-Stube gibt es ein warmes Mittagessen. Hier kann auch geduscht werden. In der Wolfgangstube im Kapuzinerkloster bekommen Obdachlose bei Bedarf täglich ein Frühstück und ein Abendessen. Außerdem gibt es das Angebot einer medizinischen Basisversorgung über das Projekt MedCare, das die Caritas in Kooperation mit dem Roten Kreuz betreibt. Die Caritas verteilt auch warme Schlafsäcke und ist hier für Sachspenden dankbar.

Die Katharina-Stube

In der Katharina-Stube ist jeder willkommen. Es gibt keine Ausweispflicht, dafür aber ein Alkohol- und Rauchverbot. Die Menschen, die in die Katharina-Stube kommen, sind zum Großteil wohnungslos. Es sind Mindestpensionistinnen und -pensionisten, Armutsmigrantinnen und -migranten und Menschen, die einsam, alleinstehend oder familienlos sind, wenig Geld haben und nicht wissen, wo sie sonst hingehen könnten. Sie erhalten ein warmes Essen und können bei Bedarf duschen. Zusätzlich gibt es auch Sozialberatung, Ansprache und vor allem menschliche Wärme. Die Räumlichkeiten und ein Teil des Essens werden von den Barmherzigen Schwestern zur Verfügung gestellt. Das Team der Katharina-Stube besteht aus der Leiterin Gertraud Gscheidlinger, drei Sozialarbeiterinnen, Zivildienern und Ehrenamtlichen.Gscheidlinger verzeichnet in der Katharina-Stube in den letzten zwölf Monaten eine hohe Anzahl an Essen: „In den letzten zwölf Monaten wurde in der Katharina-Stube an 18.961 Personen ein warmes Mittagessen und an 3.930 Personen ein Frühstück ausgegeben“. Dabei wurden nicht die Personen gezählt, sondern die Besuche. Die Besucherinnen und Besucher der Katharina-Stube bekommen hier eine Basisversorgung bezüglich Essen und Körperhygiene. Es gibt ein Frühstück und ein Mittagessen. Wer möchte, kann duschen, bekommt Hygieneartikel, frische Unterwäsche und Socken. Weiters wird bei Bedarf eine medizinische und pflegerische Basisversorgung vermittelt.

Gesprächsmöglichkeiten 

Diese Sicherung der körperlichen Grundbedürfnisse ist aber nicht alles, was die Besucherinnen und Besucher in der Katharina-Stube finden. Es gibt auch eine Gesprächsmöglichkeit und ein sozialarbeiterisches Angebot. Sie erfahren alles über sozialrechtliche Ansprüche, Arbeits- und Wohnmöglichkeiten. Das kann von einer Beratung bei konkreten Problemen bis zu einer ausführlichen Perspektivenabklärung reichen. Gscheidlinger fasst das so zusammen: „Die Katharina-Stube ist eine Anlaufstelle für Menschen am Rand unserer Gesellschaft. Hier bekommen sie ein Mindestmaß an Schutz vor körperlicher und sozialer Verwahrlosung“.

Fallbeispiele

Sozialberatung: Ältere Frau mit plötzlich geringem Unterhalt. Eine ältere Frau sucht das Beratungszentrum auf. Ihr Mann zog vor kurzer Zeit in ein Pflegeheim, da wegen seiner fortschreitenden Demenz das Wohnen und die Pflege zu Hause nicht mehr möglich waren. Die Pension des Gatten wird nun zur Abdeckung der Heimkosten herangezogen. Die Frau erhält zwar nun den ihr zustehenden Ehegattinnenunterhalt, dennoch ist das Haushaltseinkommen stark reduziert und die finanzielle Situation eine völlig veränderte. Es stellen sich ihr plötzlich die Fragen: Wie geht sich alles finanziell aus? Wie kann ich die laufenden Kosten decken? Bleibt genug zum Leben über? Gibt es nun Ansprüche auf andere staatliche Unterstützungsleistungen? Kann ich mir das Auto noch leisten und weiterhin meinen Mann für gemeinsame Ausflüge aus dem Pflegeheim abholen? Die Sozialberatung hilft bei der Beantwortung dieser Fragen und erarbeitet gemeinsam mit der Frau mögliche Lösungen und Perspektiven.

Sozialberatung: Betriebskostennachzahlung sorgt für Verzweiflung. Eine Alleinerzieherin mit zwei schulpflichtigen Kindern ist mit einer Betriebskostennachzahlung in der Höhe von 650 Euro konfrontiert. Die Frau kommt verzweifelt in die Sozialberatung der Caritas. Sie weiß nicht, woher sie das Geld nehmen soll. Wie kann sie neben den laufenden Kosten auch noch diese Nachzahlung schaffen? Und Weihnachten steht vor der Tür.
In der Beratung wird die Betriebskosten-Abrechnung geprüft. Außergewöhnliche Kosten werden in Absprache mit dem Vermieter geklärt und eine Ratenzahlung vereinbart. Ein Teil kann über den Heizkostenfonds der Caritas übernommen werden. Wichtig ist aber auch die Perspektivenarbeit: Woher kommen die hohen Kosten? Wie lassen sie sich in Zukunft reduzieren? Welche staatlichen Unterstützungen können noch beantragt werden? All das hilft der Familie, finanziell wieder in die Spur zu kommen.

Katharina-Stube: Alleinerzieherin mit Gelegenheitsjobs hat wegen Corona zu wenig Geld zum Essen. Anna-Maria ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern (vier, sieben, zehn Jahre alt). Der Ehemann und Vater ist gleich nach der Geburt des jüngsten Kindes untergetaucht. Anna-Maria ist seit zwei Jahren arbeitslos und lebt von Mindestsicherung und Kinderbeihilfe. Vor Corona nahm sie immer wieder Putzjobs und andere kleinere Tätigkeiten an, um sich und die Kinder besser durchs Leben zu bringen. Mit dem Lockdown wurde alles anders. Die Kinder waren wochen- und monatelang in der Wohnung und auf engstem Raum zusammen. Zusätzlich fehlte es an Nahrungsmitteln. Übers Internet erfuhr sie vom Essensangebot der Katharina-Stube der Caritas in Innsbruck. Dankbar holte sie sich täglich warme Mahlzeiten, um sich und ihre Kinder zu versorgen.

Katharina-Stube: Teure Medikamente. Eine alleinstehende Frau ist Frühpensionistin und massive Schmerzpatientin. Sie braucht täglich 18 verschiedene Medikamente. Für viele davon übernimmt die Krankenkasse nicht die Kosten. Sie nützt nicht nur das Essensangebot in der Katharina-Stube, sondern ist auch um die Gesprächsmöglichkeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie anderen Besucherinnen und Besucher froh. Dadurch unterbricht sie ein bisschen ihre Einsamkeit.

Katharina-Stube: Einsamer alter Mann kann nicht selbst kochen. Ein älterer Mann (82) kommt seit drei Monaten regelmäßig in die Katharina-Stube, um zu essen und sich auch für den Abend etwas mitzunehmen. Unter Tränen erklärt er den Mitarbeiterinnen, dass seine Gattin plötzlich verstorben ist. Selbst kochen hat er nie gelernt. Für das Gasthaus reicht leider das Geld nicht. In der Katharina-Stube bekommt er eine gekochte, warme Mahlzeit und ein bisschen Ansprache, die seine Einsamkeit mindert.

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