Charlotte Roche // "Wollte ich wirklich ein Kind? Oder war es der Druck von außen?" Chrissi Schneider im Roman "Mädchen für alles". Text mit zwei youtube Videos

2Bilder

Einem breiteren Publikum wurde Charlotte Roche durch ihre Moderatorentätigkeit bei VIVA, ProSieben, ARTE und 3sat bekannt. Im Februar 2008 erschien ihr Roman "Feuchtgebiete", 2011 ihr zweiter Roman "Schoßgebete" und 2015 ihr bislang letzter Roman "Mädchen für alles".

Charlotte Roche gilt als Vertreterin einer neuen feministischen Generation.
Im Roman "Feuchtgebiete" ging es um das Ausbrechen der jungen Helen Memel aus dem Hygienewahn, in "Schoßgebete" verarbeitet Elizabeth Kiehl einen familiären Schicksalsschlag. Christine Schneider im dritten Roman "Mädchen für alles" schaut stundenlang amerikanische Fernsehserien und malt sich aus, wie sie alles hinter sich lassen könnte.

In "Mädchen für alles" ist Christine Schneider, "Chrissi", emotional von Mann und Kleinkind überfordert. Charlotte Roche wendet sich in dem Roman gegen Konformitätsdruck. Gemeinhin gilt: Als Mutter hat man glücklich zu sein. Roche sagt dazu: "Mit den Rollenbildern von Frauen passiert gerade was. Chrissi Schneider ist eine Frau, die alles hat, Haus, Mann, Kind. Aber sie ist nicht gut in diesen Sachen, alles ist ein riesiger Fake, innerlich ist sie schon längst weg. Sie will neu anfangen. Nur wie?"

" Kannten Sie das Gefühl", wurde Charlotte von Claudia Voigt im Spiegel Interview gefragt

Roche: "Es ist extrem schwierig, auf so eine Frage ehrlich zu antworten, wenn man Mutter ist. Jede Mutter verpasst sich hoffentlich einen Maulkorb, weil ein Kind mithören oder mitlesen kann. Meines ist zum Glück schon älter, da kann man Sachen erklären und vorher besprechen. Denn wenn man richtig vom Leder ziehen würde, wenn man sagen würde, was man wirklich denkt, wäre das vernichtend.

Es ist unfassbar anstrengend, Mutter zu sein. Lebensverändernd. Und nicht nur zum Guten. Allein der Begriff Mutter. Alle denken dabei immer noch an so eine Werbefigur. Niemand sagt einem, dass man nicht mehr schläft, wenn man ein Kind bekommt. Dass man ein Wesen hat, für das man zwei Jahrzehnte lang verantwortlich ist. Man muss sich darum kümmern, dass es isst, trinkt, schläft, gesund bleibt und gut in der Schule ist. Als junge Mutter fühlte ich mich von allen betrogen, die mir gesagt hatten, wie toll es ist, schwanger zu sein und Mutter zu werden."

Julia Encke von der Frankfurter Allgemeinen angriffslustig zu Charlotte:

"Man stellt sich diese Mutter in "Mächen für alles" sehr apathisch vor, sie liegt meistens im Bett. Mit ihrem Baby kommuniziert sie gar nicht, mit dem Mann auch nicht. Ist Ihr Roman eine Krankengeschichte"?

Roche: "Es war mir wichtig, eine Freiheit und einen Witz darin zu finden, über das Muttersein abzukotzen, weil es immer so glorifiziert wird gerade in Deutschland, das ja wohl international der Spitzenreiter der Mutterseinverherrlichung ist. Wenn es darum geht, ist immer alles so schwer, so festgelegt und so heilig. Und ich kenne so viele Mütter, die sich oft gegenseitig vorspielen, wie irre toll es ist, Kinder zu haben.
Es gibt Frauen, die das total können, und andere, die es überhaupt nicht können. Und für die, die die ganze Zeit eine Doppelrolle spielen, kann es befreiend sein, so etwas zu lesen."

Genug gelabbert. Sehen wir uns das Tape an. Charlotte Roche spricht über den neuen Roman:

#regretting motherhood - Studie von Orna Donath

Die Rolle der Frau als Mutter. Das tradierte Bild: eine sich selbst optimierende Mensch-Maschine, die zu laufen und ihren Job zu machen hat, ohne aufzumucken. Doch ist es ein selbstverständlicher Dienst für Familie und Gesellschaft, fragt Oliver Seifert 2015 im Südkurier, einer deutschen Regionalzeitung.

Mütter, die keine sein wollen

Darf man sagen, dass das Dasein als Mutter doch nicht so erfüllend ist, wie man es sich vorgestellt hat und wie es allenthalben propagiert wird? Darf man gar sagen, dass man die Entscheidung, Kinder bekommen zu haben, bereut?

Wenn Mütter offen bedauern, dass sie Kinder bekommen haben, brechen sie damit ein starkes gesellschaftliches Tabu. Die Soziologin Orna Donath von der Universität Tel Aviv hat 23 israelische Mütter im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte 70 in intensiven Interviews zu ihren Gefühlen gegenüber der eigenen Mutterrolle befragt. Die Studie ist auf Deutsch im Knaus Verlag erschienen:

#regretting motherhood:
Wenn Mütter bereuen
Von: Orna Donath
Knaus Verlag 2016
Preis: 16,99 Euro

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

1 Kommentar

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.