Baustellen-Reportage: Schlammbad ist Alltag
Bei dieser Arbeit sollten einem Lärm, Dreck, frühes Aufstehen und schlechtes Wetter nichts ausmachen.
INNSBRUCK. "Ziehen Sie sich keine neuen Schuhe an", empfiehlt Andreas Färber – Projektleiter bei der Asfinag – noch in der Früh am Telefon, bevor wir uns treffen. Es ist neblig, es ist dunkel, es ist viel zu früh. Dabei sind die Bauarbeiter schon seit Stunden an der Arbeit. Vor dem Wiltener Tunnel wird seit August eine Ankerwand erneuert. Sie ist Teil der Stubaitalbahnstrecke: In den letzten Monaten wurden Gleise abgebaut und Wände zerschnitten und neu zusammengesetzt. Seit dem Bau der Mauer im Jahr 1977 gab es keine derartige Rundumsanierung mehr. Da sich die Baustelle direkt neben der Autobahn befindet, ist die beengte Platzsituation eine der großen Herausforderungen. Auch wir finden nur schwer einen Parkplatz auf der Baustelle und stehen am Ende auf einem Schotterhaufen, um nicht im Weg zu sein. 50.000 Autos fahren täglich an der Baustelle vorbei.
Rasende Autos
Nur eine kleine Betonwand und wenige Meter trennen sie von den Bauarbeitern. Ein 60er-Schild sollte den Arbeitsablauf zumindest erträglicher machen: An die Geschwindigkeitsbeschränkung halten sich aber nur wenige. Bis zum 15. Dezember werden mit schweren Maschinen – teilweise sind gleichzeitig bis zu sieben Maschinen im Einsatz – die 16 Meter langen Ankerungen in die Wand gebohrt. Insgesamt werden 238 Anker verbaut. "Das Bauvorhaben kostet vier Millionen Euro", erklärt Färber und freut sich, dass die Firma (Porr) trotz Zeitdruck so flott vorankommt. "In den Hochzeiten waren bis zu dreißig Personen an der Arbeit. Die Baustellenlogistik war auch eine Herausforderung". Zum Ankereinbau musste ein Schutzgerüst her, da das Material zum Einheben viel zu lang war.
Wandernde Betonmischmaschine
Heute wird geflext, geschnitten, gebohrt, gesäubert. Die Bauarbeiter sind vom Helm bis zu den Stiefeln mit einer Mischung aus Beton und Matsch bedeckt. Es schaudert einem beim Gedanken, dass auch diese Kleider gereinigt werden müssen. Sicherlich eine ähnlich große Herausforderung, wie auf der Baustelle zu arbeiten. Zu Mittags fährt jemand in die Stadt und holt Essen für die ganze Crew. Baustellenessen: Leberkassemmel und Co. Einige Bauarbeiter tragen Hörschutz, neben uns rasen die Wagen vorbei und die Situation ist alles andere als appetitlich. Nach einer halben Stunde steigen wir wieder in das Auto ein und fahren ins Büro: Wenn ich irgendwo für einige Zeit stehen bleiben würde, würde ich mit der Straße verkleben. Meine Schuhe sind eine wandernde Betonmischmaschine. Die Warnung "keine neuen Schuhe" war tatsächlich nicht übertrieben.
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