Zeitgeschichte
Die Spiele sind eröffnet.

Innsbruck 1964: Das olympische Feuer brennt am Bergisel. | Foto: anm256/Wikipedia
  • Innsbruck 1964: Das olympische Feuer brennt am Bergisel.
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INNSBRUCK. Am 29. Jänner 1964 wurden im Berg Isel-Stadion in Innsbruck die 9. Olympischen Winterspiele eröffnet. Der letzte Fackelläufer war der Slalom Weltmeister Josl Rieder. Der Bobsportler Paul Aste sprach den Olympischen Eid. Bundespräsident Adolf Schärf erklärte vor 60.000 Zuschauern die Spiele für eröffnet. Ein kleiner Rückblick auf große Tage.

Bewerbung

Nachdem sich Innsbruck bereits für 1960 beworben hatte und bei der 51. Session des IOC Squaw Valley unterlagen war, konnte es sich bei der 55. IOC-Session am 26. Mai 1959 in München in einem einzigen Wahlgang gegen Calgary und Lahti durchsetzen, wobei letztere deshalb ganz durchfielen, da die Voraussetzungen nicht voll erfüllt waren.

Wissenswertes und Interessantes

  • Die Winterspiele wurden gegen Mittag (lt. Zeitungsmeldung um 11.50 Uhr) des 29. Januar 1964 durch den österreichischen Bundespräsidenten Adolf Schärf im Bergisel-Stadion feierlich eröffnet. Die Schlussfeier fand am 9. Februar um 21 Uhr statt.
  • Lidija Skoblikowa aus der Sowjetunion gewann alle vier Eisschnelllaufwettbewerbe der Frauen. Sie wurde damit die erste Sportlerin, die vier Medaillen innerhalb einer Winterolympiade gewann. Drei Medaillen gewannen die sowjetische Skilangläuferin Klawdija Bojarskich und der finnische Skilangläufer Eero Mäntyranta.
  • Diese Olympischen Winterspiele litten unter akutem Schneemangel. Das österreichische Bundesheer brachte 20.000 Eisblöcke zu den Bob- und Rodelbahnen sowie 40.000 m³ Schnee für die alpinen Skistrecken. Der Föhn war seit dem 2. Februar über Innsbruck und das Inntal hereingebrochen, die Bob- und Rodelbahnen „schwammen“ davon. Es war fraglich, ob die Bewerbe zu Ende geführt werden konnten. Es gab überhaupt erstmals Rodelbewerbe. Die Rennen wurden teilweise für 7:30 Uhr angesetzt, da die Bahnen zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch gefroren waren; allerdings blieb zu diesem Zeitpunkt das Publikum praktisch aus. Die internationale Jury war auch zu Kompromissen bereit, hätte auch bei weniger als den vorgesehenen Läufen diese als gültiges Resultat anerkannt. Bei den Doppelsitzern waren offensichtlich auch vier Läufe, der erste am Morgen des 7. Februar, geplant. Im Zielschuss der Bobbahn stand zentimeterhoch Wasser. Wider Erwarten gab es vom 3. auf 4. Februar einen merklichen Temperatursturz, wodurch die Bewerbe „gerettet“ waren.
  • Indien (mit nur einer Person, einem Exil-Polen, der Sportler und Delegationschef in einer Person war), Nordkorea und die Mongolei waren erstmals bei Olympischen Winterspielen dabei.
  • Bobfahrer Eugenio Monti verhalf den Briten Anthony Nash und Robin Dixon zum Olympiasieg, indem er ihnen ein Ersatzteil lieh; die Italiener selbst wurden Dritte. Monti war der Erste, dem die De Coubertin-Medaille für Sportlichkeit überreicht wurde.
  • Den US-Herren gelangen durch Billy Kidd (Silber) und Jimmy Heuga (Bronze), jeweils im Slalom, erstmals Medaillen im alpinen Skisport (sowohl auf olympischer Ebene als auch bei Weltmeisterschaften), während Jean Saubert bei den Damen bereits die siebte und achte olympische alpine Skimedaille und zugleich zehnte und elfte Weltmeisterschaft-Medaille für das US-Team gewann.
  • Nach den Olympischen Spielen musste das deutsche Eiskunstlaufpaar Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler seine Silbermedaillen zurückgeben, da es vor den Spielen einen Profivertrag unterschrieben hatte. Erst 1987 erhielten die beiden ihre Medaillen zurück.
  • Einige Tage vor der Eröffnung verloren zwei Sportler beim Training ihr Leben. Auf der Abfahrtspiste am Patscherkofel stürzte Ross Milne und raste gegen einen Baum abseits der Piste. Dabei zog er sich so schwere Verletzungen zu, dass trotz sofortiger Überstellung in das Landeskrankenhaus Innsbruck nur mehr sein Tod festgestellt werden konnte. Der britische Rodler Kazimierz Kay-Skrzypeski verunglückte bei einer Trainingsfahrt auf der Bob- und Rodelbahn in Igls tödlich.
  • Die genannte Rennstrecke am Patscherkofel wurde am 25. Januar 1953 erstmals erprobt.
  • Die französischen Schwestern Marielle und Christine Goitschel gewannen sowohl Riesenslalom (hier Marielle vor Christine) als auch Slalom (nun umgekehrt, Christine vor Marielle), wobei auch mit Jean Saubert dieselbe Läuferin in die Medaillenränge kam. Erstmals gab es bei einer Alpin-Konkurrenz der Damen, dem Abfahrtslauf, mit Österreich ein dreifaches Podium für eine Nation.
  • Barbi Henneberger (Barbara Henneberger) hatte im Hinblick auf die Olympischen Spiele auf jede Beteiligung an Rennen verzichtet, was sich aber als negativ herausstellte, denn sie hatte damit innerhalb weniger Wochen auch den Anschluss zur Weltspitze verpasst.
  • Die Schweiz blieb erstmals ohne Medaille.
  • In den Alpinbewerben gab es erstmals die Zeitmessung mit Hundertstelsekunden. Eine solche hatte es allerdings schon bei den später annullierten Weltmeisterschaften von 1941 gegeben, jedoch sind die Laufzeiten der Bewerbe nach dem Krieg, ausgenommen 1954, weiterhin wieder mit Zehntelsekunden belassen worden. Die Zeitmessung aller Bewerbe erfolgte durch das „elektronische IBM-Rechenzentrum“.

Besonderes

  • Die TV-Übertragungen, in Österreich lösten die Spiele eine Hausse im Verkauf von TV-Geräten aus, waren aus Sicht der Innsbrucker Geschäftsleute ein derartiges „Highlight“, dass in Nebenräumen von Verkaufsläden Fernsehgeräte aufgestellt wurden, damit auch die Angestellten vom Ladenpult aus (in der geschäftsarmen Zeit) durch eine geöffnete Tür Seitenblicke auf die zur Übertragung gelangenden Bewerbe werfen konnten. Am Tag des Herren-Abfahrtslaufes war in vielen Lebensmittelläden die Mittagspause vorverlegt und an der Eingangstür ein Schild mit der Aufschrift „Wegen Abfahrtslauf geschlossen“ angebracht worden.
  • Es war auch ein sogenanntes „Ringespiel“ in den Schaufenstern und Verkaufsläden der Olympiastadt festzustellen wie in Gold geprägte olympische Ringe mit einem Preis je nach Größe von 180 bis 9.000 Schilling, Puderdosen mit den Ringen, die „Kern-Buam“ hatten einen „Olympia-Marsch“ auf Schallplatte (Titel: „Innsbruck, du Krone von Tirol“) verewigt. Weiters wurden Krawatten mit dem Olympia-Emblem und als am gängigsten Emailabzeichen für den Rockaufschlag, den Hut oder das Armaturenbrett des Autos angeboten.
  • Beschwerden gab es durch Journalisten über den Olympiaverpflegungsdienst und die Preistreiberei. Sowohl die «RAI» als auch das DDR-Fernsehen filmten im Pressespeisessaal und kommentierten diese Filme recht bissig. Daraufhin kündigte sogar Minister Heinrich Drimmel, zugleich Chef des «Österreichischen Olympischen Comités», seine Intervention an und wollte sich von Pressechef Bertl Neumann informieren lassen.
  • Im viel zitierten „Olympiahotel“ verkehrte vor allem die Prominenz, allem voran das an erster Stelle im Publikumsinteresse stehende persische Kaiserpaar. (Der Schah durfte, als Funktionär „getarnt“, die Abfahrtsstrecke der Damen hinunterfahren. Aber auch der Stuttgarter Juwelier Schilling stellte täglich im Rahmen einer Modeschau (Eintrittspreis 150 Schilling) seine Juwelen aus. Im besagten Hotel wurde auch ein „Olympiaball“ (Eintritt 900 Schilling) veranstaltet. Um auch die „Nicht-Lizum-Besucher“ zu informieren, strahlte der Österreichische Rundfunk im Rahmen seiner bekannten Radio-Mittagssendung „Autofahrer unterwegs“ Berichte vom „Olympiahotel“ aus. Dazu hatte Chefmoderator Walter Niesner im Hotelkindergarten ein provisorisches Studio eingerichtet. Auch der Bayerische Rundfunk führte eine ähnliche Sendung mit „Backgroundstories“ durch.
  • Nebst dem Kaiserpaar gehörte auch der Schweizer Schlagerstar Vico Torriani (er präsentierte hier seinen zu den Spielen passenden neuen Schlager „Ski-Twist“) zu den prominenten ausländischen Gästen.
  • Vom Innsbrucker Nachtleben wurde berichtet, dass es so ruhig wie jetzt überhaupt noch nie war. Offensichtlich gingen sowohl Funktionäre als auch Besucher früh zu Bett, weil keiner anderntags etwas versäumen oder unausgeschlafen sein wollte.
  • Die Stadt Innsbruck hatte auch ein umfassendes künstlerisches Programm auf höchstem Niveau anzubieten, wobei alle Stadtsaalkonzerte mit 900 Karten ausverkauft waren, bei jenem der Wiener Philharmoniker waren es durch die vermehrte Ausgabe von Stehplatzkarten über 1.100.

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