IIG Gelände Trientlgasse
Grabungsarbeiten nach Überresten der NS-Zeit

Kindergarten Reichenau. Bürgermeister Dr. Anton Melzer und Begleiter besuchen den Baracken-Kindergarten Reichenauer Lager, die Kinder sind gerade beim Jausnen, im Hintergrund ist die Nordkette. 1946. | Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum
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  • Kindergarten Reichenau. Bürgermeister Dr. Anton Melzer und Begleiter besuchen den Baracken-Kindergarten Reichenauer Lager, die Kinder sind gerade beim Jausnen, im Hintergrund ist die Nordkette. 1946.
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Überreste aus der NS-Zeit werden auf heutigem IIG-Gelände in Trientlgasse vermutet. Grabungsarbeiten im Auftrag des Stadtarchiv/Stadtmuseum sollen, ob im unbebauten Wiesenbereich am südlichen Ende des Recyclinghofes zeitgeschichtliche Spuren zu finden sind. 

INNSBRUCK. Derzeit werden auf dem Areal des ehemaligen „Arbeitserziehungs- und Zwangsarbeiterlagers Reichenau“ im Bereich der Trientlgasse archäologische Sondierungsgrabungen durchgeführt. Bereits erfolgte Messungen mit Bodenradar des Instituts für Archäologien der Universität Innsbruck hatten Hinweise auf mögliche Überreste von Baracken aus der NS-Zeit ergeben. Mit Hilfe der Grabungsarbeiten im Auftrag des Stadtarchiv/Stadtmuseum soll nun geklärt werden, ob im unbebauten Wiesenbereich am südlichen Ende des Recyclinghofes zeitgeschichtliche Spuren zu finden sind.

Innsbruck stellt sich seiner Geschichte des Lagers Reichenau

Lagerkomplex

Durch die Auswertung historischer Luftbilder konnten Archäologinnen der Universität Innsbruck und der Firma monumentGUT im letzten Jahr die räumliche Struktur des Lagerkomplexes Reichenau bzw. der nachkriegszeitlichen Notwohnsiedlung digital rekonstruieren. Darauf aufbauend erfolgte vergangenen Herbst eine Untersuchung mit Bodenradar. „Dabei werden physikalische Eigenschaften des Untergrundes gemessen, womit wir einen groben Eindruck, zum Beispiel über Reste baulicher Infrastruktur unter der modernen Oberfläche erhalten“, erläutert Barbara Hausmair vom Institut für Archäologien der Uni Innsbruck. Das Ergebnis dieser Messung habe gezeigt, dass sich noch schwache, lineare Strukturen im Untergrund abzeichnen, welche mit dem Standort der ehemaligen Baracken übereinstimmen, nicht jedoch mit modernen Leitungsplänen.

„Das bedeutet, dass es sich potentiell um Überreste von Bauten aus der Lagerzeit oder der Notwohnsiedlung handeln kann“, führt StR  Uschi Schwarzl weiter aus.

Blick auf die Lager von Süden 1945/47.

© Stadtarchiv Innsbruck
  • Blick auf die Lager von Süden 1945/47.

    © Stadtarchiv Innsbruck

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Einblicke

Im Rahmen der rund zweiwöchigen Sondierungsgrabung wird untersucht, worum es sich bei diesen Strukturen handelt und wie deren Erhaltungszustand beschaffen ist. Aufgrund der intensiven Nutzung des Geländes vermuten die Expertinnen und Experten nur mehr wenige Reste aus dem Unterbodenbereich der ehemaligen Lagerbauten zu finden. „Eventuell könnten noch Leitungs- bzw. Abwassersysteme der Baracken oder auf dem Areal verbliebene Gegenstände der ehemaligen Häftlinge bzw. der Bewohnerinnen und Bewohner der Notwohnsiedlung wie Geschirr, Besteck oder Werkzeuge vorhanden sein“, erklärt Innsbrucks Stadtarchivar, Lukas Morscher. „Wir hoffen durch die Grabungen einen ersten Eindruck über noch vorhandene archäologische Spuren zu erlangen“, verrät Hausmair. „Erst dann lässt sich abwägen, ob noch so viele archäologische Strukturen oder Fundmaterial vorhanden ist, um dadurch substantielle Einblicke in den Alltag der Menschen im Lager oder in der Notwohnsiedlung zu gewinnen. Es kann aber auch sein, dass wir nur sehr wenig finden, da der Abriss und die Bereinigung des Geländes in den späten 1960er Jahren sehr gründlich erfolgt ist.“

BU zu Planbeilage: Messungen mit Georadar brachten in verschiedenen Bereichen des untersuchten Areals in Innsbruck Reichenau (Parzelle 917/2; IIG-Gelände) den Nachweis für bodengelagerte Befunde, bei denen es sich um Überreste ehemaliger Lagerbauten handeln dürfte (Objekte A bis I). Zudem wurden im Süden der Untersuchungsfläche Strukturen dokumentiert (Objekte J bis L), bei denen es sich um Gebäudereste zu handeln scheint, die bis dato weder den Lagerbauten noch ehemaligen Bauten des Bauhofs zugeordnet werden können.

© Universität Innsbruck, Institut für Archäologien
  • BU zu Planbeilage: Messungen mit Georadar brachten in verschiedenen Bereichen des untersuchten Areals in Innsbruck Reichenau (Parzelle 917/2; IIG-Gelände) den Nachweis für bodengelagerte Befunde, bei denen es sich um Überreste ehemaliger Lagerbauten handeln dürfte (Objekte A bis I). Zudem wurden im Süden der Untersuchungsfläche Strukturen dokumentiert (Objekte J bis L), bei denen es sich um Gebäudereste zu handeln scheint, die bis dato weder den Lagerbauten noch ehemaligen Bauten des Bauhofs zugeordnet werden können.

    © Universität Innsbruck, Institut für Archäologien

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Historischer Hintergrund

Das untersuchte Areal, auf dem sich heute unter anderem der städtische Recyclinghof Rossau befindet, war in der NS-Zeit Teil des Arbeitserziehungslagers der Gestapo. Bis in die 1960er Jahre wurde das Areal unterschiedlich genutzt, zuletzt als Notwohnsiedlung. Für den Bau des Recyclinghofs wurde diese Siedlung in den 1960er Jahren aufgelassen und abgerissen. Im „Arbeitserziehungs- und Zwangsarbeiterlager Reichenau“ wurden zwischen 1941 und 1945 circa 8500 Menschen, darunter zahlreiche politische Gefangene, inhaftiert, gefoltert und zur Zwangsarbeit verpflichtet, 114 Menschen wurden dort nachweislich ermordet. Durch die laufenden Forschungen konnten zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen werden. Ein 1972 auf dem ehemaligen Gelände des Lagers in der Rossaugasse errichteter Gedenkstein erinnert als Mahnmal an die Opfer. Dieser entspricht aber nicht mehr dem aktuellen Forschungsstand. Es wird noch heuer zu einer Ausschreibung der Neugestaltung der Gedenkstätte erfolgen.

Der Ort ist eines angemessenen Gedenkens an die Opfer nicht würdig.

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