Frei im Theater: „In yer Face“ im Don Quichotte
Kein Stück für Advent – oder doch?

Verwahrloste Männerseelen:  Philipp Walser,  Michael Krause und Konstantin Beck im Stück "Penetrator“ von Antony Neilson im Kulturzentrum Don Quichotte.
 | Foto: IMO KD
  • Verwahrloste Männerseelen: Philipp Walser, Michael Krause und Konstantin Beck im Stück "Penetrator“ von Antony Neilson im Kulturzentrum Don Quichotte.
  • Foto: IMO KD
  • hochgeladen von Christine Frei

„In yer Face“-Theater muss man sich trauen – noch dazu, wenn man sich das Stück "Penetrator" von Antony Neilson vornimmt, der ja mit Sarah Kane und Mark Ravenhill gewissermaßen zu den Ikonen dieser Theaterbewegung zählt, die sich in den frühen neunziger Jahren in Großbritannien formierte und darauf abzielte, sich selbst ebenso wie ihr Publikum durch schockierende Stoffe und provokant-vulgäre Sprache aus der theatralen Komfortzone zu holen.

Achtung Triggerwarnung 
Natürlich ist es wie die Faust aufs Auge, wenn man mit Blick auf die kitschig-romantische Weihnachtsbeleuchtung von Markthalle und Christkindlmarkt das reichlich abgefuckte WG-Wohnzimmer der beiden Protagonisten Max (Michael Krause) und Alan (Philipp Walser) betritt, in das Regisseurin Alica Sysoeva mit Support von Imo Kd das Ladenlokal im Kulturzentrum Don Quichote in der Mariahilfstraße 30 verwandelt hat. Und schon bei den ersten Szenen wird man, wie im Einführungstext zum Stück angekündigt - Triggerwarnung also - , ziemlich auf die Probe gestellt, wobei das großteils junge Publikum das alles spürbar cooler nimmt. Vermutlich weil sie dieses verbale Großaufgebot an pornographisch durchtränkten misogynen, homophoben und rassistischen Sagern aus den sozialen Medien  zur Genüge kennen.

Toxische Männlichkeit
Allerdings setzt Antony Neilson diese verbalen Schocksequenzen sehr gezielt und entlarvend ein, ist sein Stück doch letztlich eine ungemein hellsichtige Studie über die Entstehung toxischer Männlichkeit. Dass der Krieg als institutionalisierte Seelen- und Menschenzerstörungsmaschinerie dabei eine zentrale Rolle spielt, macht "Penetrator", das 1993 uraufgeführt wurde, geradezu beklemmend aktuell. Denn ihr Kumpel Stän (Konstantin Beck), der sich als Soldat für den Golfkrieg verpflichtete und plötzlich bei den beiden hereinschneit und um Unterschlupf bittet, erweist sich als hochgradig traumatisiert.

Exzellente Performance
Tatsächlich, auch das macht dieses Stück auf grandiose Weise sichtbar, beginnen die Traumatisierungen schon in der Kindheit, mit Bedürfnissen und Sehnsüchten, für die es in patriarchalen Systemen weder Platz noch Spielraum gibt. Auch wenn "Penetrator" phasenweise schwer auszuhalten und nun wirklich alles andere als eine Adventempfehlung ist - wer sich darauf einlässt, wird mit einer exzellenten schauspielerischen Performance belohnt und sich hinterher vermutlich noch eindringlicher Frieden herbeisehnen. Insofern ist es vielleicht doch ein Stück für diese Zeit.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.