Kontrollamtsbericht
Koatlackn-Sitzbänke, die ganze Geschichte

Stadträtin Uschi Schwarzl, Lisa Walde, Kulbir Singh und Wolfgang Burtscher vom Verein „Wir am Inn“ und Bürgermeister Georg Willi (v.r.) präsentierten vor einem Jahr die neuen Bänke.  | Foto: IKM
  • Stadträtin Uschi Schwarzl, Lisa Walde, Kulbir Singh und Wolfgang Burtscher vom Verein „Wir am Inn“ und Bürgermeister Georg Willi (v.r.) präsentierten vor einem Jahr die neuen Bänke.
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INNSBRUCK. Bänke dienen im Allgemeinen der Erholung und Entspannung. Bei den Bänke am Boulevard St. Nikolaus ist dies eher nicht der Fall, vor allem politisch geschehen. Das städtische Kontrollamt hat die Geschichte der Bänke aufgearbeitet. Die Entwicklung vom "Boulevard St. Nikolaus im Advent" zu den städtischen Sitzbänken.

Kontrollamtsbericht

"Die Kontrollabteilung der Stadt Innsbruck wird vom Kontrollausschuss der Stadt Innsbruck gemäß § 51 Geschäftsordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Innsbruck (MGO) unverzüglich damit beauftragt, sämtliche Rechtsgeschäfte, Vereinbarungen, Absprachen, Geldflüsse, etc. im Zusammenhang mit der Aufstellung der Sitzmöbel St. Nikolaus, Gehsteigverbreiterung Innstraße, zwischen dem Bürgermeister bzw. dem Büro des Bürgermeisters und dem Verein „Wir am Inn – Stadtteil- und Wirtschaftsverein St. Nikolaus und Mariahilf“ zu prüfen und dem Gemeinderat zu berichten." Doe Kontrollabteilung hat dem städtischen Kontrollausschuss einen umfassenden Bericht vorgelegt, der mit zwei Stimmenthaltungen dem Gemeinderat zur Kenntnis gebracht wird.

Die Grundidee

Der Verein „WIR am Inn Stadtteil- und Wirtschaftsverein St. Nikolaus und Mariahilf“ (kurz: „Wir am Inn“) stellte beim Referat Wirtschaft und Tourismus der Magistratsabteilung IV – Finanz-, Wirtschafts- und Beteiligungsverwaltung einen Subventionsantrag, der mit 26.10.2020 datiert war. Die Projektbeschreibung des Subventionsansuchens ging dabei von einer Bespielung des „Boulevard St. Nikolaus im Advent“ des Jahres 2020 aus. Die Gesamtkosten (entsprachen laut den vorliegenden Unterlagen auch der erbetenen Subvention durch die Stadt Innsbruck) dieses Vorhabens umfassten einen fünfstelligen Eurobetrag und beinhalteten neben den Sitzbänken weitere Schwerpunkte (eine Weihnachtsbeleuchtung, eine Klanginstallation, eine Kooperation mit einem Radiosender, Verkaufsstände und ein Ringelspiel). Eine detaillierte Zuordnung der Gesamtkosten auf die einzelnen Projektbestandteile war aus den übermittelten Unterlagen des Vereins nicht ersichtlich und laut dem fachlich zuständigen Referat Wirtschaft und Tourismus dem Subventionsansuchen nicht beigelegt. Mittels der Niederschrift des gemeinderätlichen Ausschusses für Arbeit, Wirtschaft und Tourismus vom 09.11.2020, welcher die thematisch entsprechenden Subventionsanträge vorberatend behandelt, war für die Kontrollabteilung ersichtlich, dass das obige Ansuchen nicht auf der Tagesordnung der Ausschuss-Sitzung stand. Unter dem Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ wurde aber auf den „neuen“ Verein eingegangen und betont, dass die Proponenten der jeweiligen Vereine in Anpruggen miteinander reden, kooperieren und schließlich bei der Umsetzung von Projekten gemeinsam vorgehen müssen. 

Die Geschichte der Sitzbänke

Aus einer Anfragebeantwortung im Gemeinderat vom geht hervor, dass die schriftliche Zusage in Höhe von je € 3.000,00 am 04.11.2020 für den Ankauf und die Produktion von (zwei mal zwei) Bänken aus den Verfügungsmitteln des Bürgermeisters erfolgte. Die finanzielle Zusage erfolgte somit vor dem Ausschuss für Arbeit, Wirtschaft und Tourismus vom 09.11.2020. 

Am 09.11.2020, also fünf Tage nach der finanziellen Zusage durch das BdB (Büro des Bürgermeisters), bzw. am Tag des gemeinderätlichen Ausschusses, stellte der Verein „Wir am Inn“ einen Antrag auf Bewilligung nach § 82 StVO für die Aufstellung von 14 Sitzbänken á ca. 1,6 m2 und einer historischen Seifenpresse (ca. 1,6 m2) im Bereich des Gehsteigs der Innstraße zwischen Hausnummer 1 bis 49. Weitere Projektbestandteile, die beim Subventionsansuchen noch Erwähnung fanden, waren beim Antrag auf Bewilligung nach § 82 StVO nicht mehr angeführt. Angesucht wurde für die Aufstellung der Bänke und der Seifenpresse ab dem 01.12.2020.

Schlussendlich wurden zwei Rechnungen (Honorarnoten) vom Verein „Wir am Inn“ (adressiert an das BdB) mit Datum 12.11.2020 übermittelt. Eine Rechnung in Höhe von € 3.000,00 bezog sich dabei auf den Ankauf von zwei Sitzbänken und eine weitere auf die Produktion von zwei Sitzbänken in Höhe von € 3.000,00. Ferner wurde auf den Rechnungen zugesichert, dass die Sitzbänke mit dem Hinweis der finanziellen Unterstützung durch die Stadt Innsbruck versehen werden.

Aus einem vorliegenden E-Mailverkehr vom 12.11.2020 war für die Kontrollabteilung abzuleiten, dass das BdB über die Antragstellung informiert gewesen ist. Ferner hat das BdB beim Amt für Wald und Natur sowie beim Amt für Grünanlagen Informationen bezüglich einer Bepflanzung der Tröge eingeholt. Am 13.11.2020 ersuchte das Referat Straßenverkehr und Straßenrecht im Zuge des Ermittlungsverfahrens mehrere städtische Dienststellen sowie das Stadtpolizeikommando Innsbruck Verkehrsreferat um Stellungnahme, ob und unter welchen Auflagen das Aufstellen von Sitzbänken und einer Seifenpresse genehmigt werden kann. In einem E-Mail vom 25.11.2020 wurden zur weiteren Abklärung mehrere Auskünfte vom Verein angefordert. Dies betraf u.a. den Abschluss einer Haftpflichtversicherung sowie einen Lageplan mit eingezeichnetem Flächenausmaß der einzelnen Sitzbänke.

Am 29.11.2020 antwortete der Verein dem Referat Liegenschaftsangelegenheiten schriftlich und zog dabei das Ansuchen für die Seifenpresse zurück. Zudem brachte der Verein klar zum Ausdruck, dass er sich außer Stande sah eine Haftung für die Aufstellung der Sitzmöbel zu übernehmen.

Am 08.01.2021 informierte die Sachbearbeiterin des Referates Liegenschaftsangelegenheiten die Leiterin des BdB, dass sämtliche Stellungnahmen vorlagen, wenngleich für die Erstellung der Stadtsenatsvorlage jedoch noch offene Fragen zu klären waren. Dies betraf u.a. die Befristung der unentgeltlichen Aufstellung der Sitzbänke auf 3 Jahre sowie die Frage, wer für die Kosten (bzw. den Ankauf) der Sitzbänke und die weitern Gebühren im Rahmen des Bescheides aufkommt.

Am 13.01.2021 empfahl das Referat Liegenschaftsangelegenheiten der Leiterin des BdB das gegenständliche Projekt (samt Plan und Stellungnahmen) an den Baudirektor (Abteilungsleiter der MA III) zur Koordination der betroffenen Fachdienststellen weiterzuleiten. Des Weiteren wurde erwähnt, dass der Verein „Wir am Inn“ seinen bestehenden Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde schriftlich zurückziehen muss. Am gleichen Tag wurde der Baudirektor der Stadt Innsbruck mittels E-Mail von der Leiterin des BdB beauftragt, dieses Projekt im Bereich Innstraße zu einem Abschluss zu bringen. Demnach wollte die Stadt Innsbruck auf dem „Boulevard St. Nikolaus“ 14 Sitzbänke aufstellen. Die Bänke wurden vom Verein „Wir am Inn“ produziert und die Kosten vom Büro des BGM übernommen. Am 13.01.2021 wurde der Antrag auf Aufstellung vom Verein „Wir am Inn“ schriftlich zurückgezogen und vom Leiter des Referates Straßenverwaltung ein neuerlicher Antrag auf Bewilligung von nunmehr 13 Sitzbänken (anstatt ursprünglich 14 Bänken) nach § 82 StVO beim Referat Straßenverkehr und Straßenrecht eingebracht. Der erforderliche Bescheid wurde am 14.01.2021 bewilligt. Die Kosten wurden im Bescheid vom zuständigen Referat Straßenverkehr u. Straßenrecht mit insgesamt € 114,30 vorgeschrieben und am am 29.01.2021 aus den Verfügungsmitteln des Bürgermeisters bezahlt.

Die Aufstellung von 6 Sitzbänken (mehr waren laut Aktenlage nicht vorhanden) wurden vom Amt für Straßenbetrieb am 25.02.2021 durchgeführt. 

Für die Kontrollabteilung war in diesem Zusammenhang die Beauftragung durch das Büro des Bürgermeisters auffallend und daher näher zu betrachten, zumal das BdB als Stabsstelle organisiert war und dessen hierarchische Gliederung sowie Kompetenzen im Regelwerk der Stadt Innsbruck klar festgelegt waren. Das Büro des Bürgermeisters war somit in der MGO als eine organisatorische Stabsstelle beim Bürgermeister angesiedelt, wobei dieser Stabsstelle laut dem besonderen Teil der MGO u.a. folgende Aufgaben zugedacht wurden:

  • Unterstützung bei der Wahrnehmung der Leitungsaufgaben nach § 31 des Stadtrechts der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 und der Vertretungsaufgaben nach außen im Sinne § 42 leg. cit.
  • Repräsentationswesen
  • Ehrungen und Auszeichnungen
  • Soforthilfe in sozialen Notfällen
  • Organisation und Koordination von Fahrdiensten
  • Bearbeitung von Gemeinderatsanfragen und -anträgen
  • Vorbereitung der Beantwortung „dringender Anfragen“ im Gemeinderat

Eine eigenständige Beauftragung einer Abteilung, eines Amtes oder eines Referates durch die Stabsstelle BdB sowie die Übertragung von Kompetenzen an das BdB, welche dem Bürgermeister als Organ zufallen, war weder aus der MGO noch aus dem Stadtrecht ableitbar. Im Anhörungsverfahren wurde der Kontrollabteilung gegenüber kommuniziert, dass der Empfehlung nachgekommen wird und zukünftig die erwähnten Beauftragungen den Dienststellen erkenntlich gemacht werden.

Attraktivierung

Im Feber 2021 berichten die BezirksBlätter Innsbruck: "Der baulichen Attraktivierung des öffentlichen Raumes durch die Gehsteigverbreiterung in St. Nikolaus folgt jetzt auch eine optische: Sechs neue Sitzbänke laden dort ab sofort zum Verweilen ein. Gestaltet und produziert wurden sie vom Verein „Wir am Inn“. Die Stadt Innsbruck unterstützt das Projekt mit einem Zuschuss von 6.000 Euro. „St. Nikolaus hat mit dem Waltherpark, der Innpromenade, der beliebten Spiel- und Liegewiese ,Wiesele‘ in der Innstraße und den naheliegenden Wäldern viele frei zugängliche Flächen, wo sich Innsbruckerinnen und Innsbrucker an der frischen Luft erholen können“, betont Bürgermeister Georg Willi und führt weiter aus: „Die sechs Bänke sind erst der Anfang, in naher Zukunft sollen noch weitere Sitzgelegenheiten folgen." (Bericht hier zum Abrufen) Im April 2021 folgte im Gemeinderat die Diskussion über die Bänke. "Was haben die Bänke gekostet? Wer hat die Haftung? Wie wurden sie finanziert? Viele Fragen wurde am Ende der Gemeinderatssitzungen zu den Bänken am "Boulevard St. Nikolaus" gestellt. Ergebnis der Diskussion: viele Kritik, viele Fragen und wenig Antworten", bilanzieren die BezirksBlätter Innsbruck die Dikussion rund um die Anfragebeantwortung.

Auszüge aus der Diskussion

GR Gerald Depaoli kritisiert die Finanzierung der Bänke sowie die Haftungsproblematik. Vizebgm. Markus Lassenberger sieht in der von Bürgermeister gewählten Vorgangsweise eine versteckte Vereinsförderung. GR Julia Seidlwünscht sich eine Bündelung der Kräfte der vorhandenen Stadtteilentwicklungsvereine und keine Bevorzugung einzelner Vereine. GR Andrea Dengg stellt die Frage, warum nicht der IVV (Innsbrucker Verschönerungsverein) die Aufstellung der Bänke übernommen hat. Bgm. Georg Willi erklärt das Vorgehen und die Idee der Bänke. Die Haftung von Bänken wird von der Stadt aufgrund des Aufstellens im öffentlichen Raum übernommen. GR Benjamin Plach sieht positive Akzente der Initiative aber auch Widersprüche in der Anfragebeantwortung. Die freihändige Vergabe der Unterstützung durch Bgm. Willi sieht er kritisch. GR Janine Bex erinnert an die gemeinsame Nutzung der installierten Bänke als Blumentröge und argumentiert damit die Mehrkosten. GR Markus Stoll kritisiert die finanzielle Abwicklung der Unterstützung. Er hinterfragt den behördlichen Ablauf der Aufstellung und stellt die Frage, ob die Aufstellung durch eine Weisung des Bürgermeisters bzw. dessen Büro erfolgt ist. GR Depaoli führt aus, dass der Sehbehindertenbeauftragte nicht an der Aufstellung beteiligt war. Für GR Plach und GR Stoll bleibt bei der Finanzierung der Bänke durch den Bürgermeister ein "Gschmäkle" über. Ein Gemeinderatskiebitz meinte nach der fast einstündigen Diskussion: "Kontrollausschuss, übernehmen sie." Bgm. Willi meinte abschließend: "Das nächste Mal kann man gerne auf Details eingehen und Vereinen mitteilen, dass sie, so wie andere auch, einen Subventionsantrag einbringen müssen. In diesem konkreten Fall waren wir mitten in der Pandemie und ich habe gemerkt, dass dort etwas Tolles entsteht, das ich unterstützen möchte!" (Protokoll der Gemeinderatssitzugn April 21, ab Seite 360)

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