Theaterkritik
Schlichtweg eine Sensation

Beim Hochzeitsschmaus: „Mackie“ Francesco Cirolini und „Polly“ Daniela Bjelobradic | Foto: Lisa Kapici
  • Beim Hochzeitsschmaus: „Mackie“ Francesco Cirolini und „Polly“ Daniela Bjelobradic
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INNSBRUCK. Die Volkskantine begeistert auf Schloss Mentlberg mit Brechts Dreigroschenoper.

Premierenabend

Es lag zweifelsohne ein Hauch von Volksschauspiel-Flair in der Luft, an diesem Premierenabend, an dem das Wetter genauso bravourös mitspielte wie alles andere auch. Denn diese Produktion von Brechts Dreigroschenoper trotzte ebenso wie schon die Uraufführung vor 92 Jahren allen widrigen Umständen und bescherte uns nach diesen langen Wochen und Monaten der Abstinenz eine regelrechte Theatersternstunde.

Entdeckung

Und das an einem Aufführungsort, der einen auf ganz eigene Weise der Stadt entrückt und in eine andere Welt eintauchen lässt. Schloss Mentlberg ist als Spielort tatsächlich die Entdeckung dieses Sommers. Auch das erinnert natürlich an die Volksschauspiele, die sogar als Sponsorinnen in der kleinen Logoleiste aufscheinen. Und zwar gleich doppelt, also die neue GmbH ebenso wie der alte Verein, der übrigens nahezu geschlossen der Premiere seine Aufwartung machte.

Sensationell

Um vermutlich genauso zu staunen wie alle anderen: Denn was die Volkskantine-Frauen Lisa Hörtnagl und Tamara Burghart da in wenigen Wochen gemeinsam mit Regisseurin Susi Weber, Musikchef Kasper de Roo, Ausstatterin Esther Frommann und dem gesamten Ensemble auf Schloss Mentlberg realisierten, ist schlichtweg eine Sensation. Selten erschien einem Brecht so am Punkt, die Verfremdung so plausibel. Susi Weber bringt in ihrer Inszenierung Text wie Darstellerinnen und Darsteller gleichermaßen zum Glänzen.

Grandiose Leistung

Thomas Lackner und Brigitte Jaufenthaler geben als Ehepaar Peachum in ihrer sprachlichen wie gesanglichen Präzision gleich von Anfang an den Ton vor. Daniela Bjelobradic ist als deren Tochter Polly, die sich ausgerechnet mit ihres Vaters Widersacher Macheath ins Ehebett legen wird, hinreißend überdreht und trotzdem in jeder Sequenz von einer geradezu naiven Wahrhaftigkeit. Lisa Hörtnagls Spelunkenjenny trägt die abgründige Melancholie des ganzen Stückes in ihrer Stimme. Rafael Haider begeistert als filigraner schwarzgewandeter Moritatensänger auf überdimensionierten Plateauschuhen mit der berühmten Moritat von Meckie Messer. Francesco Cirolini mimt den Bösewicht Maceath: er ist ein galanter Haudegen, dem man seine Schandtaten gar nicht recht glauben mag. Kapellmeister Kasper de Roo unterstützt ihn wie auch die anderen Darsteller/innen bei den Gesangspartien nach Kräften, denn Weills Musik ist ebenso wunderbar wie tückisch. Esther Frommann zeigt in ihrer Ausstattung zwar das Elend der Gestrandeten, das auch ein Boot sinnfällig andeutet, lässt aber immer noch einen Rest von Würde und Eleganz durchschimmern. „Ist das nötige Geld vorhanden, ist das Ende meistens gut“, textete Brecht in der Schluss-Strophe der Moritat. Und zuweilen ist es so wie hier geradezu grandios. (CF)

Unter diesem Link finden Sie eine Fotogalerie mit 118 Fotos der Aufführung.

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