Frei im Theater: Last Paradise Lost
Vertreibung aus dem Paradies
Dass biblische Geschichten in ihrer dramatischen Wucht und mit ihren stets hochmoralisch-ethischen Fragestellungen geradezu prädestiniert sind für die Bühne – und insbesondere für das Musiktheater, steht außer Frage. Ob sie in einer zunehmend säkularen Welt wie der unseren auch bei Neuproduktionen noch funktionieren, darüber war ich mir vor dem Besuch der von Günter Werno, Andy Kuntz und Stephan Lill geschriebenen Rockoper “Last Paradise Lost“ im Großen Haus des TLT nicht wirklich schlüssig. Noch dazu bei einem Thema wie der Vertreibung aus dem Paradies.
Empathischer Blick auf Adam und Eva
Doch John Miltons monumentales Versepos „Paradise Lost“ aus dem Jahr 1667, das er unter schwierigsten Umständen verfasste – er litt nicht nur an fortschreitender Erblindung, sondern hatte nach dem Sturz Cromwells auch sein ganzes Vermögen verloren - besticht durch einen ungeheuer empathischen Blick auf jenes erste Menschenpaar, das uns in der Genesis relativ ernüchternd als Error auf der ganzen Linie präsentiert wird. Wider Erwarten erweist sich selbst der fortwährende Kampf zwischen Gottes Anhänger:innenschaft und den gefallenen Engeln, angeführt von Luzifer und seinen Mitstreitern Beelzebub und Belial als ungemein fesselnd, was ganz klar dem mächtigen, geradezu hymnischen Live-Sound geschuldet ist.
Stimmgewaltiges Match zwischen Gut und Böse
Denn die Komponisten, die allesamt der Prog Metal Band Vanden Plas angehören, stehen auch als Musiker auf der Bühne. Und Andy Kuntz matcht sich als Erzengel immer wieder stimmgewaltig mit dem charismatischen Randy Diamond als Luzifer. Frank Kühfuß und Amber-Chiara Eul begeistern als Adam und Eva mit innigen Duetten, ihnen sehen wir Stück für Stück beim Erwachsenwerden zu. Urs Häberli gelingt es in seiner Inszenierung auf überraschend einnehmende Weise, dass wir gar nicht mehr anders können, als uns wie selbstverständlich in diesen ewigen Entscheidungskampf zwischen Gut und Böse einzuklinken. Und lässt uns der Waffenstillstand zuletzt auch kurz aufatmen, an einem besteht kein Zweifel: Das Paradies ist für immer verloren
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