Landestheater
Wenn der Irrsinn am Zug ist

Anstaltsärztin Mathilde von Zahnd (Antje Weiser), hier mit Petra Alexandra Pippan als Oberschwester, entpuppt sich als die wahre Irre.  | Foto: Rupert Larl
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  • Anstaltsärztin Mathilde von Zahnd (Antje Weiser), hier mit Petra Alexandra Pippan als Oberschwester, entpuppt sich als die wahre Irre.
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INNSBRUCK (cf). Das Landestheater zeigt Friedrich Dürrenmatts fatale Komödie „Die Physiker“.
Vermutlich hat jede Generation ihre Apokalyse. Greta Thunberg skizzierte das aktuelle Untergangsszenario erst kürzlich wieder in Davos. Friedrich Dürrenmatt wiederum war geprägt von einem grauenhaften Weltkrieg, der sich für ihn als Schweizer erste Reihe fußfrei abspielte. Unter dem Eindruck dieser Absurdität, wird er später in einem Interview sagen, sei er Schriftsteller geworden, „um diese Welt … schreibend in den Griff zu bekommen.“ Vielleicht gar nicht unähnlich seiner Hauptfigur Möbius in seinem Stück „Die Physiker“, der durch die Flucht ins Irrenhaus ja ebenfalls nach einer Möglichkeit sucht, um die Welt oder wohl eher die Menschheit vor den vernichtenden Folgen seiner Weltformel zu schützen.

Nach 36 Jahren wieder am TLT

Doch Möbius wählt für Dürrenmatt den falschen Weg: Als er „Die Physiker“ 1961 schrieb, war die Kuh sprichwörtlich schon aus dem Stall und die Gefahr einer nuklearen Auslöschung der Menschheit bereits politische Realität. Was wir zuletzt vielleicht ein wenig verdrängt hatten, aber durch die jüngste Eskalation zwischen den USA und dem Iran wieder kurz am Newsschirm aufflackerte. Insofern haben Dürrenmatts Physiker, die nun in einer Inszenierung von Elisabeth Gabriel nach 36 Jahren wieder am Großen Haus des Tiroler Landestheaters gespielt werden, eine geradezu beklemmende Aktualität.

Die schlimmst mögliche Wendung

Zumal die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft – auch im Hinblick auf Gentechnik und Digitalisierung – längst weiter gefasst werden muss. Dürrenmatts theatrale Antwort ist dabei ebenso ernüchternd wie unmissverständlich. „Die schlimmst mögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.“ Möbius gelingt es zwar, seine für den West- und Ostblock arbeitenden Physikerkollegen nach deren Outing davon zu überzeugen, mit ihm im Irrenhaus zu bleiben, doch die Anstaltsleiterin entpuppt sich letztlich als die eigentliche Irre. Sie hat nicht nur die Morde an den Krankenschwestern provoziert, sondern sich noch vor der Vernichtung durch Möbius alle seine Unterlagen gesichert.

Allesamt verlorene Seelen

Auch wenn „Die Physiker“ einen dramaturgisch nicht mehr wirklich überraschen, war es doch frappierend, wie einen die Figuren trotz grandioser darstellerischer Leistung seltsam auf Distanz halten. Denn letztlich sind sie eben alle einsam und verloren dahintorkelnde Seelen. Und wenn Bühnenbildner Vinzenz Hegemann das Anstaltswohnzimmer mit riesiger Fensterfront im zweiten Akt gewissermaßen ins Universum hinaus öffnet und zuletzt grüne Matrixreihen regnen lässt, wird einem die Vergeblichkeit des Physiker-Versteckspiels auch sinnbildlich bewusst.

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Fotos: Rupert Larl
Sind im Irrenhaus auf verlorenem Posten: die drei Physiker, gespielt von Raphael Kübler, Stefan Riedl, Phillip Henry Brehl.
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