Frei im Theater: Bruder Jakob im Brux
Die zerstörerische Kraft der Ungewissheit

Aus Angst vor der Wahrheit sind sich die beiden Geschwister (Florian Hackspiel, Marie-Louise Kitzmüller) über Jahre aus dem Weg gegangen. Als sie erstmals nach dem Freitod ihres Bruders aufeinandertreffen, wird gnadenlos abgerechnet. | Foto: Saskia Stolzlechner
  • Aus Angst vor der Wahrheit sind sich die beiden Geschwister (Florian Hackspiel, Marie-Louise Kitzmüller) über Jahre aus dem Weg gegangen. Als sie erstmals nach dem Freitod ihres Bruders aufeinandertreffen, wird gnadenlos abgerechnet.
  • Foto: Saskia Stolzlechner
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Alle Jahre wieder meldet sich der Schauspieler, Regisseur und Theatermacher Florian Hackspiel mit seinem 2003 gegründeten Theater Melone in seiner Heimatstadt Innsbruck zurück – und wie es der namensgebenden Frucht seines Theaterprojekts auch entspricht, stets mit erfrischend anderer Kost, neuen Gesichtern, immer wieder jungen, spannenden Autor:innen. Für die aktuelle Uraufführung „Bruder Jakob“, die noch bis 16.12. im Brux zu sehen ist, wurde er wie schon im letzten Jahr bei der Produktion „Die Erschöpfung der Welt“ in der rührigen heimischen Slammer-Szene fündig.

Mitreißendes Dialogstück
Damals mit Johanna Kröll, alias Hierkönntemein Namestehen, die mit einer ungemein gewitzten Faust-Aneignung begeisterte, nun mit Emil Kaschka, der im Vorjahr mit „Grünholz“ bereits seinen ersten (Jugend-)Roman veröffentlichte und aktuell Drehbuch an der Filmakademie Wien studiert. Was als Einfluss deutlich spürbar ist, denn „Bruder Jakob“ ist ein konzis gebautes und geschriebenes Dialogstück, ein furios sich steigernder Schlagabtausch zwischen zwei Geschwistern, die sich so endlich und überfällig der letzten Nachricht ihres jüngsten Bruders Jakob vor dessen Suzid stellen können.

Angst vor der Wahrheit
Die Wahrheit sei dem Menschen zumutbar, befand schon Ingeborg Bachmann. „Bruder Jakob“ zeigt auf ebenso einfühlsame wie eindringliche Weise, wie zerstörerisch all die selbst gezimmerten unverifizierten Schuldzuweisungs- und Scham-Konstrukte in uns wirken, wie sie Menschen mehr und mehr auseinandertreiben, obwohl vielleicht ein klärender Satz alles relativieren und heilen könnte. Florian Hackspiel verkörpert in dieser Ko-Produktion mit Theater unterm Dach aus Berlin nicht nur Jakobs älteren Bruder gemeinsam mit Marie-Louise Kitzmüller als Schwester, er hat auch die Regie übernommen, nutzt dabei Mikrofone für die Textnachrichten und lauernde Sound-Inserts (Marvin Holley), um immer wieder den atmosphärischen Bogen zum verstorbenen Bruder zu spannen, dessen Kleidungsstücke Thomas K. Mörschbacher einfach quer über den hinteren Bühnenraum auf Seile gehängt hat. Wirklich sehenswert!

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