Frei im Theater: Ich fühl´s nicht
Über die Liebe in Zeiten wie diesen

Bunt, schrill und dabei unfassbar differenziert und klug: "Ich fühl´s nicht" ist nicht nur eine meister:innenhaft gelungene Bühnenübersetzung von Liv Strömquists gleichnamigem Comic, sondern ganz klar eines der absoluten Theater-Highlights dieser Saison.  | Foto: Birgit Gufler
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  • Bunt, schrill und dabei unfassbar differenziert und klug: "Ich fühl´s nicht" ist nicht nur eine meister:innenhaft gelungene Bühnenübersetzung von Liv Strömquists gleichnamigem Comic, sondern ganz klar eines der absoluten Theater-Highlights dieser Saison.
  • Foto: Birgit Gufler
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Ein Comic auf der Bühne? Zum All-Time-Thema Liebe? Und dann noch von einer feministischen Comiczeichnerin? Nein, die Frage stellt sich nicht, ob und wie das geht. Was Susanne Schmelcher, deren Anna-Karenina-Inszenierung am TLT 2015 als beste Bundesländer-Produktion mit dem Nestroy ausgezeichnet wurde, hier gemeinsam mit Ausstatterin Marion Hauer und dem Ensemble-Quartett Jan-Hinnerk Arnke, Phillip Henry Brehl, Florian Granzner und Yael Hahn mit „Ich fühl´s nicht“ nach dem Comic von Liv Strömquist auf die Kammerspiel-Bühne gezaubert hat, das ist witzig, spritzig, charming, sexy und gleichzeitig derart klug, erkenntnisreich und trotz der ganzen Malaise, die das Thema leider mit sich bringt, in jeder Sequenz liebevoll und eben nicht zynisch. Mit einem Wort: ein Must-See!

Aufklärungs-Revue im Comic Style
„Ich fühl´s nicht“ präsentiert sich stilgerecht als bunte, kurzweilige und blitzgescheite Aufklärungs-Revue – denn letztlich ist Strömquists Comic ja eine ungemein fundierte Anthropologie über die Möglichkeit respektive Unmöglichkeit von Liebe im aktuellen Spätkapitalismus. Ausgehend von Schauspiel-Ikone und Wiederholungs-Dater Leonardo DiCaprio, dessen Auserwählte irgendwie alle derselben Photoshop-Illusion entsprungen zu sein scheinen, spannt sie sofort den Bogen hin zum bekannten südkoreanischen Philosophen und Neoliberalismus-Kritiker Byung-Chul Han und zur französischen Star-Soziologin Eva Illouz, die mit glasklaren Analysen unser systemimmanentes Gefühlschaos entwirren. Stellt dem die Konzepte früherer Epochen gegenüber und zeigt uns mit Sequenzen zu Kirkegaard und Regine O. , Graf Wronski und Anna Karenina, Lord Byron und Lady Lamb, dem kleinen Prinzen und seiner Rose andere prominente Leo-Beispiele aus Historie und Literatur.

Die Sehnsucht bleibt
Wie sehr uns dabei auch noch Hormone und Co in die Irre führen, muss nicht weiter ausgeführt werden. Letztlich – und das ist die gute Nachricht – verbirgt sich hinter all den narzisstischen Schutzmechanismen eine unermessliche Sehnsucht, irgendwann eben doch in einem Gegenüber gefahrlos aufzugehen. Der Weg dorthin, auch darüber kommt in „Ich fühl´s nicht“ kein Zweifel auf, ist nicht unbedingt leichter geworden. Sei´s drum!

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