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Generation "Gefällt mir"
Facebook, Twitter, WhatsApp, YouTube und wie sie alle heißen: Social Media sind nicht nur ein Kommunikationssegen, sie bergen auch ein gewisses Suchtpotential in sich. Wie man Sucht erkennt, welche Folgen sie haben kann und wie man Betroffenen helfen soll, erklärt Kathrin Sevecke, die Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dort startete im Frühjahr 2015 eine großangelegte Studie zum Thema Internetsucht.
Ab wann wird Internetsurfen, Zocken und Chatten zur Sucht und welche Folgen kann sie haben? Diesen und weiteren Fragen geht derzeit ein Forschungsteam der Kinder- und Jugendpsyiachtrie Innsbruck auf den Grund. In einer Studie wollen die Innsbrucker Forscher herausfinden, wie viele Stunden ihre jungen PatientInnen in der Ambulanz und in den Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie vor dem Computer oder dem Handy – sprich im Internet – verbringen. Ziel der Studie ist es herauszufinden, wie hoch der Prozentsatz einer Internetabhängigkeit ist und wie diese mit anderen psychischen Krankheiten und Auffälligkeiten zusammenhängt. Es ist ein sehr junges Forschungsfeld in der Kinder- und Jugendpsychatrie, denn Social Media und unbegrenzte Internetverfügbarkeit sind erst seit rund zehn Jahren ein großes Thema in der Gesellschaft, mittlerweile haben 90 Prozent der Tiroler Haushalte Internetzugang. Und ganz so klar ist noch nicht, ab wann man von einer Sucht spricht.
Klar ist aber: „Das Thema ist ein sehr großes und es wird in den kommenden Jahren noch größer“, sagt Kathrin Sevecke, die Direktorin der Kinder- und Jugendpsychatrie an der Uniklinik Innsbruck. „Es gibt bereits Studien zu Internetsucht aus Deutschland, aber noch keine aus Österreich. Vor allem gibt es noch keine Studie, die sich speziell mit psychisch erkrankten Jugendlichen beschäftigt. Es gibt sehr viele verschiedene Facetten innerhalb dieser Thematik. Den Internetgebrauch erlernen Kinder heute von klein auf. 90 Prozent der Haushalte haben Internet und die meisten Jugendlichen besitzen ein Smartphone. Wichtig ist, dass Kinder auch Medienkompetenz in der Schule und durch die Eltern erlernen, denn viele sind sich der Verbreitungsgeschwindigkeit und auch der Verbreitungsbreite ihrer geteilten Inhalte nicht bewusst. Die digitalen Fußstapfen, die hinterlassen werden, sind nicht löschbar, und schneller, als einem oft lieb ist, weiß die ganze Schule über bestimmte private Dinge Bescheid. Genau deshalb ist es so wichtig, dass Medienkompetenz auch gelehrt wird. Man kann im Internet nichts zurücknehmen oder löschen. Es kursieren dann vielleicht Fotos von Ritzwunden, Bilder mit leichter Bekleidung oder wilde Partyfotos im Netz. Das sind dann die Nebenwirkungen“, erklärt Sevecke.
Wann spricht man von Sucht?
Ab wann ein Mensch süchtig ist, kann man nicht pauschal sagen. „Man kann keinen Cut-off-Wert nennen. Das heißt, man kann nicht sagen, dass alles über drei Stunden Internetkonsum schädlich ist oder hier ein Suchtverhältnis besteht. Bei einem gesunden Jugendlichen, der viele reale Freunde hat, der gut in der Schule integriert ist und der eine stabile Persönlichkeit besitzt, hat Internetkonsum natürlich ganz andere Auswirkungen als bei psychisch labilen jungen Leuten. Ich habe Patienten, die eine Schulphobie (Anmerkung: Angst davor in die Schule zu gehen), Depressionen oder andere Ängste haben. Für sie ist es natürlich gefährlicher, stundenlang vor dem Smartphone, dem Computer oder dem Fernseher zu sitzen. So denken sich diese Jugendlichen, in eine Fantasiewelt hinein und verdrängen die reale immer mehr. Es wird dann das Unangenehme in der Realität vermieden. Man geht nicht mehr regelmäßig oder gar nicht mehr in die Schule und es werden virtuelle Beziehungen mehr gepflegt als reale, weil es ganz einfach leichter ist“, sagt Sevecke. Es braucht also – vereinfacht gesagt – ein stabiles seelisches Grundgerüst, um mit der virtuellen Welt zurechtzukommen und nicht Gefahr zu laufen, von ihr verschluckt zu werden. „Wichtig sind dabei zwei Dinge: Zum einen die Medienkompetenz, die gelehrt werden muss und zum anderen die Eltern, die dranbleiben und wissen, womit sich ihre Kinder auseinandersetzen und wie sie ihre Zeit verbringen. Es ist ganz häufig so, dass Eltern nicht mehr darüber Bescheid wissen. Sie haben fast keine Ahnung davon."
Erkennt man Sucht?
Jugendliche haben eine verschobene Wahrnehmung, sie sehen sich selbst meist als nicht gefährdet an. „Bei uns in der Station haben wir bei Patienten Handyzeiten und haben viele schwierige Diskussionen darüber. Junge Leute sind es nicht mehr gewohnt, ohne ihr Handy auszukommen. Sucht muss behandelt werden und das ist nicht in wenigen Wochen erledigt. Man muss diese Patienten längerfristig begleiten. Wir empfehlen hier eine Mischung aus stationärer und ambulanter Therapie. Ist man nicht in sich gefestigt, ist das Rückfallrisiko ein hohes, da man Internet immer und überall zur Verfügung hat“, sagt Sevecke und sie geht davon aus, dass genau dies die Gesellschaft in einigen Jahren einholen und zu einem sehr großen Thema werden wird.
So kann man Freunden helfen
Vielleicht kennt man ja selbst in seinem Freundeskreis Leute, die ständig online sind. Gedanken machen sollte man sich, wenn sie sich von ihren Freunden zurückziehen, in der Schule schlechter werden, die halbe Nacht wach sind, um vor dem Smartphone oder dem Computer zu sitzen, und keinen Sport mehr machen oder gar nicht mehr hinausgehen. „Dann sollte man das als Freund oder Freundin unbedingt ansprechen und nicht nur einmal, sondern auch mehrfach. Weiters ist es wichtig zu beobachten, wie sich der Freund verhält. Unbedingt sollte man solche Freunde dann auch ermutigen, zu einer Fachstelle zur Beratung zu gehen. Dieser Schritt ist aber für Betroffene sehr schwierig. Deshalb sind oft mehrere Gespräche nötig. Betroffene werden sich wehren und werden sagen, dass alles passt und sie kein Problem haben. Als Feund sollte man dranbleiben, nicht wegschauen sondern versuchen, in Kontakt zu bleiben. Auch Eltern sollten, wenn sie ein unverhältnismäßiges Internetnutzen feststellen, dranbleiben. Schlimm ist es, wenn gar kein Dialog mehr stattfindet. Wie gesagt, meist geht eine solche Suchtentwicklung immer mit weiteren psychischen Erkrankungen einher und sie alle brauchen eine Behandlung“, fordert Sevecke dazu auf, sein Umfeld zu beobachten und seinen Freunden auch zu helfen.
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