Neues Kompetenzzentrum
Ausbau des Gewaltschutzes an den tirol kliniken

von links: Thomas Beck, Marion Pavlic, Andrea Hohenegger, Cornelia Hagele, Eva Pawlata, Klaus Kapelari | Foto: G. Berger
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Das Thema häusliche Gewalt könnte aktueller nicht sein. Um Opfer niederschwellig zu unterstützen, wurde an der Klinik Innsbruck ein neues Kompetenzzentrum für Gewaltschutz und eine Gewaltschutzambulanz eröffnet. 

TIROL/INNSBRUCK. Die tirol kliniken haben seit 1993 eine Kinderschutz- und seit 2012 eine Opferschutzgruppe. Seit 2019 erfolgt ein Routinescreening für Opfer von Gewalt in den Notaufnahmen. 2021 wurde der Notruf „Dr. Viola“ erfolgreich aktiviert. Das neu eröffnete Kompetenzzentrum und die Gewaltschutzambulanz setzen diesen Weg fort, da häusliche Gewalt weitreichende Folgen haben kann.

Cornelia Hagele, Gesundheitslandesrätin | Foto: G. Berger
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Ein Vorbild für ganz Österreich

„Ein verantwortungsvoller, sensibler und professioneller Umgang mit Gewaltbetroffenen ist in unserer Gesellschaft ein Muss. Gerade beim Thema Opferschutz stellen Gesundheitseinrichtungen eine der zentralen Anlaufstellen für betroffene Menschen dar. Die Früherkennung gewaltbetroffener Personen ist nicht nur Teil des gesetzlichen Auftrages an Opferschutz- und Kinderschutzgruppen im Krankenhaus, sondern auch eine wesentliche Aufgabe in der akuten Versorgung von Betroffenen und in der Prävention. Es freut mich deshalb und es macht mich stolz, dass die tirol kliniken und die Innsbrucker Klinik im Besonderen hier seit Jahren österreichweit eine Vorreiterrolle einnehmen. So auch jetzt, bei der Eröffnung des ersten Kompetenzzentrums Gewaltschutz und der ersten dazugehörigen Gewaltschutzambulanz in Österreich. Auch wenn die finanziellen Mittel, die der Bund dafür vorgesehen hat, bisher in andere Bundesländer fließen, hindert uns das in Tirol nicht daran, trotzdem Nägel mit Köpfen zu machen",

betont Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele im Rahmen der Eröffnung. Die Publikmachung dieses neuen Angebots der tirol kliniken ist laut Landesrätin Hagele enorm wichtig. Für einen idealen Opferschutz ist eine frühzeitige Erkennung von Gewalt wesentlich. 

Eva Pawlata, Frauenlandesrätin | Foto: G. Berger
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Sichere Zugänglichkeit

Frauenlandesrätin Eva Pawlata führt weiter aus:

„Ein niederschwelliges Netzwerk, das nicht nur die medizinische Versorgung sicherstellt, sondern den Betroffenen psychosoziale Unterstützung zukommen lässt und auch die Sicherstellung von Beweisen ermöglicht, ist eine langjährige Forderung aus der Praxis. Durch die Umsetzung dieses umfassenden Konzepts auf Grundlage der jahrelangen Erfahrungen aus der Arbeit der Opfer- und Kinderschutzgruppe und dem Projekt ‚Dr. Viola‘ kommen wir beim Opferschutz einen entscheidenden Schritt weiter. Essentieller Bestandteil ist die Vernetzung innerhalb der gesamten Organisation der Tirol Kliniken. Umso mehr freut es mich, dass dieses Verständnis nunmehr fest verankert wird.“

Die Zahlen von Gewaltopfer, welche bekannt sind, sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich um einiges größer. 

Thomas Beck, Psychologische Leitung Kompetenzzentrum Gewaltschutz | Foto: G. Berger
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Nur ein weiterer Zwischenschritt

Für Klaus Kapelari und Thomas Beck ist das neue Kompetenzzentrum nur ein weiterer logischer Schritt.

„Im Grunde fassen wir Existierendes zusammen und bringen es in einen formellen Rahmen. Denn umfassender Gewaltschutz braucht das medizinische und pflegerische Wissen vieler Disziplinen und muss natürlich über den Akutbereich hinausgehen. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, können wir Betroffene frühzeitig erkennen und ihnen schnell die richtige Hilfe zukommen lassen. Diese Früherkennung ist notwendig, um einen Ausstieg aus der Gewaltspirale möglich zu machen. Vielen Betroffenen ist der Zusammenhang zwischen körperlichen Symptomen und der Gewalterfahrung selbst nämlich gar nicht bewusst. Wichtig ist dabei auch die Kooperation mit der Gerichtsmedizin, wie sie in Innsbruck schon seit vielen Jahren existiert",

beschreibt es Thomas Beck, Psychologischer Leiter des neuen Kompetenzzentrums. Weiters betont Beck, dass es im Grunde traurig ist, dass es eine solch breite Aufstellung für Gewaltopfer in Innsbruck und Tirol braucht. Die Erschließung des Kompetenzzentrums war für alle Beteiligten eine multidisziplinäre Aufgabe. 

Klaus Kapelari, Ärztliche Leitung Kompetenzzentrum Gewaltschutz | Foto: G. Berger
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Das Krankenhaus - ein Ort der Sicherheit

Klaus Kapelari, der Ärztliche Leiter, weiß, dass vor allem die Niederschwelligkeit des Angebots ein sehr wichtiger Faktor ist:

„Mit unserer Erfolgsgeschichte Dr. Viola konnten wir zeigen, wie extrem wichtig es ist, Betroffenen einfache und sensible Hilfsangebote zu machen. Die Hemmungen, Hilfe zu suchen und um Hilfe zu bitten sind für Gewaltopfer sowieso schon scheinbar unbezwingbar. Deswegen arbeiten wir stetig daran die Hilfe zu den Betroffenen zu bringen, egal auf welcher Station oder Ambulanz der erste Kontakt erfolgt. Am Beispiel Kinder wird außerdem deutlich, wie wichtig eine vernetzte und umfassende Betreuung ist. Kinder müssen gar nicht selbst Opfer von Gewalt sein. Es reicht auch schon Zeuge von familiärer Gewalt zu sein, um massive und bleibende Schäden davon zu tragen.“

Auch wenn die Opfer keine Anzeige erstatten wollen, ist die Dokumentation von stattgefundenen Übergriffen sehr wichtig, damit auch zu einem späteren Zeitpunkt weitere Schritte eingeleitet werden können und somit Beweise vorliegen. 

Marion Pavlic, Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck | Foto: G. Berger
  • Marion Pavlic, Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck
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Stellenwert der Gerichtsmedizin

Marion Pavlic von der Gerichtsmedizin der Medizinischen Universität Innsbruck:

„Wir sind als Institut der Medizinischen Universität Innsbruck ja schon seit vielen Jahren in die Arbeit des Opfer- und Kinderschutzes eingebunden. Die tirol kliniken nehmen hier mit Sicherheit eine österreichweite Vorreiterrolle ein, in der wir zeigen, wie die Zusammenarbeit zum Wohle der Opfer unter bestmöglicher Nutzung der vorhandenen Ressourcen funktionieren kann. Die Kernkompetenzen der Gerichtsmedizin umfassen die Einschätzung von körperlichen Verletzungen und deren gerichtsverwertbare Dokumentation ebenso wie Spurensicherung, DNA-Analysen und toxikologische Untersuchungen. Diese Expertise stellen wir unabhängig von einer polizeilichen Anzeige zur Verfügung. Insgesamt heißt erfolgreicher Opferschutz fächerübergreifende interdisziplinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wie wir sie in Innsbruck leben.“

Andrea Hohenegger, stv. Leiterin der Opferschutzgruppe LKI | Foto: G. Berger
  • Andrea Hohenegger, stv. Leiterin der Opferschutzgruppe LKI
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Ausbildung in allen Bereichen

Abgeschlossen sind die Bemühungen der Innsbrucker Klinik in Sachen Gewaltschutz mit der heutigen Eröffnung aber natürlich nicht. Ende März startet bereits das nächste österreichweit einzigartige Projekt: Die Ausbildung von Gewaltschutzbeauftragten in allen Bereichen der Klinik. Andrea Hohenegger, stv. Leiterin der Opferschutzgruppe der Innsbrucker Klinik:

„Betroffene können im Grund in allen Bereichen der Klinik auftauchen. Wir starten deshalb ein Schulungsprogramm, wo in jedem Bereich, egal ob Station oder Ambulanz Gewaltschutzbeauftragte ausgebildet werden, die als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren fungieren und ihren Kolleginnen und Kollegen den richtigen Umgang mit Gewaltbetroffenen weitergeben.“

Cornelia Hagele, Klaus Kapelari und Eva Pawlata in der Gewaltschutzambulanz | Foto: Lisa Kropiunig
  • Cornelia Hagele, Klaus Kapelari und Eva Pawlata in der Gewaltschutzambulanz
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Daten und Fakten zum Thema Gewalt

Wo suchen von Gewalt betroffene Frauen Hilfe?

Gesundheitswesen 20%

Polizei 16,9%

Einschlägige Beratungseinrichtungen 12,5%

Von wie vielen Betroffenen an der Klinik Innsbruck reden wir?

26,5% sind von häuslicher Gewalt betroffen (70,4% Frauen, 29,6% Männer)

48,1% sind von akuter häuslicher Gewalt betroffen

Wie oft wurde der Notruf Dr. Viola bisher genutzt?

Ca. 70 Mal (davon 9 Mal als „Notruf“ und 61 Mal in der Behandlungssituation als niederschwellige Möglichkeit)

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