Kolumne 06/2015 - Frauen an die Macht, ... jung, weiblich, gebildet, hoch begehrt

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Nie standen für Frauen die Chancen besser, in der Wirtschaft Karriere zu machen. Doch viele scheuen noch immer den Weg zur Macht.

Die Wörter Küche & Kinder kommen im Wortschatz der Ausstudierten so gut wie gar nicht mehr vor. Sie werden ausgetauscht durch Wörter wie Karriere und Kapitalerträge.

Fragt man junge Absolventinnen nach ihren Plänen, dann hat sich das Familienrottentum bei 78 % der Befragten um gute 20 Jahre nach hinten verschoben.

Wirtschaft und Wissenschaft buhlen um gut ausgebildete Frauen.

"Frauen sind Löwinnen - stark und zum Sprung bereit", fast beschwörend buhlen Wirtschaft und Wissenschaft derzeit um weibliche Ressourcen. Baden-Württemberg prescht mit einem Programm zur Qualifizierung von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft nach vorne. "Invest in future" heißt ein Stuttgarter Wirtschaftskongress, "Get the best" eine Initiative für mehr Frauen in der Forschung. Mit dem "Girl's day" werben sowohl Unternehmen und Institute als auch Kammern, "Go up" zielt ebenso wie "Lust auf Unternehmertum?" auf die Gründerinnen, "Perspektive Pole Position" auf die Führungsfrauen.

Es bleibt nicht bei wolkiger Tagungsrhetorik. Unternehmen wie Deutsche Telekom und Siemens veranstalten Recruiting-Workshops nur für Frauen; McKinsey lockt junge Bewerberinnen mit Krippenplätzen und flexiblen Arbeitszeiten, DaimlerChrysler und Commerzbank legen Führungskräfte-Programme speziell für den weiblichen Nachwuchs auf. Die Zeit ist reif für Frauenkarrieren.

Denn die Not der Wirtschaft ist unübersehbar: In Zeiten steigender Lebenserwartung und niedriger Geburtenraten wird qualifizierter Nachwuchs knapp.
Schon in wenigen Jahren werden die Unternehmen den Fach- und Führungskräftemangel zu spüren bekommen. Und Frauen sollen die Lücken füllen - nicht nur auf Sachbearbeiterebene, sondern vor allem in den Chefbüros."Wir können es uns nicht leisten, die Kompetenz und Leistungsfähigkeit gut ausgebildeter Frauen zu verschwenden", sagt der für das "Löwinnen-Programm" verantwortliche baden-württembergische Politiker Ernst Pfister. Die Zeit drängt: Schon für die kommenden fünf Jahre erwartet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB einen erheblichen Nachfrageanstieg nach hoch qualifizierten Kräften für Organisation, Management, Führungsaufgaben, Forschung, Beratung und Lehre.Frauenfreie Zonen Die Zahl der Frauen im Management zu erhöhen, ist bitter nötig.

Machtgerangel an der Spitze

Kaum mehr als jede zehnte Führungskraft im Land ist eine Frau. Ihr Anteil hat sich in den letzten zehn Jahren um gerade mal zwei Punkte auf jetzt 10,4 Prozent erhöht, so der Wirtschaftsinformationsdienst Hoppenstedt. Im deutschen Wissenschaftsbetrieb sieht es kaum besser aus: 14 Prozent aller Professuren sind an Frauen vergeben; auf den lukrativen C4-Lehrstühlen sitzen gar nur 7,7 Prozent.
Auch die Gründungsneigung von Frauen gleicht eher der Dynamik einer Wanderdüne: Ganze sieben Prozent der erwerbstätigen Frauen sind selbstständig."Frauen sollten sich aktiv neuen Herausforderungen stellen und nicht warten, bis die Situation am Arbeitsmarkt so weit ist, dass sie gebraucht werden", rät Marion Bruhn-Suhr von der Arbeitsstelle für wissenschaftliche Weiterbildung der Uni Hamburg. "Durch strategische Karriereplanung und gezielte Weiterbildung können sie jetzt ihre Chancen auf eine Führungsposition erhöhen."
Dass weibliche Topkarrieren in der Wirtschaft schon heute möglich sind, zeigen Frauen wie BCG-Geschäftsführerin Kirsten Lange, BMW-Managerin Doris Jeckle-Upton oder Judith Jungmann, Personaldirektorin von Danone. Sie machen vor, wie es als Frau gelingt, in Unternehmen ganz nach oben zu kommen.Fataler Hang zu hübschen Branchen Sich durchzubeißen, Macht zu übernehmen und zu behaupten - dazu fehlt es den meisten Frauen aber an Willen und Mut. Trotz hervorragender Ausbildung wählen sie oft schlecht bezahlte Jobs und meiden zukunftsträchtige technische Berufe, kritisiert nicht nur das Stuttgarter Wirtschaftsministerium.

Eine aktuelle Studie des Recruiting-Dienstleisters Access unter jungen Berufstätigen bestätigt, dass sich Frauen in der Wahl ihres Arbeitsplatzes völlig anders orientieren als Männer. Frauen wollen am liebsten bei Ikea arbeiten, bei Nestlé, Beiersdorf, L'Oréal, Unilever, Adidas, TUI und Lufthansa.

Sie streben auch viel stärker als die Männer in die Medien- und Werbebranche. Größte Antipathien hegen sie gegen technische Industrien, Investmentbanking und Wirtschaftsprüfung - allesamt Branchen, in denen richtig Geld zu verdienen ist. Kein Wunder, dass die Frauen beim Gehalt das Nachsehen haben. Weit über die Hälfte verdient zwischen 30.000 und 50.000 Euro pro Jahr.

Nur 8,1 Prozent der Frauen in Führungspositionen sind Spitzenverdiener

Das Gros der jungen männlichen Berufstätigen kommt auf 40.000 bis 60.000 Euro, ist aber darüber hinaus noch zu fast 30 Prozent in den höheren Gehaltsklassen bis über 80.000 Euro vertreten. Hier spielen gerade noch 8,1 Prozent der Frauen mit.Als Aufgabengebiete bevorzugen Frauen in erster Linie Marketing, PR, Controlling, Consulting, Kundenbetreuung sowie Personalwesen.
Doch auch hier sind ihre Karriere-Ambitionen begrenzt. Während fast ein Fünftel der Männer im kaufmännischen Bereich bei der Access-Studie angab, an Führungskräfte-Programmen teilzunehmen, sind es bei den Frauen 12,6 Prozent, im technischen Bereich sogar nur 3,8.Personalberaterin Claudia Wacker von der Consultingfirma Heimeier & Partner hat Ähnliches festgestellt: "Je höher die Positionen, desto geringer der Anteil an weiblichen Bewerbungen."
Gehe es gar um Geschäftsführer- oder Vorstandsposten, liege ihr Anteil bei etwa einem Prozent.Vorbild McKinsey & Co. Die Scheu der Frauen vor verantwortlichen Positionen kommt nicht von ungefähr. Ursache ist ein immer noch weit verbreitetes traditionelles Rollenverständnis und eine männlich dominierte Management-Kultur, in der etwa das Problem, Kind und Karriere unter einen Hut zu kriegen, bislang keine Rolle spielte.

Doch die Zeiten ändern sich. Was die Familienpolitik erst vage auf ihre Agenda gesetzt hat, geht ausgerechnet die leistungsorientierteste aller Branchen konkret an: Unternehmensberatungen wie McKinsey, Boston Consulting, Booz Allen Hamilton und Roland Berger kümmern sich neuerdings um die Kinderbetreuung, bieten Krippenplätze und flexible Arbeitszeitmodelle an."Wenn wir das Thema Work-Life- Balance nicht ernst nehmen, wird es uns in Zukunft nicht möglich sein, die wirklich besten Mitarbeiter zu rekrutieren und zu halten", ist Ralph Shrader, weltweiter CEO von Booz Allen überzeugt.

Denn die Wertvorstellungen bei männlichen und weiblichen Studenten, so beobachten die Beratungshäuser, näherten sich immer stärker an. Männer wollten mehr Zeit für die Familie haben, Frauen mehr Zeit für den Job.In den Genuss familienorientierter Arbeitsgestaltung kommen nicht nur Juniorberater. Irmgard Heinz, Geschäftsführerin bei Booz Allen, ist selbst gerade mit Zwillingen schwanger und plant, nach einer Auszeit von einem halben Jahr mit 60 Prozent wieder einzusteigen. Formal eine Dreitagewoche, die sie jedoch den persönlichen und beruflichen Erfordernissen anpasst: "Mal sind es 100 Prozent, dann wieder nur 20 - im Durchschnitt werde ich bei den von mir gewünschten 60 Prozent liegen".Teilzeitregelungen wie diese nimmt in dem Beratungsunternehmen mittlerweile jeder Vierte im Laufe seines Arbeitslebens in Anspruch. Die Industrieunternehmen beginnen nachzuziehen. So bieten Lufthansa, Deutsche Bank, Siemens, Ford oder EADS spezielle Mentoring-Programme für den weiblichen Führungsnachwuchs an. Diversity heißt die neue Zauberformel: Ein paritätischer Mix aus männlichem und weiblichem Führungspersonal, so die Erkenntnis, steigert die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

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