Pflege
Betrug im Altenwohnheim Zell sorgt in Kufstein für Entsetzen

Schwere Anschuldigungen gegen Mitarbeiter des Altenwohnheims in Zell: Mindestens drei Pflegekräfte sollen bei der Arbeitszeitaufzeichnung betrogen haben.  | Foto: Barbara Fluckinger
5Bilder
  • Schwere Anschuldigungen gegen Mitarbeiter des Altenwohnheims in Zell: Mindestens drei Pflegekräfte sollen bei der Arbeitszeitaufzeichnung betrogen haben.
  • Foto: Barbara Fluckinger
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Mindestens drei in der Pflege beschäftigte Mitarbeiter sollen systematisch bei Arbeitszeitnachweisen betrogen haben und früher nach Hause gegangen sein. 

KUFSTEIN. Es sind schwere Vorwürfe, die dieser Tage über dem Wohn- und Pflegeheim Zell wie eine dunkle Dunstglocke schweben. Einige Pflegekräfte sollen über Jahre ihre Arbeitsaufzeichnungen gefälscht haben – das systematisch und womöglich bereits seit 2017. Im Raum steht zudem der Vorwurf, dass dadurch auch die Heimbewohner hinsichtlich der Pflege vernachlässigt wurden. Mit der Thematik beschäftigte sich auch der Stadtrat in einer Sondersitzung am Montag, den 14. Februar.
Einer neuen, aber sehr erfahrenen Mitarbeiterin auf der betroffenen Station sollen die Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung zuerst aufgefallen sein. Sie hat dies dem Pflegedienstleiter gemeldet, der erste Erhebungen angestellt hat. "Diese wurden uns weitergemeldet und wir haben die uns genannten Personen einvernommen", erklärt Kufsteins Bgm. Martin Krumschnabel gegenüber den BEZIRKSBLÄTTERN. 

Vorwürfe der Fälschung und Vernachlässigung

Zuerst ging es "nur" um Arbeitszeitbetrug. Laut den ersten bekannten Vorwürfen, sollen Bedienstete einer Station vor ihrem Dienstschluss nach Hause gegangen sein, während ein anderer Mitarbeiter für sie dann später ausstempelte. Bei den Arbeitsaufzeichnungen hören die Vorwürfe allerdings noch nicht auf. Auch die Bewohner und Bewohnerinnen des Heimes sollen durch diesen Betrug Schaden genommen haben. 
Wenn Mitarbeiter früher nach Hause gingen, war in der Folge bei Dienstschluss somit weniger Personal anwesend. Dabei wird laut Krumschnabel von den Befragten aktuell behauptet, man habe die Bewohner und Bewohnerinnen einfach zum Teil früher zu Bett gebracht. Im Raum nun also auch, ob die Pflege an sich ordentlich durchgeführt und dokumentiert wurde. Aufzeichnungen könnten auch hier gefälscht, Bewohner zu wenig gepflegt worden sein. (Es gilt für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung.)

Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel ist nun auf der Suche nach einer unabhängigen Kontrollinstanz, die unangekündigte fachliche Kontrollen durchführt.  | Foto: Barbara Fluckinger/BB Archiv
  • Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel ist nun auf der Suche nach einer unabhängigen Kontrollinstanz, die unangekündigte fachliche Kontrollen durchführt.
  • Foto: Barbara Fluckinger/BB Archiv
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

Stadtgemeinde zieht Konsequenzen

Als Haupttäter genannt wurden dabei immer wieder drei Personen. Wie viele wirklich beteiligt waren, soll nun die Staatsanwaltschaft feststellen. Seitens der Stadt Kufstein hat man bereits erste Konsequenzen gezogen. Drei Personen wurden suspendiert und in einem eigens dafür einberufenen Stadtrat fristlos entlassen. Bei der Staatsanwaltschaft und bei der Heimaufsicht des Landes habe man zudem Anzeige erstattet, sagt Krumschnabel. Die Vorwürfe besagen, dass der Betrug bereits seit 2017 im Gange war, das sollen die Beschuldigten aber ebenso abstreiten, wie eine Vernachlässigung der Pflege.

"Ich bin jetzt auf der Suche nach einer unabhängigen Kontrollinstanz, die unangekündigte fachliche Kontrollen durchführt, damit so etwas nie wieder vorkommen kann",

sagt Krumschnabel. Ob es noch weitere personelle Konsequenzen geben werde, hänge von den weiteren Ermittlungen ab. "Niemand wird jedoch von uns Schonung erwarten dürfen, wenn er sich solche Dinge zuschulden kommen hat lassen. Die Angehörigen müssen sich darauf verlassen können, dass die Menschen bestmöglich betreut werden und alle Pflegekräfte die dazu notwendige Einstellung aufweisen", so Krumschnabel. 
Es dürfe aber keinen Generalverdacht gegen Pflegekräfte geben, "da mit Sicherheit der Großteil hervorragende Arbeit leistet und ich von den BewohnerInnen bei meinen Besuchen immer sehr positive Rückmeldungen erhalten habe", so Krumschabel abschließend.

Krumschnabel betont, dass es aber keinen Generalverdacht gegen Pflegekräfte geben dürfe, da viele gute Arbeit leisten.  | Foto: Pixabay
  • Krumschnabel betont, dass es aber keinen Generalverdacht gegen Pflegekräfte geben dürfe, da viele gute Arbeit leisten.
  • Foto: Pixabay
  • hochgeladen von Barbara Fluckinger

NEOS-Obermüller fordert Konsequenzen

"Wenn ein derartiger Betrug über Jahre hinweg möglich ist, müssen sofort personelle Konsequenzen in der Führungsebene gezogen werden. Schon nach einem Todesfall vor wenigen Jahren, bei dem der Verdacht der Vernachlässigung bestand, hätte man davon ausgehen müssen, dass eine entsprechende Qualitätskontrolle eingeführt wurde. Versprochen wurde sie damals allemal, passiert ist scheinbar nichts. Die handelnden Personen sind die gleichen geblieben und die Missstände noch größer geworden. Hier wäre der Bürgermeister gefragt gewesen,“ so NEOS-Bürgermeisterkandidatin Birgit Obermüller.
Sie appellierte an Bgm. Krumschnabel, sich an die Kufsteiner Firma Curatio zu wenden, die schnell Pflegepersonal zur Verfügung stellen könne. Sie stellte im Zusammenhang mit dem dort geplanten Kindergartenprojekt in den Raum ob man sich in Zell "der, in den Augen mancher Verantwortlichen, lästigen Arbeit mit pflegebedürftigen Menschen entledigen wollte".

"So wie sich dieser Fall darlegt, ist er nicht nur ein Fall fürs Arbeitsgericht sondern wohl auch für die Staatsanwaltschaft,“

fordert die pinke Bürgermeisterkandidatin rasche und umfassende Aufklärung.

Grüne: Untersuchungsausschuss "zur Diskussion"

„Für uns zeigt sich hier deutlich wie wichtig ein anonymes HinweisgeberInnensystem ist und noch wichtiger eine anonyme Ombudsstelle die solche Anschuldigungen schnell und diskret überprüft,“ sagt Stefan Graf von den Kufsteiner Grünen. Wenn solche Vorwürfe in die falschen Hände oder in die Hände von selbst Betroffenen gelangen würden, könnten sehr schnell Vorverurteilungen oder Vertuschungsaktionen die Folge sein. Bei jeder Anschuldigung gelte zuerst die Unschuldsvermutung. „Wir hoffen auch, dass der Stadtrat hier mit klarer Weitsicht agiert hat, indem er die Dienstverhältnisse aufgelöst hat und dies nicht nur aufgrund von einseitigen Anschuldigungen veranlasst wurde,“ so Graf. Auch ein städtischer Untersuchungsausschuss steht für die Grünen zur Diskussion im ersten Gemeinderat der neuen Periode. „Diese Causa muss lückenlos aufgeklärt werden – auch insbesondere die Frage, ob es bereits früher Hinweise dazu gegeben hat,“ so Graf abschließend. (bfl)

Wie ist deine Reaktion auf die nun publik gemachten Vorwürfe?

Aktuelle Nachrichten aus dem Bezirk Kufstein gibt‘s hier.

Kufsteiner Opposition fordert nach Pflege-Skandal U-Ausschuss
Stadt Kufstein will in Sparchen für "Betreutes Wohnen" bauen
"Balance im Altenwohnheim Zell ist gut und gesund"
Kufsteiner Seniorenrat spricht sich für Betreutes Wohnen aus
Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Folge uns auf:

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.