Bischof Alois Schwarz: „Die Täler sind das Herzstück“

Diözesanbischof Alois Schwarz: „Wir müssen die Infrastruktur in den Blick nehmen, damit wir Menschen in Tälern nicht als Rand sehen“ | Foto: Helge Bauer
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KÄRNTEN. Diözesanbischof Alois Schwarz im großen WOCHE-Interview zu Weihnachten: Über wachsende Wirtschaft, Armut, Sozialleistungen und die Wahl 2018.

WOCHE: Die wachsende Wirtschaft hat auch Einfluss auf den Konsum zu Weihnachten. Eine gute Entwicklung?
BISCHOF SCHWARZ: Dass die Wirtschaft wächst, ist eine positive Entwicklung. Dadurch entsteht bei den Menschen wieder die Hoffnung zu investieren und Wertschöpfung zu sichern. Gleichzeitig ist die Frage zu stellen: Was macht der Mensch mit dem, was er erwirtschaftet? Der tägliche Bedarf ist das eine, der zukunftsbauende Umgang das andere.

Was ist zukunftsbauend?
Dass wir schauen, wie nachhaltig ökologisch gewirtschaftet werden kann. Was kann der nächsten Generation gesichert werden? Das bedeutet, Geld nicht sofort wieder auszugeben, sondern so zu investieren, dass auch die nächste Generation Freude hat, in unserem Land zu leben und zu arbeiten.

Wie kann Advent und Weihnachtszeit dennoch zu besinnlichen Wochen werden?
Es ist wichtig, dass wir lernen, in der Gegenwart zu leben. Weihnachten übt auf manche einen gewissen Druck aus, dass alles perfekt sein muss. Die emotional aufgeladenste Zeit ist am Heiligen Abend von 14 bis 20 Uhr. Es ist deshalb gut, sich ein wenig zurück zu nehmen und die Dinge kommen zu lassen, die da sind.

Befürchten Sie, dass die Bedeutung des Festes in den Hintergrund gerät?
Die Botschaft ist ja die Menschwerdung unseres Gottes - Geborenwerden, Neugeburt, Kind sein. Für mich ist Weihnachten so etwas wie ein Weltkulturerbe, nicht nur das Lied „Stille Nacht“. Dieses Fest zieht Gläubige und Nicht-Gott-Verbundene gleichermaßen an. Die ganze Welt sagt, dass Weihnachten ist. Es eröffnet einen Sehnsuchtsraum nach Leben.

Was kann helfen, die Weihnachtsbotschaft nicht aus den Augen zu verlieren?
Weihnachten ist ein Lebensprogramm. Die Menschwerdung unseres Gottes ist ein Begleitprogramm durchs ganze Leben. Denn der Gott, der Mensch geworden ist, ist einer, der an der Seite des Menschen den Alltag gestaltet. Der Leitbildprozess in unserer Diözese steht unter dem Motto „Mit Jesus Christus den Menschen nahe sein“. Das ist ein Ausbuchstabieren des Weihnachtsgeheimnisses in den Alltag hinein.

Kürzlich wurde die Armutsgefährdung in Österreich und auch in Kärnten diskutiert. Was sagt es über ein reiches Land aus, wenn mehr als eine Million Menschen von Armut gefährdet sind?
Armut ist ein sehr vielfältiges Phänomen. Neben der finanziellen Armut gibt es auch andere Formen der Armut. Manche sind z. B. arm an Beziehungen oder aufgrund ihres Lebensschicksals. Da ist es wichtig, differenziert hinzuschauen und zu fragen: Wie geht es den Menschen? Wichtig ist es, dass Wort „Arm sein“ in den Mund zu nehmen und sich darüber Gedanken zu machen.

Was erwarten Sie sich von der Gesellschaft?
Ich wünsche mir, dass die Spendenfreudigkeit der Österreicher erhalten bleibt. Wir haben eine große solidarische Kraft in unserem Land und eine ganz große Hilfsbereitschaft. Es ist bewundernswert, wie auch im Nachbarschaftsbereich geholfen wird. Auch in unseren Gemeinden wird durch aufmerksame Solidarität sehr viel an Not gelindert.

Was kann Familien und Kindern gerade zu Weihnachten Hoffnung machen?
Vielleicht ist es schon hilfreich, dass jene, die der Hilfe bedürfen, sagen, wie und wo ihnen geholfen werden kann. Manche schämen sich zu sagen, was sie wirklich brauchen. Vielleicht muss man da Mut machen und sagen: Du darfst sagen, was dir fehlt. Es gibt so etwas wie eine ganz verschämte Armut. Es gibt auch viele Veranstaltungen für Familien und Kinder in Not, gerade vor Weihnachten. Und da merkt man schon: Weihnachten müsste es eigentlich immer geben.

Die Kürzung von Sozialleistungen für Asylberechtigte und auch eine Wartezeit von Jahren wird diskutiert. Wie reagieren Sie darauf?
Ich erwarte mir, dass EU-, verfassungs- und völkerrechtlich konform vorgegangen wird. Die Regierungschefs haben bei der Tagung in Göteborg die europäische Säule sozialer Gerechtigkeit in 20 Grundsätzen dargestellt. Es ist wichtig, dass wir darauf schauen und europaweit in diese Richtung bewegen. Auf Gemeindeebene geschieht jetzt schon sehr viel, auch für Einwanderer. Wenn jemand die Zusage hat, in Österreich bleiben zu können, sollte man ihm gesellschafts- und sozialpolitisch jenes Leben in Würde ermöglichen, wie anderen auch.

Viele befürworten die geplanten Kürzungen. Was sagen Sie diesen Menschen?
Ungleichheit führt immer auch zu Ungerechtigkeit. Da müssen wir sehr vorsichtig sein. Es ist wichtig, Gleiches gleich zu behandeln und Unterschiedliches unterschiedlich. Differenzierung ist noch nicht Diffamierung. Manche glauben, wenn sie das oder jenes nicht haben, sind sie schon diffamiert. Das ist aber nicht so.

Kärnten steht nach Weihnachten ein Wahlkampf bevor. Befürchten Sie, dass er ähnlich untergriffig wird, wie der Nationalratswahlkampf?
Ich vertraue darauf, dass sich das konstruktive Gesprächsklima und die positive Grundstimmung, die wir im Land haben, auch im Wahlkampf zeigen, als Wettbewerb um die besten Ideen für die Zukunftsfähigkeit in Kärnten.

Was kann helfen Untergriffigkeit zu vermeiden?
Objektive Information. Medien haben eine hohe Verantwortung, den Menschen zu vermitteln: Macht euch die Mühe, am Zeitgespräch verantwortlich teilzunehmen.
Was kann der Einzelne zur Beruhigung beitragen, wenn - auch in sozialen Medien - verbale Schlachten ausgetragen werden?
Der Einzelne kann ein gutes Wort sagen, eine positive Perspektive hereinbringen - außer es handelt sich um absichtlich verbreitete Unwahrheiten - und sich an Beschimpfungen nicht beteiligen. Wichtig wäre, dass man über Sachthemen redet und sagt: Uns sind diese Themen wichtig. Wie seht ihr das? Kommt an den Tisch und reden wir darüber, was die Menschen und unser Land brauchen?

Was erwarten Sie sich von Kärntens Politikern?
Wichtig ist es, dass sie immer die Person des anderen in seiner Würde nicht verletzen und dass sie so miteinander umgehen, dass sie auch nach der Wahl gut miteinander für dieses Land arbeiten können.

Nach der Wahl: Welche Herausforderung sehen Sie auf Politiker zukommen?
Kärnten ist ein wunderschönes Land. Das ist es, was viele Menschen anzieht, die als Urlauber hierher kommen. Deshalb muss es gewährleistet sein, dass diese Schönheit und Differenziertheit durch Landschaftspflege erhalten bleiben. Kärnten ist auch stark in der ökosozialen Marktwirtschaft. Unsere Produkte sind hervorragend. Es ist sicherzustellen dass das, was produziert wird, in der hohen Qualität gefördert und geschätzt wird. Wahrscheinlich muss man dafür die Infrastruktur genauer in den Blick nehmen, damit wir die Menschen in den Tälern nicht als den Rand sehen, sondern als Herzstück. Wir werden uns als Kirche einbringen, wo wir können, um die Herzkraft der Menschen zu stärken und ihre Freude an diesem Land zu festigen. Mit unseren Festen schreiben wir uns ein, in den Lebensrhythmus der Menschen und machen sie so zu großen Kulturträgern.

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