1. August 2017: Fiaker auch ohne Hitze kein Spaß
WIEN. Vor einem Jahr wurde das Gesetz beschlossen, dass Fiakerpferde bei Hitze nicht mehr angespannt werden dürfen. Besagte Hitze wurde mit 35 Grad festgesetzt, jener Temperatur, bei der auch Bauarbeiter ihren Arbeitsplatz verlassen dürfen. Wurde seit dem Inkrafttreten des Gesetzes die 35 Grad-Grenze noch nicht erreicht, dürfte es heute soweit sein: Für den frühen Nachmittag werden 35 Grad vorausgesagt. Wird durch die Messung am Stephansplatz die Temperatur bestätigt, werden die Kutscher aufgefordert, mit ihren schwitzenden Pferden den Heimweg in den Stall anzutreten. Soweit die Theorie. Ob in der Praxis das Gesetz tatsächlich zu Gunsten der Tiere geahndet wird, bleibt spannend.
Das Fiakerverbot an heißen Tagen heizt wieder einmal die Diskussion an, ob es generell nötig ist, Lebewesen mit Augenklappen auf Asphalt durch die Stadt zu treiben. Als Verkehrsmittel kommt der Fiaker nicht mehr in Betracht, zur Hebung der Laune bei Autofahrern sorgt eine schleichende Kutsche, der eine Kolonne folgt, auch nicht gerade und in Begeisterung beim Anblick eines Pferdes verfallen soundso nur Tierliebhaber - und die sind in der Regel keine Fiakerfans.
Bleiben also noch die Touristen. Zwar gibt es tatsächlich Wienbesucher, die sich dem romantischen Sisiflair hingeben möchten und dazu in eine Kutsche steigen, doch auch dieses potentielle Klientel ist nicht durch die Bank von der Wiener Tradition begeistert, wie ein aktuelles Video der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" zeigt. „Wir haben gesehen, dass viele Touristen Mitleid mit den Pferden haben“, so Kampagnenleiterin Martina Pluda. „Das zeigt uns wieder, dass diese Institution nicht mehr zeitgemäß ist." Tatsächlich räumen die befragten Besucher Fiakern eine gewisse Tradition ein, doch mit Mitleid für die Tiere wird nicht gespart. Ein junger Mann vergleicht die Wiener Fiaker sogar mit Stierkämpfen - etwas überspitzt, aber meiner Meinung nach dürfen beim Tierschutz ruhig drastische Vergleiche gezogen werden.
Im Vier-Pfoten-Video vergleicht ein Tourist Fiaker mit Stierkämpfen.
"Die Menschen wollen sich nicht auf Kosten der Tiere amüsieren", ist sich Pluda von den "Vier Pfoten" sicher. Nachdem Freizeitaktivitäten wie Bär- und Stierhatzen bereits seit Jahrhunderten nicht mehr als wahnsinnig lustig gelten - zumindest in Westeuropa, im Osten sieht Humor, wie der Royal Canin-Skandal vor vier Jahren zeigte, leider anders aus - und auch das Ponykarussel im Prater sich endlich ausgedreht hat, wäre es nun wahrlich an der Zeit, den Spaß des Fiakerfahrens neu zu überdenken. Zumindest in der Stadt. Wenn gut gehaltene Pferde in Grünbereichen wie dem Prater die Runden ziehen, wäre nichts gegen diese Tradition einzuwenden. Aber Pferde in der prallen Sonne, Lärm und Verkehr ausgesetzt und bei 34 Grad immer noch im Einsatz - das ist einer kultivierten Weltstadt unwürdig.
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