Ukrainische Familien in Leobener Studentenheim
"Ein persönliches Kennenlernen berührt enorm"

Polina (Mitte, mit ihrer zehnjährigen Nichte Alina) und ihre Familie sind aus Odessa vor dem Krieg geflüchtet und nun glücklich, in Leoben eine Bleibe gefunden zu haben.  | Foto: Astrid Höbenreich-Mitteregger
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Im Leobener Studentenheim Schillerstraße fanden auf Initiative von Akademikerhilfe und AT&S 20 ukrainische Familien Unterkunft. Für alle Bewohnerinnen und Bewohner gab es nun ein Kennenlernfest.

LEOBEN. „Seit die Familien hier im Studentenheim wohnen, ist die Atmosphäre einfach lebendiger und heimeliger geworden. Es ist fast wie zu Hause, die Kinder flitzen durch die Gänge und man hört sie im Hof lachen“, sagt Markus Woger, Leiter des Studentenheimes der Akademikerhilfe in der Schillerstraße in Leoben, und selbst Vater. Ihm haben sich die Emotionen der ukrainischen Menschen eingebrannt, als sie Mitte März hier in Leoben angekommen sind.

„Ich werde nie vergessen, wie eine ältere Frau, die mit ihrem Mann vor dem Krieg geflüchtet ist, hier im Heim ihr Zimmer betrat und dabei vor Freude und Rührung weinte. Sie war so glücklich, dass sie nach der Flucht einen eigenen Raum mit Sanitäranlagen für sich haben“, erzählt Woger, und er denkt auch an die Ankunft jener erschöpften Mutter, deren sieben Monate altes Baby schwer krank war und die Rettung gerufen werden musste. „Man hört sonst nur aus den Medien vom Krieg und der Bevölkerung. Es berührt einen enorm, wenn man diese Menschen dann persönlich kennenlernt“, sagt er.

Mit Händen und Füßen

Verständigen würde man sich mit Händen und Füßen und mit Hilfe des Google-Sprachassistenten, es seien eher die jungen Leute, die Englisch können. „Manche Jugendliche sprechen mittlerweile sogar schon einige Sätze Deutsch, sie lernen schnell. Aber es funktioniert mit allen, es gibt immer einen Weg der Verständigung“, schmunzelt Woger. Insgesamt sind 36 Flüchtlinge im Heim untergebracht, davon die Mehrzahl Frauen und ihre Kinder, aber auch zwei junge Väter. Dass sie mitkommen konnten, gleicht einem Wunder, wie Polina aus Odessa erzählt. Die beiden jungen Männer sind ihre Schwager.

Das größte Glück für Polinas Familie: Die jungen Männer, die üblicherweise ihr Land nicht verlassen dürfen, konnten gemeinsam mit Frau und Kind über die Grenze.   | Foto: Astrid Höbenreich-Mitteregger
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Nur noch weg aus Odessa

„Meine Schwester bekam bei Kriegsausbruch schreckliche Panikattacken und wollte nur noch weg aus Odessa, schon alleine ihrer Kinder wegen. Ihr Mann und jener meiner anderen Schwester sind Taxifahrer und wir sind Hals über Kopf, nur mit den notwendigsten Dingen, zu neunt mit zwei Taxis an die Landesgrenze zu Moldawien gefahren. Dort mussten wir die Autos zurücklassen. An der Grenze hieß es dann Stopp für meine beiden Schwäger. Meine Schwestern haben die ganze Nacht lang geweint. Am nächsten Morgen kam eine weibliche Grenzbeamtin und plötzlich durften die Männer ebenfalls ausreisen. Es ist das größte Glück“, strahlt die 31-Jährige, die als Köchin in Odessa tätig war.

Dass sie und ihre Familie nun Unterkunft in Leoben gefunden haben, dafür sind alle sehr dankbar. Jetzt heißt es Deutsch lernen, denn Polina und ihre Familie möchten vorerst einmal hier bleiben. „Odessa ist zwar nicht durch Bomben zerstört, aber es gibt dort nichts. Kein Gas, kein Wasser, keine Lebensmittel. Was sollen wir also in unserer wunderschönen Heimatstadt, in der zuvor das Leben rund um die Uhr pulsierte?“

Foto: Astrid Höbenreich-Mitteregger

Steirische Würstel und ukrainische Desserts

Inzwischen hat sich der Hof des Studentenheimes mit vielen Bewohnern – AT&S-Mitarbeiter, Studenten und ukrainische Familien – gefüllt. Es duftet nach Bratwürsten und Erdäpfelsalat, die Flüchtlingsfamilien bringen ihrerseits köstliche Speisen zu den Tischen. Deftige Würstel lassen sich Valeriia, 21, aus der fünftgrößten, südlich gelegenen Stadt Zaporizhzhia sowie Nataliia, 24, aus Kiew schmecken. Die beiden sind ohne Familien hier. „Wir fühlen uns in Leoben wohl und beschützt und wir wollen nicht zurück, solange der Krieg tobt. Es ist alles besser, als voller Angst im Bunker zu sitzen. Ist der Krieg aber zu Ende, gehen wir wieder in die Heimat“, sagen die Studentin und die Angestellte.

Valeriia, 21, (l.) und Nataliia, 24, haben ihre Heimatstädte Zaporizhzhia und Kiew aus Angst vor dem Krieg verlassen. In Leoben finden sie sich gut aufgehoben.  | Foto: Astrid Höbenreich-Mitteregger
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Ins Gespräch

Langsam kommen die internationalen Bewohner miteinander ins Gespräch, erfahren Lebensgeschichten. „Ich habe vorher eigentlich mit niemandem aus der Ukraine hier im Haus Kontakt gehabt, auch, weil ich ziemlich scheu bin“, bekennt Tolga, 28, der aus der Türkei kommt und an der Montanuniversität studiert. „Ich freue mich aber, dass die Familien hier sind, es ist nun mehr Leben im Heim“, sagt er und stellt sich Polina vor.

INFO

Dass im Studentenheim der Akademikerhilfe in Leoben seit Mitte März 20 ukrainische Familien Unterkunft finden, wurde durch gemeinsame Hilfestellung des Studentenunterstützungsvereins sowie AT&S – das Unternehmen mietete dort vor kurzem Kleinwohnungen für seine Mitarbeiter:innen an – ermöglicht. Finanziert werden Unterkunft und Alltagsdinge wie Bettwäsche oder Geschirr von AT&S.

„Wir sind sehr froh darüber, dass wir auf diese Weise die Möglichkeit haben, rasche Hilfe und einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten können. Es ist eine positive Erfahrung für uns, dass die Studenten so unaufgeregt und mit großer Hilfsbereitschaft gemeinsam mit den Flüchtlingen zusammenleben“, sagt Bernhard Tschrepitsch, Generalsekretär des Studentenunterstützungsvereines Akademikerhilfe. Ursprünglich bis Herbst geplant, wurde der Vertrag für die Unterkünfte der ukrainischen Familien im Studentenheim verlängert, wie Tschrepitsch mitteilte.

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