Ein Neustart für Obdachlose
Projekt "Housing first" startete in Leoben
Mit "Housing first" wurde ein bundesweites Projekt der Wohnungslosenhilfe nun auch in Leoben gestartet. Carina Blumrich, Projektverantwortliche, und Janina Riedler, Teamkoordinatorin der Notschlafstelle "Haus Franziskus" in Leoben erläutern im Gespräch mit MeinBezirk.at, wie es gelingen kann, Menschen auf lange Sicht aus der Obdachlosigkeit zu befreien.
LEOBEN. "Housing first Österreich – zuhause ankommen" lautet der Titel eines österreichweiten Projekts, dessen Startschuss nach Graz nun auch in Leoben fiel. Die Idee dahinter ist einfach, aber wirkungsvoll: Um Obdach- und Wohnungslosigkeit zu bekämpfen, wird beim Wohnen angesetzt. "Es wird versucht, armutsgefährdete Menschen langfristig in eine Wohnung zu bringen, auch wenn sie sich die Kaution nicht leisten können", erklärt Carina Blumrich, Projektverantwortliche der Caritas Steiermark in Leoben. Die Finanzierung laufe vorerst über das Sozialministerium, bei den Wohnungen baue man auf die Zusammenarbeit mit Wohnungsgenossenschaften, wobei man hier gerade dabei sei, Kontakte zu knüpfen und das Projekt bekannt zu machen.
Begleitung als zentrales Element
"Housing First" bedeute jedoch nicht nur, Wohnraum bereitzustellen, stellt die Sozialpädagogin klar. Vielmehr gehe es um die Schaffung langfristiger Perspektiven. Dies passiere zum einen durch unbefristete Mietverträge, zum anderen durch eine intensive soziale Begleitung der Betroffenen. "Es wird zwar die Kaution übernommen, die laufende Miete muss dann aber vom Bewohner beziehungsweise der Bewohnerin selbst bezahlt werden", erläutert Blumrich und ergänzt, "wichtig ist, dass wir das nicht für die Leute machen, sondern mit ihnen." Der Wille, das eigene Leben zu verändern und in "geordnete Bahnen" zu lenken, sei Grundvoraussetzung.
"Wir schauen uns dann gemeinsam an, welches 'Päckchen' die Person vielleicht noch aus der Vergangenheit mitbringt oder bei welchen Themen Unterstützung benötigt wird. Sprich, was braucht es, damit es langfristig rund läuft?"
Carina Blumrich, Projektverantwortliche der Caritas in Leoben
Die Personen könnten sich darauf verlassen, dass sie den Weg nicht alleine gehen müssen.
Lang ersehnter "Hebel" gegen Obdachlosigkeit
Ihr Büro hat die Sozialpädagogin der Caritas in der Notschlafstelle "Haus Franziskus" in Leoben-Lerchenfeld eingerichtet, wo sie gemeinsam mit Notschlafstellen-Leiterin Janina Riedler direkt "an der Basis" arbeite. Schließlich sei es in vielen Fällen die Notschlafstelle, die im Falle von Wohnungslosigkeit als erstes aufgesucht werde. Mit dem neuen Projekt sei es nun endlich möglich, aktiv etwasdagegen zu unternehmen, ist Riedler begeistert. Bisher konnte die Leobenerin die Männer und Frauen zwar auf ihrem Weg unterstützen und sie beispielsweise darauf hinweisen, welche Einrichtungen es gebe oder wo um Unterstützung angesucht werden könne. Das Finden einer neuen Wohnung sowie die Finanzierung dieser lag jedoch jenseits des ihr Möglichen – bislang. "Endlich muss ich nicht mehr nur zuschauen, sondern jetzt ist mit Carina jemand bei uns im Haus, der kann das übernehmen“, meint die Notschlafstellen-Leiterin.
Das Projekt befinde sich zwar noch in der Anfangsphase, Vertrauen müsse auf allen Seiten – insbesondere auch bei den Wohnungsgenossenschaften – erst einmal aufgebaut werden. Dennoch dürfen sich die beiden Frauen bereits über einen ersten Erfolg freuen: "Einer Dame konnte schon erfolgreich eine Wohnung vermittelt werden", berichten Riedler und Blumrich. Dabei ging alles schneller als gedacht. Alle Rädchen griffen ineinander, jede einzelne involvierte Stellen gaben ihr Bestes.
Wohnungslosigkeit ist nur ein Problem
"Wenn nötig, kann dann doch alles ganz schnell gehen", freuen sich die Caritas-Mitarbeiterinnen, die positiv gestimmt sind. Dass der Bedarf für das Projekt "Housing first" gegeben ist, zeigen die Schilderungen von Janina Riedler, die im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg an Nächtigungsgästen in der Leobener Notschlafstelle beobachten konnte. Aktuell seien es zwischen drei und sieben Gästen, die Abend für Abend das Haus Franziskus aufsuchen würden. Die Mehrheit seien Männer, doch auch Frauen seien darunter – alle im arbeitsfähigen Alter.
"Was ich schon merke ist, dass die Menschen nicht nur mit einer Problemlage kommen, sondern mit mehreren. Wohnungslosigkeit ist bei allen gegeben, aber dann kommt noch eine Sucht dazu, Schulden oder eine psychische Erkrankung."
Janina Riedler, Leiterin der Caritas-Notschlafstelle "Haus Franziskus"
"Da bleibt einfach jeder dran"
Einige kämen nur für eine Nacht, viele würden jedoch deutlich länger bleiben – dass ein Monat vergehe, sei keine Seltenheit. "Es braucht Zeit, bis wieder Geld bezogen wird, bis die Gäste ankommen, aber auch, bis sie Vertrauen aufbauen und ihre Probleme auf den Tisch legen und sagen, was wirklich Sache ist", schildert Riedler. Wenn es schließlich so weit sei, stehe das Team der Notschlafstelle beratend und unterstützend zur Seite. "Auch wenn wir mitkriegen, es haben vielleicht schon drei Stellen vor uns probiert, dann versuchen wir es trotzdem noch einmal. Da bleibt einfach jeder dran", meint die Leiterin der Notschlafstelle.
Dass das Thema auch in der Bevölkerung bewegt, zeigen die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die im Haus Franziskus regelmäßig Dienste übernehmen. Hier sei ein bunter Mix an Hintergründen und Lebenssituationen gegeben. Auch die Lager seien gut gefüllt, einzig bei frischen Lebensmitteln sei man nicht so gut aufgestellt. "Unsere Gäste würden sich sehr über Wurst, Käse, Eier oder Aufstriche freuen", meint Janina Riedler auf Nachfrage.
Über "Housing first Österreich – zuhause ankommen":
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