WKO on Tour im Bezirk Leoben
"Wir sprechen gar nicht mehr von Fachkräftemangel"
Leoben, wir haben ein Problem! Im Rahmen von WKO on Tour besichtigten Wirtschaftskammer Steiermark Direktor Karl-Heinz Dernoscheg und Regionalstellenobfrau Astrid Baumann Betriebe der Region und sprachen mit Unternehmerinnen und Unternehmern über die Sorgen, die ihnen der immer stärker spürbare Arbeitskräftemangel bereitet.
BEZIRK LEOBEN. "Was wir quer durch die Steiermark aber ganz besonders stark im Bezirk Leoben beobachten ist der Arbeitskräftemangel. Wir reden bewusst gar nicht mehr vom Fachkräftemangel", sagt Karl-Heinz Dernoscheg, Direktor der Wirtschaftskammer Steiermark. Gemeinsam mit Regionalstellenobfrau Astrid Baumann besuchte er am Mittwoch, 5. Oktober, im Rahmen von WKO on Tour einige Betriebe in der Region – vom Industriebetrieb über das Tattoostudio, das Transportunternehmen bis hin zum Fotostudio –und suchte das persönliche Gespräch mit den Unternehmerinnen und Unternehmern.
Was dabei deutlich wurde: Neben den gestiegenen Energiekosten ist es die schwierige Suche nach Personal, die den Betrieben Sorge bereitet. Vor diesem Hintergrund warnt Dernoscheg davor, dass sich das Problem nicht von selbst lösen werde – die demographische Entwicklung spreche dagegen.
"Die geburtenstarken Jahrgänge gehen nach und nach in Pension, es gibt ein G'riss um die, die nachkommen – und das in einer Zeit, in der Firmen nicht wissen, wie sie die Aufträge abarbeiten können."
Karl-Heinz Dernoscheg, Direktor der WKO Steiermark
Akuter Handlungsbedarf gegeben
Wie massiv Unternehmen der Region diese Folgen bereits spüren, zeigt die aktuelle Auswertung des WKO-Fachkräfteradars für das erste Halbjahr. Als Indikator herangezogen wird hierfür die Zahl der Arbeitslosen (ab Lehre) pro offene Stelle. Innerhalb nur eines Jahres hat sich die Zahl der Mangelberufe in der Steiermark und auch im Bezirk Leoben verdoppelt: Waren es 2021 noch 74, sind es aktuell 155 Berufe, die in diese Kategorie fallen. Für Dernoscheg besteht angesichts dieser Schieflage akuter Handlungsbedarf.
Top-Mangelberufe im Bezirk Leoben
Drei Lösungsansätze
Konkret nennt er drei Bereiche, wo man ansetzen sollte: Zum einen müsse das Arbeitskräftepotenzial gehoben werden. Soll heißen, "die , die arbeiten könnten, muss man auch motivieren können", so Dernoscheg. Es sollte seiner Ansicht nach nicht zu viele Leute geben, die zuhause sitzen und sich denken, "eigentlich geht's auch so ganz gut". Als zweiten wesentlichen Punkt nennt der Direktor der WKO Steiermark das Thema Kinderbetreuung und spricht damit gezielt weibliche Arbeitskräfte an.
"Wir haben das Problem, dass wir in der Steiermark einfach keine flächendeckende Kinderbetreuung haben. Hinzu kommt, dass in vielen Krippen Personal gesucht wird."
Karl-Heinz Dernoscheg, Direktor der Wirtschaftskammer Steiermark
Zuletzt weist Dernoscheg darauf hin, dass das Problem des Arbeitskräftemangels "nicht allein mit den eigenen Kindern" zu lösen sei. Ein qualifizierter Zuzug sei dringend erforderlich.
Anreize für Pensionistinnen und Pensionsten
Ebenso müsse das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche angepasst werden und Anreize geschaffen werden, um jene Menschen, die auch nach offizieller Pensionierung weiterarbeiten wollen, in der Erwerbstätigkeit zu halten. Wer arbeiten will, "sollte zumindest von erneuten Pensionsversicherungsbeiträgen befreit werden", meint Dernoscheg.
Diese Einschätzung teilt auch Regionalstellenobfrau Astrid Baumann, die darauf verweist, dass viele Menschen auch nach offiziellem Pensionsantritt "weiter arbeiten wollen, fit sind und zudem über wertvolle Erfahrung verfügen" – und diesen Menschen sollte man auch die Möglichkeit dazu bieten. Zudem sieht Baumann auch in anderen Bereichen Verbesserungsbedarf.
"Wir haben mittlerweile eine Rekord-Beschäftigungsquote erreicht, trotzdem ist die Arbeitszeit rückläufig, weil vor allem immer mehr Junge nur mehr Teilzeit arbeiten wollen."
Astrid Baumann, Regionalstellenobfrau der WKO Leoben
Klar sei auch, dass dies unter anderem an den fehlenden Rahmenbedingungen liege, etwa im Bereich der Kinderbetreuung. "Hier müssen wir das Angebot dringend verbessern", so Baumann. Gerade für den Bezirk Leoben, der stark international ausgerichtet ist, gelte es auch, den qualifizierten Zuzug von Arbeitskräften zu forcieren. Nicht umsonst würden Plakate großer Unternehmen derzeit Stellen bewerben, und nicht die Produkte.
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