"Früher war alles besser"
Der Einfluss des Handys in der Kommunikation

Alarmierend ist die Entwicklung bei Kindern. Aufgrund des ständigen Reizwechsels durch soziale Medien, Videos und Benachrichtigungen fällt es ihnen häufig schwer, sich zu konzentrieren. | Foto: panthermedia_sergii_kozii
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  • Alarmierend ist die Entwicklung bei Kindern. Aufgrund des ständigen Reizwechsels durch soziale Medien, Videos und Benachrichtigungen fällt es ihnen häufig schwer, sich zu konzentrieren.
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War ohne Handy alles besser? Zwischen Vernetzung und Vereinsamung: Psychologe Harald Lendorfer spricht über die Auswirkungen digitaler Kommunikation

LIEZEN. Wer erinnert sich nicht an eine Zeit, in der das Telefon noch an der Wand hing, Gespräche mit Freunden persönlich oder über das Festnetz geführt wurden und ein Treffen nicht erst durch eine Serie von WhatsApp-Nachrichten organisiert werden musste? Seit dem Einzug von Smartphones und sozialen Medien hat sich unsere Kommunikation grundlegend verändert. Doch war früher tatsächlich alles besser – oder nur anders? Der Liezener Psychologe Harald Lendorfer analysiert im Gespräch, welche psychologischen Auswirkungen die digitale Kommunikation mit sich bringt – und warum insbesondere Kinder und Jugendliche davon betroffen sind.

Durch die ständige Ablenkung hat sich im Laufe der Zeit die Qualität der Gespräche verschlechtert. | Foto: pixabay
  • Durch die ständige Ablenkung hat sich im Laufe der Zeit die Qualität der Gespräche verschlechtert.
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Zunächst ist festzuhalten: Die digitale Welt hat durchaus positive Seiten. Lendorfer betont, dass Smartphones und soziale Medien neue Möglichkeiten der Vernetzung geschaffen haben. "Menschen können über große Entfernungen hinweg in Kontakt bleiben", erklärt er. Dies stärke soziale Bindungen, etwa zu Freunden oder Familienmitgliedern, besonders bei Menschen, die geografisch weit voneinander entfernt leben. Auch Selbsthilfegruppen oder Communities zu bestimmten Themen bieten vielen einen Raum für emotionale Unterstützung. Einsamkeit kann dadurch reduziert, das Gefühl von Zugehörigkeit gestärkt werden. Besonders für Jugendliche dienen soziale Medien zudem als Plattform zur Identitätsbildung und zum Selbstausdruck.

Allerdings hat diese neue Form der Kommunikation auch Schattenseiten – vor allem, wenn der digitale Kontakt den persönlichen ersetzt. "Eine negative Auswirkung kann die verringerte Qualität von Gesprächen sein", warnt Lendorfer. Echtes Zuhören und empathisches Reagieren bleiben oft auf der Strecke. Dazu komme der ständige Vergleich mit oft idealisierten Darstellungen auf Instagram und Co. – was nicht selten Selbstzweifel, Neid und sogar depressive Symptome auslöst. "Durch Dopamin-gesteuerte Feedbackmechanismen, Likes oder Kommentare, entsteht häufig ein zwanghafter Umgang mit dem Smartphone", erklärt der Psychologe.

Druck durch ständige Erreichbarkeit

Ein zentraler Punkt in Lendorfers Analyse ist die veränderte Erwartungshaltung in der digitalen Kommunikation. Nachrichten müssen möglichst sofort beantwortet werden – wer sich Zeit lässt, gilt schnell als desinteressiert oder sogar unhöflich. Diese permanente Erreichbarkeit führt zu einem enormen sozialen Druck. "Besonders betroffen sind unser Erwartungs-Management, unser Stressverhalten und unser Bedürfnis nach sozialer Bestätigung“, so Lendorfer. Die Angst, etwas zu verpassen – auch bekannt als Fear of Missing Out (FoMO) – treibt viele dazu, ihr Smartphone ständig im Blick zu behalten.

Harald Lendorfer ist klinischer Psychologe und Psychologe für Kinder, Jugend und Familien. | Foto: Lendorfer
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Diese Verhaltensmuster haben auch gesundheitliche Auswirkungen: Erhöhte Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen und ein Gefühl permanenter Verpflichtung können die Folge sein. Gruppenchats, Push-Benachrichtigungen und der ständige Informationsfluss zerschneiden die Aufmerksamkeit in Fragmente. "Psychologisch zeigt sich das in niedrigerer kognitiver Tiefe, verringerter Empathie und dem Gefühl, immer unterbrochen zu werden", betont Lendorfer.
Hinzu kommt: Digitale Kommunikation erleichtert durch ihre Anonymität oder emotionale Distanz passiv-aggressive Verhaltensweisen. Mimik, Körpersprache und Tonfall – zentrale Elemente menschlicher Interaktion – fehlen häufig, was das Risiko von Missverständnissen oder emotionaler Abkühlung erhöht.

Digitale Kindheit – mit Nebenwirkungen

Besonders alarmierend ist die Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen. Lendorfer beschreibt eine zunehmende Schwierigkeit, sich zu konzentrieren – sowohl kurzfristig als auch langfristig. Grund dafür ist der ständige Reizwechsel durch soziale Medien, kurze Videos und Benachrichtigungen. "Die Aufmerksamkeitsspanne sinkt und die kognitive Ausdauer wird schwächer ausgebildet", so der Psychologe. Die permanente Reizüberflutung verändert das Gehirn: Belohnungsschleifen, wie sie durch Likes oder neue Inhalte entstehen, führen dazu, dass Offline-Aktivitäten – etwa Schulunterricht oder Lesen – als unterstimuliert und langweilig empfunden werden.

Auf eine Tätigkeit konzentrieren

Ein weiterer kritischer Punkt ist das sogenannte "Media Multitasking". Viele Kinder glauben, sie könnten gleichzeitig Hausaufgaben machen und Nachrichten checken. Doch das ständige Hin- und Herwechseln zwischen Aufgaben führt laut Lendorfer zu geringerer kognitiver Effizienz und schlechterem Erinnerungsvermögen. Auch der Schlaf leidet: Wer abends lange am Handy hängt, schläft später und schlechter – besonders durch emotionale Inhalte, die das Gedankenkarussell am Laufen halten.

Doch nicht alles ist verloren: Entscheidend sei laut Lendorfer die Art und Weise, wie Kinder mit digitalen Medien umgehen. "Kinder, die kontrollierten Zugang haben und lernen, Medien reflektiert zu nutzen, zeigen oft weniger oder gar keine negativen Effekte." Eltern spielen dabei eine Schlüsselrolle – durch Begleitung, Aufklärung und klare Regeln.

Fazit: Die Balance entscheidet

War also ohne Handy wirklich alles besser? Die Antwort ist – wie so oft – nicht eindeutig. Smartphones und soziale Medien haben viele positive Aspekte: Sie ermöglichen neue Formen der Kommunikation, stärken Bindungen und bieten Raum für Identitätsentwicklung. Doch sie bringen auch Herausforderungen mit sich, die wir nicht ignorieren dürfen: Oberflächlichkeit, sozialer Druck, psychische Belastungen und eine schleichende Verarmung der echten zwischenmenschlichen Interaktion.

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