"Schernberg ist wirklich kein Ghetto"
Landespolitik, Lebenshilfe, Bevölkerung, Gemeinde und das St. Vinzenzheim selbst im Streit um dessen Sanierung.
SCHWARZACH. Immer mehr Aussagen, Behauptungen und Vorwürfe ranken sich um die eigentlich per Regierungsbeschluss fixierte Generalsanierung des St. Vinzenzheimes in Schwarzach.
Bedürfnisse haben Vorrang
Nachdem Sozial-Landesrat Heinrich Schellhorn extreme Kritik an der Nachhaltigkeit der Arbeit mit den beeinträchtigten Menschen in Schernberg geübt hat und somit die Sanierung auf Eis legt, schalten sich immer mehr Befürworter – aber auch Kritiker ein. "Im nachhaltigen Interesse von Menschen mit Behinderungen liegen kleine Einheiten, die eine möglichst große Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen", verweist Schellhorn auf eine UN-Konvention. "Bei abgelegenen Schlössern mit weit über hundert Unterbringungen ist diese angestrebte 'Inklusion' kaum möglich", so sein Standpunkt, der dabei massiv von der Lebenshilfe Salzburg unterstützt wird. Wiewohl er aber einräumt dass "es bestimmt Menschen gibt, die dort seit Jahrzehnten leben, sehr gut aufgehoben sind und sehr gut betreut werden".
Gegen die Verleumdung
Kaum nachvollziehen kann die Art der Diskussion aber der Leiter des St. Vinzenzheimes, Jürgen Rettensteiner. "LR Schellhorn provoziert gezielt. Äußerungen wie 'keinerlei Kontakt zur Außenwelt' und die Verwendung des Begriffes 'Ghetto' vermitteln in diversen Interviews ein abwertendes Bild, das nicht der Realität entspricht. Diese Bilder rufen Assoziationen hervor, die unerträglich sind und unser Anliegen diffamieren", ist Rettensteiner entsetzt. "Wir bemühen uns mit sehr viel persönlicher Assistenz positive Integration zu leisten. Viele Bewohner haben im St. Vinzenz-Heim eine neue Heimat gefunden und sind sehr zufrieden. Auch Menschen, die in Einrichtungen der Lebenshilfe begleitet wurden. Das Wohl der hier lebenden Menschen muss im Vordergrund stehen".
Maßgeschneiderte Konzepte
Aufgrund der facheinschlägigen Erfahrungen ist Jürgen Rettensteiner überzeugt, dass die Dienstleistungen für einen Teil von Menschen mit Beeinträchtigungen, trotz aller aktueller Paradigmen einen unverzichtbaren Bestandteil in der Behindertenhilfe darstellen. "Unsere Angebote sind für erwachsene, intellektuell beeinträchtigte Menschen mit einem erhöhten oder hohen Begleitungs- und Pflegebedarf unersetzlich. Das Konzept des St. Vinzenz-Heimes ist für die betroffenen Menschen maßgeschneidert entwickelt, da es auf den Bedürfnissen und Wünschen der Bewohner basiert und sich auch bewährt", muss Rettensteiner die engagierten Bemühungen in Schernberg verteidigen.
Budgetärer Engpass
Neben seiner pädagogisch-fachlichen Bedenken sieht LR Schellhorn das Projekt als unwirtschaftlich an. "Beim vorliegenden großen Neubauprojekt auf dem Gelände des Schlosses Schernberg, sollen 18,5 Millionen Euro öffentliches Geld verbaut werden. Es fehlt aber die Finanzierung der Mehrkosten von mindestens vier Millionen Euro für die Baukosten-Indexierung", rechnet er vor. Schellhorn: „Ich werde sicher keine Großbaustelle mit ungeklärter Finanzierung und bereits absehbarer Kostenüberschreitung beginnen. Das sind die Methoden der Vergangenheit. Von einer ausreichenden budgetären Vorsorge der alten Landesregierung kann zudem keine Rede sein“.
Konzept mit Land erstellt
Die Kritik am Konzept lässt Jürgen Rettensteiner aber nicht gelten: "In einem sehr breit angelegten Prozess wurde intensiv und jahrelang, unter Einbindung von Betroffenen, Angehörigen, Sachwaltern, den Fachabteilungen des Landes Salzburg – insbesondere der Abteilung Soziales, politischen Akteuren und Experten das Projekt, entwickelt. Im Oktober 2011 wurde darüber ein Regierungsbeschluss gefasst, an deren Umsetzung wir aktiv arbeiten", verweist Rettensteiner auf die intensive Zusammenarbeit.
"Lokalaugenschein ist nötig"
Landesrat Schellhorn und die Grünen waren bisher nicht im St. Vinzenz-Heim. "Eine persönliche Auseinandersetzung wäre dringlich, um diese Vorurteile abzubauen", meint GF Rettensteiner. Dieser Einladung wird Schellhorn am kommenden Freitag nachkommen und zeigt sich trotz aller Diskrepanzen zuversichtlich: „Wir werden gemeinsam einen guten Weg finden.“
Zusammengefasst:
Hinter der Sanierung des St. Vinzenzheimes stehen die Gemeinde Schwarzach rund um Bgm. Andreas Haitzer, die FPÖ um Rupert Doppler, Die Arbeiterkammer rund um Sigi Pichler und die Heimleitung um GF Jürgen Rettensteiner selbst.
Gegen die derzeitigen Sanierungspläne sind die GRÜNEN um LR Heinrich Schellhorn und auch die Lebenshilfe Salzburg hat Bedenken angemeldet.
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