Im Gespräch mit Bartosz Poznanski
Der Glaube versetzt Berge – und bringt Freiheit

Bartosz Poznanski ist der neue Pfarrer des Pfarrverbandes Kindberg. Ein Weltenbummler am Ziel? | Foto: Ekatarina Paller
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Der Pfarrverband Kindberg hat wieder einen fixen Pfarrer: Bartosz Poznanski ist seit 1. September Stadtpfarrer von Kindberg und Pfarrer der umliegenden Pfarren Allerheiligen, Mürzhofen und Stanz.

MÜRZTAL. In jungen Jahren musste sich Bartosz Poznanski im damals noch kommunistischen Polen zwischen einem Leben im Kloster und einem Leben als Profibergsteiger entscheiden – beides wäre für ihn ein Weg in die Freiheit gewesen. Geworden ist es das Kloster und das Priesteramt, das Bergsteigen ist als große Leidenschaft geblieben. Nach vielen Stationen quer über den Globus ist er jetzt in Kindberg gelandet – über den Umweg Ausseerland. Bartosz Poznanski spricht sechs Sprachen, seit sechs Jahren Aufenthalt in Österreich auch sehr gut Deutsch, wobei er jeden Tag dazulernt, so wie er lachend erzählt.

Lieber Bartosz, Amtsantritt in Kindberg war am 1. September. Haben Sie sich schon eingelebt?
BARTOSZ POZNANSKI: Ich denke schon. Ein Ortswechsel ist immer auch ein längerfristiger Prozess, es braucht Zeit, die Menschen kennenzulernen und natürlich auch die örtlichen Gegebenheiten. Aber ich bin zufrieden und fühle mich angekommen.

Sie waren davor im Ausseerland, wie viele Jahre?
Insgesamt hat das Abenteuer Ausseerland sechs Jahre gedauert. Für mich war es auch die erste Station in Österreich. Angepriesen wurde es mir damals vom Generalvikar als Paradies – und das war es auch.

Zuletzt war Bartosz Poznanski sieben Jahre Pfarrer in Taublitz und Bad Mitterndorf. | Foto: Ekatarina Paller

Wann und warum haben Sie die Entscheidung getroffen, Priester zu werden?
Eine schwierige Frage. Ich erinnere mich daran, schon als Kind den Wunsch geäußert zu haben, Priester zu werden. Sicherlich ein prägendes Ereignis für mich war die Ermordung des Polnischen Priesters Jerzy Popiełuszko, der aufgrund seiner Unterstützung der Opposition um die Solidarność von Offizieren des polnischen Staatssicherheitsdienstes ermordet wurde. 2010 wurde er seliggesprochen. Die Stimmung nach seinem Tod ist immer noch lebendig, wie sehr ihn die Menschen geschätzt haben und wie er dem Volk und den Menschen stets nahe gestanden ist, das hat mir imponiert und ich wollte auch so sein wie er. Für mich hatte diese Entscheidung auch sehr viel mit Freiheit zu tun. Auch ein großes Vorbild für mich war der berühmte polnische Bergsteiger Jerzy Kukuczka, der 1989 an der Südwand des Lhotse ums Leben gekommen ist. Gleich wie Popiełuszko war auch er frei, die Menschen im Kommunismus waren es nicht. In Polen hat sich in den vergangenen 25 Jahren das ganze Leben grundlegend geändert, da hat das Kloster für mich auch eine Form der Beständigkeit gehabt. Eine fixe Größe, die immer da war. Und letztendlich wird Gott auch eine Rolle gespielt haben. Ich fühle mich von ihm berufen. Er hat mich gerufen und ich habe ihm eine positive Antwort gegeben. 

"Viele Wege führen zu Gott, warum nicht auch einer über die Berge." | Foto: Ekatarina Paller

Welche Stationen im Priesteramt haben Sie durchlaufen?
Ich bin mit 18 Jahren, gleich nach dem Gymnasium ins Kloster eingetreten. Zwei Jahre als Postulant und Noviziant, danach sechs Jahre Studium und dazwischen ein Jahr Praktikum. Bis zur Priesterweihe waren es neun Jahre. Es war eine lange Zeit im Kloster, die ich aber sehr bewusst erleben durfte.

Und danach?
Oh, es waren viele Stationen. Zuerst habe ich in Polen als Kaplan mit den Studenten gearbeitet und war Religionslehrer an einem Gymnasium. Danach war ich in Amerika, in Australien, in Italien, Frankreich. Eine lange und für mich schöne Zeit habe ich in der Türkei verbracht – vier Jahre war ich als Missionar tätig. Nach der Türkei war ich wieder in Italien, im Wallfahrtsort Manopello. Seit 2017 bin ich in Österreich – im Ausseerland und jetzt hier in Kindberg.

Wo in Polen sind Sie geboren?
Aufgewachsen bin ich in einem kleinen Dorf – ganz ohne Berge, rund 100 Kilometer von Danzig entfernt. In diesem Dorf hat aber das Wirken der Minderbrüder im Kapuziner-Kloster eine große Wirkung auf mich ausgeübt. Ihr Leben und Engagement für die Menschen da zu sein hat mich fasziniert.

Der neue Stadtpfarrer liebt es , mit Menschen in Kontakt zu treten: "Der persönliche Umgang mit Menschen liegt mir am Herzen." | Foto: Ekatarina Paller
  • Der neue Stadtpfarrer liebt es , mit Menschen in Kontakt zu treten: "Der persönliche Umgang mit Menschen liegt mir am Herzen."
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Haben Sie noch regelmäßig Kontakt zur Familie?
Natürlich. Besonders mit meiner Schwester telefoniere ich fast jede Woche. Meine Mutter ist leider schon verstorben. Leider lässt es die Zeit nicht zu, dass ich öfters nach Polen fahre. Die Entfernung ist doch sehr groß.

Polen ist ein sehr katholisch geprägtes Land. Gibt es einen Unterschied im Ausleben der Frömmigkeit zwischen Polen und Österreich?
Es gibt einen Unterschied, aber der ist weniger groß als man annehmen könnte. Das polnische Volk ist im Glauben inniger, stiller und mehr in sich gekehrt. Das Gebet ist keine bloße Formel, sondern ein persönliches Gespräch mit Gott. Aktuell ist Polen aber ein Land, wo die Menschen sich am schnellsten von der Kirche entfernen und austreten. Verantwortlich dafür sind viele Skandale und Missbrauchsgeschichten und auch der fortschreitende Laizismus, also das Zurückdrängen der Kirche aus dem staatlichen und gesellschaftlichen Leben.

Wie legen Sie ihre pastorale Arbeit in Kindberg an? Als großer Pfarrverband doch eine große Herausforderung für jeden Pfarrer?
Ja, es ist herausfordernd. Als mir die Stelle in Kindberg angeboten wurde, habe ich zuerst den Generalvikar um Bedenkzeit gebeten, weil ich mir selbst nicht sicher war, ob ich dieses Amt schaffe. Als ich dann aber das Team kennengelernt habe und gesehen habe, wie strukturiert die Abläufe hier funktionieren, habe ich zugesagt – hoffnungsfroh!
In erster Linie möchte ich für die Menschen da sein. Es geht darum, eine persönliche Beziehung zu den Menschen aufzubauen. Oft sind nicht die Worte wichtig, die ich in der Predigt beim Gottesdienst spreche, sondern wie ich mit den Menschen im Alltag umgehe. In der Kirche allein werde ich nicht alle Menschen erreichen.

Werden Sie auch als Religionslehrer tätig sein?
Nein, vorerst nicht. Ich war Religionslehrer in Polen. Noch aber ist die Barriere der Sprache zu hoch für mich.

Mit seiner Fröhlichkeit und mit seinem positiven Zugang möchte er Menschen erreichen und dadurch auch Näher an Gott und zum Glauben bringen. | Foto: Ekatarina Paller
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Aktuell ist die evangelische Pfarre in Kindberg unbesetzt. Hätten Sie eine Scheu davor, Ökumene in Kindberg aktiv zu praktizieren, z.B. gemeinsame Gottesdienste, gemeinsame Veranstaltungen?
Ökumene ist absolut kein Problem für mich. Ich habe keine Berührungsängste vor Menschen mit anderen Konfessionen. Für mich ist der Begriff Kirche ein sehr weiter und immer geprägt von Menschlichkeit. Diese Menschlichkeit ist das Fundament unseres Glaubens. Es geht schlichtweg beim Glauben nicht um eine Lehre, um ein Gesetz oder eine Formel, sondern ums Leben.

Der Katholische Glauben ist aktuell fast schon zur Privatsache degradiert worden. Sehen Sie eine gewisse Orientierungslosigkeit der Menschen?
Ja, schon. Wobei ich niemanden verurteilen möchte. Es gibt auch Menschen, die obwohl mit der Kirche verbunden, immer auf der Suche nach Orientierung sind. Letzten Endes bleiben sie erschöpft auf der Strecke. Wir suchen sehr oft nach Orientierung, und vergessen dabei darauf, dass wir diesen Schatz, den wir suchen, vor der eigenen Tür haben.

Man huldigt vielen Werten, viele davon sind ökonomischer Natur. Die Demut jedoch ist ein Wert, der maßgeschneidert fürs Christentum ist. Mehr Demut würde uns allen gut tun. Ist uns gerade diese Demut abhanden gekommen?
Es ist eine Erscheinung der modernen Zeit. Die Menschen streben nach Erfolg, Schönheit, ewiger Jugend. Werbung und die sozialen Medien gaukeln uns eine Welt vor, die mit der Wirklichkeit und dem Alltag nichts zu tun hat. Der Schlüssel zu einem demütigeren Lebe wäre: Ich werde geliebt, so wie ich bin. Es gilt, diese Liebe zu entdecken. Man sollte zufrieden sein, mit dem, was man hat: Wir wohnen in einem wunderbaren Land. Wir haben ein Dach über dem Kopf. Ich bin gesund, usw. Dankbar zu sein ist ein erster Schritt, der nächste Schritt wäre, achtsamer durch die Welt zu gehen, achtsamer mit den Menschen umzugehen.

Bartosz Poznanski ist leidenschaftlicher Bergsteiger. Im Sommer musste er am 7.134 Meter hohen Pik Lenin im Pamir Gebirge in Tadschikistan wegen einer Zahnentzündung umdrehen. | Foto: Ekatarina Paller
  • Bartosz Poznanski ist leidenschaftlicher Bergsteiger. Im Sommer musste er am 7.134 Meter hohen Pik Lenin im Pamir Gebirge in Tadschikistan wegen einer Zahnentzündung umdrehen.
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Sie sind leidenschaftlicher Bergsteiger und Alpinist. Der einstige Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher, selbst auch passionierter Bergsteiger, hat gesagt: Viele Wege führen zu Gott, einer davon über die Berge.” Wenn ich sage “Mein Weg zu Gott, führt über die Berge”, was würden Sie mir antworten?
Ich würde es akzeptieren, ohne Probleme. Der ehemalige Papst Benedikt hat ebenfalls gesagt "Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt." Jeder von uns hat seinen eigenen Weg, ab und zu tun uns Rahmen gut, die uns Sicherheit geben. Wenn wir die Kirche breiter sehen, als die reine Institution, sie als Gemeinschaft der Berufenen, als Gemeinschaft der Getauften sehen, dann ist es uns gut möglich, in diesem Rahmen unseren eigenen Weg zu Gott zu entdecken. Gott hat viele Möglichkeiten uns zu erreichen, einer davon führt auch über die Berge.

Wieviel Zeit zum Bergsteigen bleibt Ihnen?

Ich war am Sonntag noch auf dem Grimming, dort hatte ich eine Bergmesse zu halten. Hier in Kindberg ist jetzt eine heiße Phase für mich, wo mir in den nächsten Tagen und Wochen wenig Zeit bleiben wird. An sich versuche ich, Montag meinen freien Tag zu haben und hätte dann Zeit fürs Bergsteigen – sofern das Wetter mitspielt. Es geht bei mir auch um psychische Hygiene, um meine Gedanken ordnen zu können, um Stress abzubauen. Sehr gut funktioniert das in den Bergen.

Weitere Hobbys? Sie fahren auch Ski?

Ich versuche, Ski zu fahren. Nur mit der Technik hapert es noch ein wenig. Erst als 37-jähriger Mann habe ich mich ans Abenteuer Skifahren gewagt. Schön langsam darf ich mich ans Skitourengehen wagen.  Dadurch, dass ich einzig montags Zeit für meine Hobbys habe, bin ich meist alleine unterwegs. Manches Mal tut es mir gut, ein anderes Mal wäre ich gerne mit einer Gruppe oder wenigstens zu zweit unterwegs. Sehr gerne bin ich mit dem Motorrad unterwegs, oder mit dem Rad, generell genieße ich den Aufenthalt in der Natur – auch eine Form von Freiheit.

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