Autor Mappes-Niediek diskutierte mit der Jugend
"Lasst uns über Krieg reden"

Buchautor Norbert Mappes-Niediek bei seinem Vortrag vor Schülerinnen und Schüler des BORG Kindberg. | Foto: Hackl
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Im Kindberger Cowerk diskutierte der Autor Norbert Mappes-Niediek mit Schülerinnen und Schülern des BORG Kindberg über sein Buch „Krieg in Europa - Der Zerfall von Jugoslawiens und der überforderte Kontinent" statt. Eine Diskussion, die zwei Tage vorher im Kapfenberger Einkaufszentrum ECE in kleiner Runde ebenso stattgefunden hat.

KINDBERG. KAPFENBERG. Norbert Mappes-Niediek arbeitete ab 1991 als freier Korrespondent für Südosteuropa. Er schrieb für "Die Zeit", die "Frankfurter Rundschau", die "Berliner Zeitung", "Der Standard" und heute u.a. für den Deutschlandfunk. Der Autor lebt mit seiner Familie in Graz.

Über seine langjährige Freundschaft mit dem Kapfenberger Peter Vogl (Listen-Gemeinderat und Inhaber der Politik Traffik) kam der Autor zu zwei Vorträgen nach Kapfenberg und Kindberg; organisiert wurden die Lesungen von der "Bibliothek der Sinne" von Sabine Aigner und Helmut Schlatzer.

Der Buchautor mit den Inhabern der Bibliothek der Sinne Helmut Schlatzer und Sabine Aigner. | Foto: Hackl
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Norbert Mappes-Niediek erzählte auch, wie er auf die Idee kam, 30 Jahre nach dem Ausbruch des Krieges im ehemaligen Jugoslawien ein Buch über diesen Krieg zu schreiben. "Ganz einfach, weil es dazu noch kein Buch gab, das die Gesamtsituation halbwegs objektiv bewertet. Ich bin immer noch Korrespondent und merkte bei meinen Recherchen, dass es kein Gesamtwerk über den Krieg in Jugoslawien gibt." Zwei Jahre hat er an seinem Buch gearbeitet, viel geholfen hat ihm sein umfangreiches Netzwerk in Südosteuropa. "An sich ist es der am besten dokumentierte Krieg  in der bisherigen Geschichte. Es gibt dazu aber sieben Wahrheiten der sieben Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Die Kunst ist es, die tatsächliche Wahrheit zu finden", erzählt der Autor.

"Graz war sehr praktisch für mich"

Dass er seine zweite Heimat in Graz gefunden hat, ist auch dem Krieg und seinem Job geschuldet. "Man ist schnell in Marburg und in drei Stunden in Zagreb und ebenso wieder schnell retour und in Sicherheit. Außerdem war es zu dieser Zeit nur in Österreich möglich, nach Zagreb oder Belgrad zu telefonieren. Von Zagreb aus konnte man nicht nach Belgrad telefonieren."

Als Kriegsexperte möchte er trotzdem nicht gesehen werden. Zurückhaltend gibt er sich über die Frage nach einer Expertise zum Krieg in der Ukraine. "Das in Jugoslawien war ein Krieg einer sich teilenden Gesellschaft. Was Russland mit der Ukraine macht, dass ist Besitzergreifung eines fremden Territoriums. Man kann diese beiden Kriege nicht miteinander vergleichen."

Norbert Mappes-Niediek: "Der Krieg in Jugoslawien lässt sich mit dem Krieg in der Ukraine nicht vergleichen." | Foto: Hackl
  • Norbert Mappes-Niediek: "Der Krieg in Jugoslawien lässt sich mit dem Krieg in der Ukraine nicht vergleichen."
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Dass die Schülerinnen und Schüler von heute keinen Bezug mehr zum Staat Jugoslawien haben, der seit 2003 nicht mehr existiert, lässt Mappes-Niediek nicht gelten: "Es gehört zur jüngeren Geschichte von Europa, es war ein Prozess der Europa stark verändert hat und biosphärisch haben viele Menschen in Österreich und der Steiermark ihre Wurzeln in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens."

Eine umfassende Gesamtdarstellung

Norbert Mappes-Niediek führt im Buch – mittlerweile sein achtes – in seiner großen erzählerischen Gesamtdarstellung mitten hinein in dieses dunkle Kapitel der jüngsten europäischen Geschichte: angefangen mit den ersten Panzern in Slowenien und dem Schock darüber, dass im vermeintlich friedlichen Europa plötzlich wieder Krieg ausbricht, bis hin zum UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.

Er zeichnet die Bruchstellen des gescheiterten Vielvölkerstaats nach, nimmt das unfassbare Massaker im bosnischen Srebrenica in den Blick, fragt nach Interessen und Strategien der Kriegsparteien, aber auch nach der Verantwortung der ausländischen Mächte – und macht so die weltpolitische Tragweite des Konflikts deutlich.

Das Buch ist im November 2022 erschienen. | Foto: Rowohlt
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Scharfsichtig und eindringlich schildert Mappes-Niediek, der die Region kennt wie wenige andere, den blutigen Zerfall Jugoslawiens – der unseren Kontinent beinah zerrissen und bis heute verändert hat.

Eine kleine Anekdote am Rande: In Vorbereitung auf seinen Vortrag hat Norbert Mappes-Niediek nicht etwa nach einem Beamer gefragt, sondern nach einem Overhead-Projektor. Alle seine Unterlagen fertigt er immer noch in Overhead-Folien – das macht den Autor noch sympathischer und die Schülerinnen und Schüler durften eine ihnen wohl unbekannte Präsentationsmöglichkeit kennenlernen.

Das Buch ist im Rohwohlt-Verlag erschienen. Die Veranstaltung wurde organisiert von der Bibliothek der Sinne.

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